Ethnologe als Waffenhändler

von Anke Kuper

An der Kölner Universität lehrt der Geschäftsführer von Heckler & Koch (USA) Ethnologie. Waffen von Heckler & Koch sind weltweit in nahezu jedem Spannungs- und Kriegsgebiet im Einsatz; mehrfach geriet das Unternehmen in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit Waf­fenlieferungen in Länder der „3. Welt“ in die Schlagzeilen. Die Philoso­phische Fakultät der Uni Köln hat bislang offensichtlich keine Beden­ken, daß ein Repräsentant dieser Firma dem Ansehen der Universität schaden könnte.

Der Geschäftsführer von Heckler & Koch, Inc., USA, Privatdozent Dr. Flo­rian Deltgen, ist nach eigenen Angaben von Beruf „Waffenhöndler“. Nicht un­gewöhnlich, stünden nicht sein Werde­gang und seine derzeitigen akademi­schen Ambitionen in so krassem Wider­spruch zu seinem „Beruf“: Deltgen ist Völkerkundler. Er studierte Ethnologie in Köln, promovierte 1969, unternahm eine Feldforschung in Kolumbien, reich­te (erfolglos) eine Habilitations­schrift ein, machte eine Ausstellung, bewarb sich um feste Anstellungen als Ethno­loge und war Assistent am Institut für Völkerkunde in Köln. Eine zum Waf­fenhändler qualifizierende Ausbil­dung und Berufserfahrung?

Nachdem er dann von 1979 bis 1983 im Management eines kunststoffverarbei­tenden Unternehmens in Ahaus tätig war, hielt Heckler & Koch ihn gleich für den geeigneten Mann, das H&K-Büro in Bogot  zu leiten. Deltgen trat die Stelle an und schon nach wenigen Wochen, so Deltgen, hielt die Unternehmensleitung ihn für überqualifiziert und bot ihm an, die Geschäftsführung der Tochterfirma von Heckler & Koch in den USA zu übernehmen.

Seine Qualifikationen? Laut eigener Auskunft: Sprach- und Landeskenntnis Süd- und Mittelamerikas, ethnologi­sches Fachwissen und Handwerkszeug, ethnologische Methodik, seine Erfah­rung als Wirtschaftsmanager; zudem sei er vielseitig interessiert, gebildet und begabt, ein Multitalent.

Die Ethnologie bezeichnet Deltgen heu­te als sein Hobby. Um seine ethno­logi­sche Feldforschung fortzusetzen, ist er wieder häufiger in Kolumbien (er könne sich in diesem Land völlig frei bewegen, er habe Kontakte auf allen Ebenen); er lehrt am Northern Virginia Community College & John Mason University, Vir­ginia, und ist seit 1988 wieder bemüht, seine akademische Kar­riere innerhalb der deutschen Ethnologie fortzusetzen. 1989 wurde er von der Philosophischen Fakultät der Universität Köln habilitiert und erhielt die Venia Legendi für Eth­nologie. Er stellte den Antrag auf Mit­gliedschaft in der Deut­schen Gesell­schaft für Völkerkunde, hat diesen aber inzwischen wieder zurück­gezogen, nachdem die Mitgliederver­sammlung ihn zunächst um eine Stel­lungnahme zu seiner Tätigkeit bei Heckler & Koch ge­beten hatte.

Für eine interessante Nebenbeschäfti­gung, ein Hobby, erscheinen Deltgens Ambitionen doch recht aufwendig. Zu­mal er in Köln keineswegs willkom­men war und bei jedem seiner Besuche mit einigen „Unannehmlichkeiten“ kon­fron­tiert wurde. Er möchte die Venia Legendi behalten, und diese verpflichtet ihn, regelmäßig Lehrveranstaltungen in Köln anzubieten. Als er 1989 erstmals zu seinem Seminar eigens aus den USA anreiste, erschien kein einziger Teil­neh­mer. Deltgen fühlte sich boykottiert und ließ sich vom Dekan für das fol­gende Semester freistellen. Im Sommer 1990 sah er sich dann einer Gruppe von 130 Studenten und Dozenten gegenüber, die ihn um eine Stellungnahme zu seiner Tätigkeit bei H&K baten. Er beklagte sich darüber beim Dekan, der Verständ­nis zeigte und Deltgen für das Winter­se­mester abermals freistellte.

Auch die Studenten wandten sich an den Dekan. In einem Schreiben sprechen sie sich aufgrund der im Gespräch mit Delt­gen gewonnenen Erkenntnisse ge­gen seine Lehrtätigkeit an ihrem Institut aus. Der Standpunkt des Dekans: Außeruni­versitöre Tätigkeiten von Hoch­schulleh­rern berühren das wissenschaft­liche In­teresse der Hochschule nicht. Laut Ha­bilitationsordnung tangieren nicht ein­mal Straftaten die Lehrbefug­nis, son­dern nur den Beamtenstatus. Wissen­schaft sei reines Erkenntnisinter­esse, diene nicht etwa zum Guten der Menschheit im Sinne eines friedlicheren und gerechteren Zusammenlebens aller Menschen. Deltgen verkaufe ja nur Waffen an die US-amerikanische Poli­zei, und das habe mit seiner Tätigkeit als Ethnologe nichts zu tun. Deltgen, da­zu befragt, ob ihm sein Wissen als Eth­nologe bei der Erschließung neuer Märkte helfe: „Ja, ganz gewiß!“ ...

Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse dazu mißbraucht werden, Bereiche zu fördern, die für erhebliche Mißstönde in der Welt verantwortlich sind, wie z.B. das Waffengeschäft mit der „3. Welt“, dann darf das also die wissenschaftliche Welt nicht interessieren. Doch auch die Öffentlichkeit hat ein Auge auf unsere Universitäten; Deltgen, Dekan und Wis­senschaftsministerin mußten sich bereits den Fragen von Journalisten stellen. In­teresse oder nicht - der Dekan wandte sich an das Ministerium. Und dort hat man immerhin „erhebliche Bedenken im Hinblick auf das gebotene Ansehen ei­nes Privatdozenten“. In ihrem Schreiben an die Fakultät bittet Ministerin Anke Brunn um Prüfung, ob Deltgen „durch sein Verhalten das Ansehen oder das Vertrauen, das seine Stellung erfordert, verletzt“. Eine Anfrage der Grünen im Landtag unterstützt das Vorgehen des Ministeriums. Eine Reaktion der Fakul­tät steht noch aus...

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Anke Kuper arbeitet am Institut für Völkerkunde der Universität Köln.