European Disarmaments Campaign (END)

Europa in Bewegung

von Ingo Arend

Vitoria-Gasteiz im spanischen Baskenland war vom 6.-9.Juli 1989 Tagungsort der VIII. END-Convention. Knapp 1100 Teilnehmer aus 47 Ländern diskutier­ten vier Tage lang alle wichtigen Fragen von Frieden, Abrüstung und Men­schenrechten in Europa.

Dabei zeigte sich, daß sich Selbstver­ständnis und Friedensbegriff der 1980 unter dem Kernsatz des Appells der Russell Peace Foundation: "Wir müs­sen lernen, nicht gegenüber dem Osten oder dem Westen, sondern un­tereinander loyal zu sein und wir müs­sen uns über die von den Nationalstaaten verhängten Verbote und Be­schränkungen hinwegsetzen."  ins Le­ben gerufenen europaweiten Bewe­gung: weiter wandeln. Hatte am An­fang die END-Bewegung noch eine starke antikommunistische Frontstel­lung, die sich mit dem Stichwort "Civil society - detente from below" vor al­lem gegen die staatlich kontrollierte Friedensarbeit in den osteuropäischen Staaten richtete, beherrscht, lassen sich jetzt Auflockerungen feststellen.

1987, bei der VI. Convention in Co­ventry (Großbritannien) gelang es als erstem osteuropäischen Friedens­kommittee dem um einige unabhän­gige ungarische Friedensgruppen plu­ralistisch angereicherten Ungarischen Friedenskommittee in das END-Liai­son-Committee (vergleichbar dem KA in der Bundesrepublik) aufgenommen zu werden. 1988 bei der VII. Conven­tion in Lund (Schweden) wurden erstmals solche Begriffe wie "Gemein­same Sicherheit" diskutiert und An­sätze einer wirklich blockübergreifen­den europäischen Diskussionsstruktur sichtbar. Vitoria stand dagegen nicht mehr so ausschließlich unter dem be­herrschenden Eindruck der Persistenz des nuklearen Abschreckungssystems mit all seinen Folgen. Diskutiert wur­den bislang vernachlässigte, nichtmi­litärischer Friedensdimensionen wie der Nord-Süd-Problematik, des Ver­hältnisses Europas zur Dritten Welt, der Verschuldungskrise, der regiona­len Konflikte und auch der Problema­tik der gesamteuropäischen ökologi­schen Bedrohung. Zusätzlich wurden Themen wie die Rolle und Reform internationaler Organisationen (UNO) bei der Bewältigung der glo­balen Probleme untersucht.

Dabei zeichneten sich ähnliche Frage­stellungen und Grundprobleme wie in der bundesdeutschen Diskussion ab: Wie lassen sich von den Neuen Sozia­len Bewegungen insgesamt in einer Phase des Übergangs ihrer Arbeit vom politischen Protest zur politischen Gestaltung die Gesamteuropa betreffenden Fragen der Nord-Süd-, Frie­dens-, Energie- und Ressourcenproblematik, wie läßt sich der Zusam­menhang von Abrüstung-Demokrati­sierung und Kooperation programma­tisch und praktisch-politisch auf einen Nenner bringen?

1990 soll die Convention, nach einem einmütigen Beschluß des Liaison Committees in Helsinki und Tallinn (Estland) zugleich und damit erstmals auf sowjetischem Boden stattfinden. Inzwischen sind auch das estische und das sowjetische Friedenskomitee trotz der bislang gehegten ideologischen Vorbehalte dem Liaison Committee beigetreten. Damit und mit dem näch­sten Tagungsort bestätigt sich ein spätestens seit dem forcierten westeu­ropäischen Einigungsprozeß und den Veränderungen in Osteuropa zu be­obachtender Bedeutungszuwachs von END. Es besteht - auch aufgrund der Wahl eines bundesdeutschen Vertre­ters (Ingo Arend, Jungsozialisten) in die inhaltliche Vorbereitungsgruppe der Convention - die Chance, die Weiterentwicklung des END-Prozes­ses zu einem echten gesamteuropäisch angelegten Ost-West-Friedensforum, das erstmals ein neues friedenspolitisches Profil der Bewegungen für Ge­samteuropa formuliert, von der Bun­desrepublik aus positiv mitzugestalten. Seit einigen Jahren ist der bundes­deutsche Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung bei END-Konfe­renzen nicht mehr selbst vertreten. Das sollte sich in Zukunft ändern. Für nächstes Jahr ist eine gemeinsame Busreise der bundesdeutschen Teil­nehmer zu Convention vorgesehen. Vorschläge für das inhaltliche Pro­gramm (Workshops, Seminare, Redner usw.) müssen bis Mitte November über die nationalen Vertreter eingereicht werden. Außerdem sollte eine eigene Arbeitsgruppe des KA gebildet wer­den, um diese gemeinsame deutsche Vorbereitung zu erreichen.

 

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