Michel Chossudovsky`s bereits zuvor in 7 Sprachen übersetztes Standardwerk

Globalisierung - Armut - Krieg

von Renate Schnuck
Schwerpunkt
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"The Globalisation of Poverty" endlich auch auf deutsch erschienen - mit umfangreichem aktuellen Zusatzteil zum 11. September und seinen Folgen - unter dem deutschen Titel:

"Global brutal"

Die Analyse des mehrere Sprachen sprechenden Kosmopoliten - der an einem früheren 11. September (1973) als Gastprofessor an der Katholischen Universität in Santiago den CIA-gelenkten Militärputsch gegen den demokratisch gewählten chilenischen Präsidenten miterlebte und heute Professor für Wirtschaftswissenschaften in Ottawa ist - ist bislang einzigartig im deutschen Sprachraum: Weit über das hinausgreifend, was der englische Originaltitel besagt, beleuchtet sie nicht nur den armuts-, sondern vor allem auch den gewalt- und kriegsfördernden Effekt der sogenannten Globalisierung.

Bereits Mitte der 90er-Jahre (die Erstausgabe erschien 1997 bei Third World Network in Malaysia), als der Begriff "Globalisierung" noch keineswegs in aller Munde war, stellte ihn Chossudovsky in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Anhand zahlreicher Länderbeispiele zeigte er, dass das Problem nicht irgendeine Globalisierung ist, sondern die globale Errichtung einer "westlichen" Wirtschaftsdiktatur: Ausgehend von der Schuldenfalle, deren Mechanismus zum einen auf dem Geldbedarf fast aller Länder beruhte, die damals gerade erst dem Kolonialismus entronnen waren, zum andern auf den scheinbar günstigen Bedingungen, die den Abtrünnigen "großzügig" angeboten wurden, bildeten die Gläubiger mit Hilfe von IWF und Weltbank ein Kartell, das die Schuldnerländer nun in den Würgegriff der sog. Strukturanpassung nahm. Überwiegend anhand höchst offizieller Zahlen, die ihm als Wirtschaftswissenschaftler zugänglich sind, zeigt Chossudovsky detailliert und an Länderbeispielen aus den 3 Kontinenten der Dritten Welt sowie aus dem ehemals realsozialistischen Block, dass die angeblichen Hilfsprogramme der o.g. Finanzinstitutionen zu keinem Zeitpunkt als Hilfe für die Schuldnerländer konzipiert waren, sondern als "Trojanische Pferde".

Chossudovsky beschränkt sich dabei nicht auf die Darstellung der verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen der bitteren IWF-Weltbank-"Medizin" (wie andere Globalisierungskritiker, die seine ökonomische Analyse stützen, z.B. der ehemalige Weltbank-Chefökonom Joseph Stiglitz). Er beleuchtet vielmehr den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Unterwerfung der betroffenen Länder und der resultierenden Schürung "ethnischer" und "religiöser" Konflikte. In so systematischer und fachlich fundierter Form gab es das bislang nicht. Nicht nur seine Kapitel zu Ruanda (wo er Mitglied der UN-Mission zur Aufklärung der Hintergründe des Völkermordes war) und zu Somalia erschüttern das Konzept der "humanitären Intervention" und des "Krieges gegen den Terror", das sich heute breitmacht - in den Köpfen vieler NormalbürgerInnen, aber auch von Menschenrechts- und ehemals Friedensbewegten. Die Kapitel zu Jugoslawien und Indien, deren Ursprungsfassungen bereits Mitte der 90er-Jahre entstanden, lesen sich heute wie geradezu gespenstische Prophezeiungen der Gewalteskalation, die im NATO-Krieg von 1999 gipfelte, und des wachsenden religiösen Fundamentalismus, der den inzwischen hochexplosiven Kaschmirkonflikt schürt.

Das Fazit überlässt der Autor seinen LeserInnen: Die humanitären Katastrophen, in die wir morgen militärisch intervenieren, werden heute gesät - durch unsere eigene Politik, die wir heute ändern müssen.

Für alle, die die Notwendigkeit eines Brückenschlags zwischen globalisierungs- und kriegskritischem Ansatz erkannt haben, ein Muss - trotz 480 Seiten übersichtlich und gut zu lesen!

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Renate Schunck ist Mitarbeiterin im AK Süd-Nord der IPPNW.