Frauen in die Bundeswehr - die "Normalisierung" der Bundesrepublik vollendet sich

von Mechtild Jansen
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Das Drängeln nimmt zu. Die FDP fordert freiwilligen Dienst von Frauen in der Bundeswehr auch an der Waffe. Verteidigungsminister Rühe, Claudia Nolte, Michaela Geiger und andere wollen das gleiche ohne Waffen. Eine grüne Abgeordnete meint ebenfalls, einem solchem Recht der Frauen auf die Beine helfen zu müssen. Personalmangel, man­gelnde Motivation der Männer und am allerliebsten die Gleichberechti­gung der Frauen müssen als Gründe herhalten. An dem Thema schie­den sich einst die Geister. Die Zeiten haben sich sehr verändert. Lockt der Streit auch heute noch jemanden hinter dem Ofen hervor?

Das Ergebnis der Debatte läßt sich pro­gnostizieren, jähe Wenden sind unwahr­scheinlich: Das Thema wird, seit die Bundesrepublik besteht, regelmäßig aufgetischt, wenn die Bundeswehr in Not an Mann und die Frauen konjunktu­rell bedingt wieder einmal in Not an Ar­beitsplätzen sind. Beider Not haben heute einen neuen Reifegrad. Noch liegt vor gegenseitiger Rettung als letzte Hürde das Grundgesetz. Doch sie wird wohl in Bälde fallen. Auf schleichen­dem Wege werden Frauen seit langem in die Bundeswehr einbezogen.

Im Widerstand gegen den weiblichen Wehrdienst mischte sich immer die progressive oder regressive Haltung zu zwei Grundfragen, zum Militär und zum Frauenbild. Die beiden Pole bildeten zuletzt der Antimilitarismus und ein Bild von der Frau als Retterin des Le­bens im Gegensatz zur Männerkampf­bundmaschine. Beide haben keine öf­fentliche Leitbildfunktion mehr. Die Bundeswehr wird hingenommen, auch wenn den Männern die Lust auf Hel­dentum fehlt. Die Belebung durch Frauen täte da nur gut. Die Gleichstel­lung der Frau ist heute bei jeder Pflicht und Unannehmlichkeit so selbstver­ständlich wie bei Recht und Gut frag­würdig. Deshalb läuft alles auf die Frage zu, welche Rolle Frauen in welchem (Wehr-)Dienst zukünftig spielen. Die Wehrpflicht ist zukünftig ökonomisch nicht haltbar, militärisch nicht nötig und politisch schon ausgehöhlt. Sie auf Frauen auszudehnen, ist nicht durch­setzbar. So wird die Bundesrepublik früher oder später eine wie immer gear­tete Berufsarmee kombiniert mit einem freiwilligen sozialen Jahr oder einer Gemeinschaftsdienstpflicht erhalten. Von Gleichstellung von Frauen und Männern wird viel die Rede sein, prak­tisch wird sie nur mehr oder weniger eintreten. Das kleinere Übel liegt auf der Hand. Neue Zwangsdienste haben im Übrigen noch keine Chance. Aber nie­mand weiß ernsthaft zu sagen wie lange.

Muß man und frau diese Lage der Dinge auch gutheißen? Unter dem Gesichts­punkt der Gleichberechtigung gibt es kein Argument gegen die Einbeziehung von Frauen in die Bundeswehr, außer daß das Militär mit Emanzipation grundsätzlich nicht viel gemein hat. In ihm herrschen bekanntlich Befehl, Ge­horsam und Unterwerfung, um über an­dere zu siegen. Es bleibt merkwürdig, ausgerechnet auf dem Exerzierfeld für Gleichberechtigung zu kämpfen, wäh­rend sie in der Gesellschaft vielerorts faktisch infragegestellt, unterlaufen oder abgebaut wird. Im Gewande dieses Ar­gumentes wird eine wachsende "Ohne-mich-Haltung" der Männer kompensiert mit der Power junger Frauen, die alles können und noch längst nicht alles ha­ben. Gibt es in Sachen Gleichberechti­gung nichts Wichtigeres zu tun? Aber natürlich, wer wollte schon jemanden in den eigenen Entscheidungen behindern?!

Wenn Frauen "Gleichberechtigung" an­gedient wurde, ging es stets mehr um Pflicht und Belastung als um Kür und Befreiung. Wenn gar "Karrieren" ange­boten werden, fängt es an zu stinken. Warum rufen dieselben Politiker und Militärs nicht konsequenterweise nach gleichem Kombatantenstatus und halbe-halbe bis zum Generalstab? Gar nach gleichen Arbeitsplätzen, reproduktiver Selbstbestimmung der Frauen, neuem Sozialstaat, Gleichberechtigung aller Lebensformen und Teilen aller Macht ? Gleichberechtigung hätten Frauen gerne uneingeschränkt, um überzeugt sein zu können. Aber das Argument war immer nur ein Hilfsargument zur Bejahung des Militärs.

Wer sich mit letzterem anfreundet, kann verständlicherweise auch als frauenbe­wegte Frau die "Verletzung des Gleich­heitsgrundsatzes" und "das letzte Be­rufsverbot für Frauen" nicht dulden. So üben sich manche im vermeintlichen "Tabubruch". Es bleibt die Frage, worin und wofür wer mit wem gleichberech­tigt sein soll. Es geht um die konkrete Bundeswehr von heute, die für neue Militärstrategien umstrukturiert und ausgerüstet wird. Die Richtlinien sind bekannt. Schnelle Eingreiftruppe, out of area-Einsätze zur "vorbeugenden militä­rischen Verteidigung" von Rohstoff-Zu­gängen und westlichen Werten in aller Welt, lauten die Stichworte. Wer dies bejaht, muß es sagen.

Manche meinen, die Einbeziehung von Frauen würde das Militär selbst entmi­litarisieren und ihm eine "humanere" Qualität verleihen. So wird das schon immer unsinnige Argument von der an­geblich "anderen Natur" der Frau nur umgekehrt, mit dem Frauen in der Ver­gangenheit aus dem Militär ausge­schlossen wurden. In Wahrheit wurde mit der Mär immer nur der Ausschluss der Frauen aus der politischen Macht ideologisch gerechtfertigt. Andere hof­fen nicht ganz zu Unrecht, daß, dienten Soldatinnen erst im Militär, die traditio­nellen Mythen von Weiblichkeit und Männlichkeit als Grundelement des Mi­litarismus und somit dieser selbst zer­brechen würden. Doch wenn Abrüstung und Gewaltabbau nicht insgesamt und umfassend weitergetrieben werden, wird das Militär nur modernisiert, indem Frauen und ihr historischer Kampf um Emanzipation vereinnahmt werden. Mit Frauen, das weiß bald jedes Kind, funk­tioniert auch in der öffentlichen Welt heute alles besser als ohne sie, das Klima, die Organisation, die Disziplin und Motivation etc.. Gleichzeitig aber wachsen gegenwärtig soziale Spaltung, politische Regression und verdeckte Handelskriege. Mit einer Handvoll Sol­datinnen wird das Militär so noch nicht weniger gefährlich. Es sei denn, die Ar­mee wird als Armee und Spitze eines Eisbergs von Gewaltverhältnissen abge­baut und dann zu ziviler Konfliktlösung transformiert.

Der Kaffee ist eigentlich so alt wie langweilig. Kriegshandwerk als norma­ler Beruf, die Emanzipation verhandelt am Militär - und der Begriff ist schnell entleert. Sinnvoller wäre da doch immer noch eine andere Variante der Gleichbe­rechtigung und Angleichung: In diesem Fall passen sich die Männer eher den Frauen an, indem Armeen reduziert, umgebaut oder als Gewaltmaschine gar überflüssig gemacht werden, weil gleichzeitig strukturelle Gewalt in der Gesellschaft abgebaut wird. Wenn die Bundeswehr auf eine defensive Armee umgerüstet wird, zivile Konfliktlösung aufgebaut wird, gemeinsame (Grund-)Ausbildung in Selbstverteidigung, ge­meinsame Grundausbildung aber auch in der Sorge für Kinder und Alte statt­findet, Freiwilligkeit im Dienst auch für Männer herrscht, Soldat-Sein nicht als lebenslanger "normaler Beruf", sondern auf Zeit, mit demokratischer Rotation vorgesehen ist, für Frauen genauso wie für Männer - dann bedeutete das mehr und tiefere Gleichberechtigung zugleich. Aber wer setzt sich für so et­was heute noch ein?

Wenn Frauen in dieser Frage gespalten sind, dann jedenfalls nicht deshalb, weil einige für und andere gegen Gleichbe­rechtigung wären. Sondern weil die Frauenbewegung über die Gratwande­rung zwischen Anpassung und Verände­rung uneins oder unsicher ist.

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Mechtild Jansen ist freie Autorin und lebt in Köln