Ein Obdach für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina

von Kurt SüdmersenIlona Radke
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

In Bosnien-Herzegowina tobt ein fürchterlicher Krieg. Hunderttausende werden aus ihrer Heimat vertrieben, befinden sich auf der Flucht vor Gewalt und Tod. Besonders Frauen und Kinder sind wieder einmal die Hauptleidtragenden. Oftmals besitzen sie nur noch das, was sie auf dem Leibe tragen. Ihre Wohnungen, Häuser, Dörfer sind zerstört. Die meisten haben Angehörige verloren. Ihnen blieb nur die Flucht als ein­ziger Ausweg. Die deutsche Bundesregierung weigert sich, diese Flüchtlinge aufzunehmen. Menschliches Leid zählt nicht als Argument in der "großen Politik". Und daß nicht einmal vor fünfzig Jahren auch Hunderttausende Deutsche auf der Flucht waren und verzweifelt nach einer ne _uen Bleibe suchten, auch nicht. 

Deshalb rufen wir auf:

NEHMEN SIE FLÜCHTLINGE AUS BOSNIEN BEI SICH AUF ! 

Überlegen Sie, ob Sie nicht Platz haben, um eine oder mehrere Per­sonen bei sich wohnen zu lassen. Lassen Sie uns gemeinsam den Beweis antre­ten, daß wir, BürgerInnen in einem der wohlhabendsten Ländern der Erde, in der Lage sind, notleidenden Menschen ein Obdach zu schaffen. Die Friedensbewe­gung hat bereits in geringerem Umfang gute Erfahrungen gemacht mit der Auf­nahme von Deserteuren aus dem ehe­maligen Jugoslawien. Durch unsere lange Zusammenarbeit mit der Frie­densbewegung in Slowenien, Kroatien, Serbien und Bosnien Herzegowina ha­ben wir gute Kontakte, die uns bei die­sem Projekt helfen können. Bitte füllen Sie den untenstehenden Abschnitt aus und schicken ihn an uns zurück. Sobald 1000 Personen ihre Bereitschaft erklärt haben, einen oder mehrere Flüchtlinge aufzunehmen, werden wir uns mit den Erklärungen an die Öffentlichkeit und die Regierung wenden und (wie wir es auch jetzt schon tun) die Öffnung der Grenzen und die Erteilung des Dul­dungsaufenthaltrechts in der BRD für alle Kriegsflüchtlinge fordern. Die Re­gierung behauptet, die "Aufnahme­kapazitäten" seien erschöpft - mit Ihrer Bereitschaftserklärung kön­nen Sie das Gegenteil beweisen und gleichzeitig praktische Hilfe für Men­schen in Not leisten. 

Erstunterzeichne­rInnen dieses Aufrufs sind folgende Organisationen:­ Arbeitskreis MIR Stutt­gart, "AG Jugoslawien" im Netzwerk Friedenskooperative, Aktionsgemein­schaft Friedenswoche Minden, Bund für Soziale Verteidigung, DIE GRÜNEN, DIE GRÜNEN Kreisverband Minden-Lübbecke, DIE GRÜNEN Rheinland Pfalz, Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der KDV, EAK Westfa­len, Friedensausschuss der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker), Friedensforum Nienburg, Friedenskot­ten Lippinghausen, Initiative für Frie­den und Abrüstung, Internationaler Ver­söhnungsbund deutscher Zweig, Katho­lische Arbeitsgemeinschaft für KDV und ZD, Kurve Wustrow, Ohne Rüstung Le­ben, Pax Christi deutsche Sektion, Pax Christi Aachen, Pax Christi im Bistum Rottenburg-Stuttgart, Pax Christi Osna­brück, Senfkorn Christliche Friedens­leute Minden, Werkstatt für Gewaltfreie Aktionen Baden 

Rückmeldung:

O     Ich / wir fordern die Bundesregierung auf, sofort die Grenzen für alle Flücht­linge aus dem ehemaligen Jugoslawien, besonders aus dem vom Krieg verwü­steten Bosnien-Herzegowina zu öff­nen. Allen Kriegsflüchtlingen, die zu uns wollen, soll in Deutschland die Auf­enthaltsbefugnis erteilt werden. 

O     Ich / wir unterstützen diese Aktion und die Friedensarbeit im ehemaligen Jugo­slawien mit einer Spende an den Bund für Soziale Verteidigung, Sparkasse Minden-Lübbecke, Konto-Nr. 89420814, BLZ 49050101, Stichwort "Flücht­lingsaufnahme" (Spenden sind steuerlich absetzbar. Für Spenden ab 100 DM senden wir Ihnen unaufgefor­dert eine Spendenbescheinigung. Für Spenden unter 100 DM gilt der Über­weisungsträger als Beleg. Bitte geben Sie Ihren Namen und Ihre Anschrift gut leserlich auf dem Überweisungsträger an.) 

0     Ich / wir persönlich erklären uns bereit, ........ (Anzahl der Personen) bei uns auf­zunehmen, unter der Bedingung, daß die Grenzen für Kriegsflüchtlinge geöffnet werden und ihnen in der BRD die Aufenthaltsbefugnis erteilt wird. Organisation Name

 

Vorname:   

Straße:    

Wohnort:   

Telefon:   

Unterschrift:    

 

Bitte zurück an: Bund für Soziale Verteidigung, Friedensplatz 1a, 4950 Minden, Tel.0571/29456, Fax.0571/23019

Zusatzinformation

für alle Menschen, die bereit sind, einen Flüchtling / eine Flüchtlingsfamilie aus Bosnien bei sich aufzunehmen.

Seit über eineinhalb Jahren arbeitet der Bund für Soziale Verteidigung (BSV) mit Menschen aus den Friedensbewe­gungen in Slowenien, Kroatien, Serbien und Bosnien zusammen. Im Sommer des vergangenen Jahres begannen Mit­arbeiterInnen des BSV dort mit Multi­plikatorInnen-Ausbildungen in gewaltfreien Aktionen und Media­tion (einer Methode der gewaltfreien Konfliktaustragung). Aufgrund der viel­fältigen Kontakte die sich seit dieser Zeit ergeben haben und der Präsenz un­serer MitarbeiterInnen erleben wir in­tensiv was es für kroatische, sloweni­sche und serbische Städte bedeutet, den größten Flüchtlingsstrom nach dem _zweiten Weltkrieg in Europa auf­fangen zu müssen. Wir starten diesen Aufruf um uns gegen die erklärte Ab­sicht der Bundesregierung zu wenden, die Grenzen für  die Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien wei­terhin verschlossen zu halten. Wir ver­stehen diesen Aufruf als einen politi­schen und einen humanitären Akt. Durch die Erbringung des Beweises, daß _deutsche Familien und Einzelper­sonen bereit sind Wohnraum zur Verfü­gung zu stellen, hoffen wir moralischen Druck auf unsere gewählten PolitikerIn­nen ausüben zu können. So werden wir uns mit Ihrer Bereitschafterklärung auch zuerst an die PolitikerInnen wen­den. Wir können zur Zeit davon ausge­hen, daß zumindest in einigen Bundes­ländern die Innenminister bereit sein werden, den aufgenommenen Flüchtlin­gen eine Aufenthaltsbefugnis oder ein Duldungsaufenthaltsrecht einzuräu­men. Die Aufenthaltsbefugnis oder die Erteilung des Duldungsaufenthaltrechts berechtigen Sozialhilfe zu beantragen und eine Arbeitserlaubnis zu erhal­ten. Eine erfolgreiche Einflußnahme auf die Entscheidungen der Innenminister wird sicherlich u.a. von dem Umfang der uns Unterstützenden abhängen. Eine Voraussetzung dafür, daß die private Hilfe nicht zu einer menschenunwürdi­gen Selektion von Flüchtlingen mißrät, ist die Öffnung der Grenzen und Ertei­lung der Aufenthaltsbefugnis für alle Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Dies ist und bleibt unsere dringenste Forderung an die Bundesre­gierung. Doch was ist, wenn keine Auf­enthaltsbefugnis erteilt wird; weder ge­nerell oder nur begrenzt auf die Zahl von Menschen, für die wir Gastfamilien finden ? Sollte es zu keiner generellen Erteilung der Aufenthaltsbefugnis oder des Duldungsaufenthaltrechts kommen  ist unklar, wie der jeweilige Deutsch­landaufenthalt und die Kosten für die Heimreise finanziert werden kön­nen. Wir bitten daher alle, die sich dazu entschließen Flüchtlinge aufzunehmen, sich mit ihren GemeindepfarrerInnen und Trägern der freien Wohlfahrt in Verbindung zu setzen, um eine ge­meinde- oder stadtteilorientierte Paten­schaft bzw Spendenaktion für die Auf­nahme ihres potentiellen Gastes zu be­wirken. Bitte überlegen Sie auch, ob Sie ggf. in der Lage sind, privat die Kosten des Unterhalts und die evtl. anstehenden Fahrtkosten zu tragen. Sollte unsere Forderung nach Öffnung der Grenzen keinen Erfolg haben, werden wir alle, die ihre Bereitschaft signalisiert haben, Flüchtlinge aufzunehmen, noch einmal anschreiben und auf der Grundlage neuer Informationen um ihre Entschei­dung bitten. 

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Krisen und Kriege
Kurt Südmersen ist Mitarbeiter des Bundes für Soziale Verteidigung (BSV)