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Soziale und ökologische Gerechtigkeit
Ein STARKES Zeichen für ein STARKES Lieferkettengesetz
vonDas Rattern von Nähmaschinen schallt über den Heidelberger Marktplatz vor dem Rathaus, begleitet vom lauten Klappern industrieller Webstühle und dem Surren einer Spinnerei. Ein auf Dauer unerträglicher Lärm, unvorstellbar als Geräuschkulisse bei der täglichen Arbeit und trotzdem für viele Arbeiter*innen entlang jeder Textillieferkette bittere Realität. Über den Marktplatz windet sich eine lange silberne (Liefer-)Kette, die abwechselnd große Pappcontainerschiffe und Einkaufswägen miteinander verbindet. Die Einkaufswägen sind unterschiedlich ausgestaltet, mit Garn bestückt, mit Wolle eingewebt, mit Baumwolle gefüllt und toten Pappfischen behängt. Aus dem einen ragt eine abgestorbene Pflanze, der andere quillt über vor Kleidungsstücken, und einer ist vor lauter Paketen fast gar nicht mehr zu sehen.
Die Einkaufswagen repräsentieren mögliche Glieder einer Textillieferkette von der Gewinnung der Baumwolle in Usbekistan, über das Spinnen des Garns in Indien, das Weben und Veredeln der Stoffe in China, das Nähen der Kleidungsstücke in Bangladesch bis hin zum Einzelhandel in Deutschland. Schilder an den kreativ ausgestalteten Einkaufswägen machen auf die Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferkette aufmerksam. Auf Texttafeln ist von moderner Sklaverei, Zwangsarbeit, Löhnen unter dem Existenzminimum, unmenschlichen Arbeitszeiten, körperlichen Übergriffen, massiven Gesundheitsschäden und der Zerstörung von Natur zu lesen. Das alles kommt beim Einkauf eines Kleidungsstücks möglicherweise in die Tüte!
Am Anfang der Installation steht ein großer Metallrahmen, er repräsentiert den geplanten gesetzlichen Rahmen, das Lieferkettengesetz. Für ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette verbindlich dazu verpflichten soll, Menschenrechte und Umweltschutz zu achten, wird schon lange gekämpft. Vor zwei Jahren hat sich die Initiative Lieferkettengesetz gegründet (https://lieferkettengesetz.de/), ein Zusammenschluss von inzwischen mehr als 120 Organisationen wie Greenpeace, verdi, Misereor und Werkstatt Ökonomie.
Über den Gesetzesentwurf zum Lieferkettengesetz wurde im Bundeskabinett lange und heftig gestritten: Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gelang es erst nach Monaten und mit einem Machtwort der Kanzlerin, die Blockadehaltung von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zu durchbrechen.
Der nun vorliegende Gesetzentwurf, welcher am 22. April 2021 zur ersten Lesung im Bundestag war, ist ein kleiner Erfolg. Das Gesetz würde erstmals Unternehmen gesetzlich dazu verpflichten ihrer Sorgfaltspflicht für die Achtung der Menschenrechte in ihren Lieferketten nachzukommen. Der Gesetzentwurf weist jedoch noch erhebliche Mängel auf. Der Metallrahmen auf dem Heidelberger Marktplatz ist deshalb mit einem Tuch bespannt, in dem große Löcher klaffen. Die Initiative Lieferkettengesetz und mit ihr die Werkstatt Ökonomie kritisieren vor allem vier Punkte:
Erstens gibt es keine vollumfängliche Sorgfaltspflicht jenseits der ersten Stufe der Lieferkette, dabei wird gegen die Menschenrechte gerade am Anfang der Lieferkette verstoßen, etwa bei der Rohstoffgewinnung. Zweitens gilt das Gesetz erst für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeiter*innen und somit nur für einen Bruchteil der deutschen Wirtschaftsunternehmen. Drittens gibt es keine zivilrechtliche Haftung, Klagen von Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen vor deutschen Gerichten bleiben damit ziemlich aussichtslos. Und viertens werden schwere Umweltschäden nicht ausreichend in die Sorgfaltspflicht miteinbezogen.
Alles in allem ein zu schwacher gesetzlicher Rahmen. Für ein wirksames Lieferkettengesetz, das Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung endlich stoppt, braucht es aber einen starken gesetzlichen Rahmen! Diese Kritik hat die Werkstatt Ökonomie mit der Protestinstallation am 23. April auf kreative und informative Art und Weise zum Ausdruck gebracht, um ein bildstarkes Signal in den Bundestag zu senden und die Menschen auf die Thematik aufmerksam zu machen.
Das Lieferkettengesetz soll voraussichtlich am 20. oder 21. Mai verabschiedet werden. (Nach Redaktionsschluss dieses Heftes, Anm. der Red.). Bei den momentan laufenden Verhandlungen besteht die Gefahr, dass das Gesetz noch mehr verwässert wird, da die großen Wirtschaftsverbände und der Wirtschaftsminister weiter Druck machen. Darum ist es wichtig, jetzt noch einmal laut zu werden für ein starkes Lieferkettengesetz. Wenn Sie sich auch für ein starkes Lieferkettengesetz einsetzen möchten, dann schreiben Sie den Abgeordneten in Ihrem Wahlkreis. (https://lieferkettengesetz.de/lieferkettenbrief/). Wir werden uns weiter, auch wenn es um ein Lieferkettengesetz auf europäischer Ebene geht, für Nachbesserungen einsetzen - damit Umweltschutz und Menschenrechte nicht mehr durchlöchert werden.