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Zur Arbeit im Netzwerk "Friedenskooperative"
Halt ! Stop ! Die Frauen werden längst wieder verdrängt
vonDies ist ein Aufruf - zum Innehalten, Nachdenken und zur Neubestimmung von Handlungsperspektiven ! An Frauen, die das Patriarchat überwinden wollen. An Männer, die im Patriarchat nicht mehr mitspielen und miteinstreichen möchten. Im Netzwerk "Friedenskooperative" sind nicht mehr viele Frauen übrig geblieben. Warum ? Die Friedensbewegung braucht, um ihren Beitrag zur Friedensfähigkeit unserer Gesellschaft geben zu können, gleiche Selbstbestimmung, Rechte, Macht und Möglichkeiten der Geschlechter. Davon ist sie weit entfernt.
Noch ist es nicht en vogue, Frauen wieder offen auf "ihre" (zweitrangigen) Plätze zu verweisen. Doch es findet ein Verdrängungsprozeß gegen Frauen statt, oder anders gesagt, Frauen sind nicht ohne Grund auf dem Rückzug. Jedenfalls sind die Ansprüche der Feministinnen kein besonderes Thema mehr. Wenige (meist mühsam behauptete) professionelle Ausnahmen bestätigen die Regel. Männer beschäftigen sich mit der Neugestaltung europäischer Ordnung. Frauen sind in ihrer alltäglichen Lebensbehauptung verstrickt, im Mitmachen beim noch Vorhandenen, es fehlt ihnen der Überschuß für Neulandbegehung und -gestaltung.
Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die Arbeits- und Lebenssituation der Frauen ist zerstückelter, komplizierter, zerrissener als zuvor, unzureichend für eigenständige Existenzsicherung, subtil abhängig geblieben - hinter der Folie von politischer Aufnahme von Frauenanliegen, freilich nur soweit sie in bestehenden Verhältnisse nützlich sind, d.h. allermeist als Alibi-, Integrations- und Befriedungsangelegenheit.
Im Innern ist die Friedensbewegung nicht weniger patriarchalisch als die Gesellschaft:
- Auch die Politik der Friedensbewegung ist primär Männergeschäft, u.U. gerade in ihren labilen Strukturen. Wird diese politisch Arbeit hauptamtlich gemacht, so sind es überwiegend männliche Funktionäre, die individuell und als Kaste weit mehr Präsenz, Mittel und Einfluß auf das Geschehen haben als "Nebenamtliche". Frauen arbeiten meist ehrenamtlich, mit sehr viel Geringerem oder gar ohne organisatorischem und materiellem Background. Überwiegend sind sie zugleich zum eigenen materiellen Lebenserwerb gezwungen, nebst der berühmten "Doppelbelastung", die Männer mehrheitlich bestenfalls als etwas häusliche "Zuarbeit" kennen.
- Die Entscheidungsstrukturen sind patriarchalisch geprägt. Männer kungeln untereinander außerhalb von Sitzungen Information, Meinung und Vorentscheidungen aus. Die Spielregeln der Sitzungen sind so geordnet und werden so beherrscht, daß herauskommt, was vorher beschlossen worden und nun abzusegnen ist. Allenfalls gibt es das Spiel des eskalierenden Machtkampfes, selten aber das eines produktiven offenen Arbeitsprozesses, indem größte Wirkung erlangt, was rational und emotional zu Friedensfähigkeit am besten beiträgt. Die Riten der Gewalt und daraus resultierender Ansprüche werden exerziert: wer hat das meiste Geld, den größten Teil etablierter Macht, wer hat das größte etablierte Ansehen einzubringen, wer die meisten Funktionäre mit Platzhirschrolle etc. Es versteht sich, daß Frauen im Patriarchat (selbst wenn es durchlöchert wäre) hier immer weniger zu bieten haben als Männer. Der Umgang mit Technik und Machtinsignien wird von Männern allemal umstandsloser instandgesetzt. Sie sind trainiert auf Machtausübung und hier stets vornean.
- Für die Kommunikationsstrukturen gilt nichts anderes: Selbstdarstellung, Fensterreden, Rechthaben, sich gegenseitig Recht-geben im Recht-haben-wollen; Männer beziehen sich auf Männer, Frauen spielen keine Rolle, weil sie ja auch keinen Wert haben; "entschiedene" Töne haben mehr Bedeutung als Fragen und Anregung zum Nachdenken; unterschiedliche Wertigkeiten existieren, je nachdem wer etwas sagt oder wünscht, Frauen werden einfach weniger beachtet, ernst und wichtig genommen; auch Handlungen haben unterschiedliche Wertigkeit, je nachdem ob Frau oder Mann sie verrichten (man hält z.B. eine "Rede", frau spricht ein "Abschlußwort" auf Kundgebungen); die Beziehungsebene von Kommunikation spielt für Männer anscheinend keine Rolle, wohl weil sie von ihnen beherrscht wird, wenn Frauen hieran etwas beanstanden (z.B. Macht, Stil u.„.), ist es Weiberzickerei oder gehört nicht zum Thema; ein feed-back erhalten Frauen von Männern selten, es sei denn ein negatives, Erfolgserlebnisse im m„nnlichen Spiegel ihrer Umgebung werden vorenthalten, während Männer sich gegenseitig beglückwünschen und Bedeutung verleihen. Zu guter Letzt fragen und klagen Männer noch händeringend, "wo sind denn die Frauen ?!" Aber auf die Idee, die zu unterstützen, die da sind, kommen sie kaum. Im Gegenteil, Frauen, die die männliche Ordnung nicht akzeptieren, sich wehren und Männer vielleicht auch mal an ihren angeblich nicht vorhandenen empfindlichen Stellen treffen, die werden (heutzutage überwiegend heimlich) bekämpft. So ist stets bemerkenswert, wie - wenn man schon nicht an den Frauen vorbeikommt - der männliche Auswahlmechanismus gegenüber Frauen gemäß ihrer patriarchalen Verträglichkeit erfolgt.
- Zu diesen strukturellen und allgemeineren Voraussetzungen kommt nicht selten individuelles - plumperes oder subtileres - Machoverhalten hinzu, welches Frauen oft einschüchtert, abwertet oder mißbraucht.
- Ihre Widerspiegelung finden diese Zusammenhänge ebenfalls auf der inhaltlichen Ebene von Friedensarbeit. So manche alternativ gestrickte Militaristen (Raketenzähler, Waffenfetischisten) finden sich in den Reihen der Friedensbewegung. Interesse besteht oft genug nur an gesellschaftlichen Makrostrukturen und angeblich außerhalb unserer selbst gelegenen allgemeinen Politik, im Zweifel immer der "anderen" (politischen Gegner). Der Zusammenhang zum eigenen Alltagsleben bleibt ausgeblendet, ist vermeintlich unpolitisch und unwichtig - obwohl Friedensbewegung doch Veränderung von unten will. Für das Politikverständnis reicht es dann, "dagegen" zu sein, das Schema der Abschreckung in der Politik zu praktizieren, ein klares Feindbild zu haben und eigene Alternativen wie eigene Veränderung nicht angeben zu wollen. Friedensfähigkeit und -politik verträgt sich aber nicht mit dem Patriarchat, in den eigenen Köpfen nicht und nirgendwo sonst.
4. Selbstredend sind es nicht nur die bösen Männer und die armen Frauen als bloße Opfer. Wir wissen, es gibt ein vielschichtiges Verhältnis von Unterdrückung und eigenem Beteiligt sein oder Mitmachen dabei. Es gibt auch Männer, die ganz oder teilweise Opfer der genannten Strukturen werden, wenn sie in ihnen nicht mithalten können oder wollen. Wie es Frauen gibt, die sie ihrerseits verinnerlicht haben. Das ändert jedoch nichts an den systematischen Strukturen und Hierarchien und verweist uns auf das - bei gleichzeitiger Überwindung eben dieses Herrschaftsverhältnisses - gegenseitige Angewiesensein beim Bau an demokratischen, solidarischen und menschenwürdigen Alternativen.
Im Ergebnis dominiert für Frauen die dienende und schmückende Rolle auch und wieder verstärkt in der Friedensbewegung. Sie leisten praktische und geistige Hintergrund- oder Basisarbeit, während auf dem Tablett überwiegend Männer sitzen und kassieren. Man erinnert sich der Frauen stets in Situationen der Not. Höchstens da weiß man auch von ihren "Fähigkeiten". Gegenüber ihrer Umwelt haben sich Frauen meist hundertmal mehr zu beweisen, sie leisten und verzichten mehr, ohne deshalb aus ihrem diskriminierten Status herauszukommen. So bleibt auch hier eine Alibirolle, die Rolle der Zuarbeit und ein Status der Ungleichheit und Unterdrückung. Frauen stehen vor der Wahl der Anpassung, des sich Taubmachens, des Leidens, des Herausgehens oder des sich zu einem hohen Preis "Durchbeißens". Die Probleme werden individualisiert, während es sich tatsächlich um Politik und Interesse von Männern und Frauen und Gesellschaft handelt.
Die erste wichtige Aufgabe und Forderung ist an die Friedensbewegung in ihrem jetzigen Zustand, an alle an ihr Beteiligten, gerichtet: (Wieder-)Aufnahme der Verwirklichung von "positiver Diskriminierung" und 50%iger "Quotierung" aller Entscheidungsstrukturen und Gremien sowie Schaffung der Voraussetzungen dafür. Die Büro-Besetzung des Netzwerkes, Sitzungsleitungen, Pressearbeiten, Außendarstellungen, Vertretungen von Initiativen oder Organisationen müssen bei nächster Gelegenheit wieder paritätisch oder jeweils zu zweit erfolgen. Bevorzugte Rede- und Vertretungsrechte, besondere materielle, organisatorische oder ideelle Unterstützung, die Weiterentwicklung unserer politischen Lern- und Arbeitskultur sind unverzichtbar. Die zweite Aufgabe richtet sich an die Frauen selbst: unsere eigene Arbeitszusammenhänge sind unverzichtbar. Wir brauchen sie in einer Form, die uns nicht erneut zu doppelter Arbeit zwingt. Wir brauchen eine Bilanzierung unserer Erfahrungen sowie eine Beratung, ob, in welcher Weise wir weiter Friedensbewegung sein und mitgestalten wollen, welche Gemeinsamkeiten es dabei untereinander (noch) gibt oder nicht gibt, wo unsere eigenen Blockaden und Feindbilder möglicherweise liegen, welcher Erneuerung wir selbst bedürfen. Wir brauchen eine Verständigung über konkrete Ziele, die wir ggf. erreichen wollen, ebenso wie über die Orte und Wege ihrer Verwirklichung und unserer BündnispartnerInnen dabei - kurz: wie wir Patriarchat nicht nur analysieren, sondern weiter überwinden. Wir brauchen neue Handlungsperspektiven in die und aus der Gesellschaft heraus, um die Verwirklichung unserer Utopien neu in Angriff zu nehmen. Es jetzt - in einer neuen, anderen Etappe von Friedensarbeit und gesamtdeutscher Lage - zu beginnen, ist eine Chance.