Zur Arbeit im Netzwerk "Friedenskooperative"

Halt ! Stop ! Die Frauen werden längst wieder verdrängt

von Mechtild Jansen

Dies ist ein Aufruf - zum Innehalten, Nachdenken und zur Neubestim­mung von Handlungsperspektiven ! An Frauen, die das Patriarchat überwinden wollen. An Männer, die im Patriarchat nicht mehr mit­spielen und miteinstreichen möchten. Im Netz­werk "Friedenskooperative" sind nicht mehr viele Frauen üb­rig geblieben. Warum ? Die Friedensbewe­gung braucht, um ih­ren Beitrag zur Friedensfähigkeit unserer Ge­sellschaft geben zu können, gleiche Selbstbestimmung, Rechte, Macht und Möglich­keiten der Geschlechter. Davon ist sie weit entfernt.

Noch ist es nicht en vo­gue, Frauen wie­der offen auf "ihre" (zweitrangigen) Plätze zu verweisen. Doch es findet ein Ver­drängungsprozeß gegen Frauen statt, oder anders gesagt, Frauen sind nicht ohne Grund auf dem Rückzug. Jeden­falls sind die Ansprüche der Feministin­nen kein besonderes Thema mehr. We­nige (meist mühsam behauptete) professionelle Ausnahmen bestätigen die Re­gel. Männer beschäfti­gen sich mit der Neugestaltung euro­päischer Ordnung. Frauen sind in ihrer alltäglichen Lebens­behauptung ver­strickt, im Mitmachen beim noch Vor­handenen, es fehlt ihnen der Überschuß für Neuland­begehung und -gestaltung.

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die Arbeits- und Lebenssituation der Frauen ist zerstückelter, komplizierter, zerrisse­ner als zuvor, unzureichend für eigen­ständige Existenzsiche­rung, subtil abhängig geblieben - hinter der Folie von poli­tischer Aufnahme von Frauenanlie­gen, freilich nur soweit sie in be­stehenden Verhältnisse nützlich sind, d.h. aller­meist als Alibi-, Integrations- und Befriedungsan­gelegenheit.

Im Innern ist die Friedensbewegung nicht weniger patriarcha­lisch als die Ge­sellschaft:

  • Auch die Politik der Friedensbewe­gung ist primär Männerge­schäft, u.U. gerade in ihren labilen Strukturen. Wird diese politisch Arbeit hauptamtlich ge­macht, so sind es überwie­gend männli­che Funktionäre, die individuell und als Kaste weit mehr Präsenz, Mittel und Einfluß auf das Gesche­hen ha­ben als "Nebenamtliche". Frauen arbeiten meist ehrenamtlich, mit sehr viel Geringerem oder gar ohne organisatorischem und ma­teriellem Background. Überwiegend sind sie zugleich zum eige­nen materiel­len Lebenserwerb gezwungen, nebst der be­rühmten "Doppelbelastung", die Männer mehrheitlich besten­falls als et­was häus­liche "Zuarbeit" kennen.
  • Die Entscheidungsstrukturen sind pa­triarchalisch geprägt. Männer kungeln untereinander außerhalb von Sitzungen Infor­mation, Meinung und Vorentschei­dungen aus. Die Spielregeln der Sitzun­gen sind so geordnet und werden so be­herrscht, daß herauskommt, was vorher beschlossen worden und nun abzuseg­nen ist. Allenfalls gibt es das Spiel des eskalierenden Machtkampfes, selten aber das eines produktiven offenen Ar­beitsprozesses, indem größte Wirkung erlangt, was ratio­nal und emotional zu Friedensfähigkeit am besten beiträgt. Die Riten der Gewalt und daraus resultierender Ansprüche werden exerziert: wer hat das meiste Geld, den größten Teil eta­blierter Macht, wer hat das größte etablierte Ansehen einzu­bringen, wer die meisten Funktionäre mit Platzhirsch­rolle etc. Es versteht sich, daß Frauen im Patriarchat (selbst wenn es durchlöchert wäre) hier immer weni­ger zu bieten ha­ben als Männer. Der Um­gang mit Technik und Machtin­signien wird von Männern allemal um­standsloser instandgesetzt. Sie sind trai­niert auf Machtausübung und hier stets vornean.
  • Für die Kommunikationsstrukturen gilt nichts anderes: Selbstdarstellung, Fensterreden, Rechthaben, sich gegen­sei­tig Recht-geben im Recht-ha­ben-wollen; Männer beziehen sich auf Männer, Frauen spielen keine Rolle, weil sie ja auch keinen Wert haben; "entschiedene" Töne haben mehr Be­deutung als Fragen und Anregung zum Nachdenken; unterschiedliche Wertig­keiten existieren, je nachdem wer etwas sagt oder wünscht, Frauen werden ein­fach weniger beachtet, ernst und wichtig ge­nommen; auch Handlungen haben unterschiedliche Wertigkeit, je nachdem ob Frau oder Mann sie verrichten (man hält z.B. eine "Rede", frau spricht ein "Abschlußwort" auf Kundgebungen); die Beziehungsebene von Kommunika­tion spielt für Männer an­scheinend keine Rolle, wohl weil sie von ihnen be­herrscht wird, wenn Frauen hieran etwas beanstanden (z.B. Macht, Stil u.„.), ist es Weiberzickerei oder gehört nicht zum Thema; ein feed-back erhal­ten Frauen von Männern selten, es sei denn ein ne­gatives, Erfolgserlebnisse im m„nnli­chen Spiegel ihrer Umgebung wer­den vorenthalten, während Männer sich ge­genseitig be­glückwünschen und Be­deutung verleihen. Zu guter Letzt fra­gen und klagen Männer noch händerin­gend, "wo sind denn die Frauen ?!" Aber auf die Idee, die zu unter­stützen, die da sind, kommen sie kaum. Im Ge­genteil, Frauen, die die männ­liche Ord­nung nicht akzeptieren, sich wehren und Männer vielleicht auch mal an ihren an­geblich nicht vorhan­denen empfindli­chen Stellen treffen, die werden (heut­zutage über­wiegend heimlich) bekämpft. So ist stets bemerkenswert, wie - wenn man schon nicht an den Frauen vorbeikommt - der männliche Aus­wahlmechanismus gegenüber Frauen ge­mäß ihrer patriarchalen Verträglich­keit erfolgt.
  • Zu diesen strukturellen und allgemei­neren Voraussetzungen kommt nicht selten individuelles - plumperes oder subtile­res - Machoverhalten hinzu, wel­ches Frauen oft einschüchtert, abwertet oder mißbraucht.
  • Ihre Widerspiegelung finden diese Zu­sammenhänge ebenfalls auf der inhaltli­chen Ebene von Friedensarbeit. So manche al­ternativ gestrickte Militaristen (Raketenzähler, Waffenfeti­schisten) finden sich in den Rei­hen der Friedensbe­wegung. Interesse besteht oft genug nur an gesellschaftlichen Ma­krostrukturen und an­geblich außerhalb unserer selbst gelege­nen allgemeinen Poli­tik, im Zwei­fel im­mer der "anderen" (politischen Gegner). Der Zusammenhang zum eige­nen Alltags­leben bleibt ausgeblen­det, ist vermeintlich unpolitisch und unwichtig - obwohl Friedensbewegung doch Ver­änderung von un­ten will. Für das Politik­verständnis reicht es dann, "dage­gen" zu sein, das Schema der Ab­schrec­kung in der Poli­tik zu prak­tizieren, ein klares Feindbild zu haben und ei­gene Alternativen wie eigene Veränderung nicht angeben zu wollen. Frie­densfähigkeit und -politik verträgt sich aber nicht mit dem Patriarchat, in den eigenen Köpfen nicht und nir­gendwo sonst.

4. Selbstredend sind es nicht nur die bösen Männer und die ar­men Frauen als bloße Opfer. Wir wissen, es gibt ein viel­schichtiges Verhältnis von Unter­drückung und eigenem Betei­ligt sein oder Mitmachen dabei. Es gibt auch Männer, die ganz oder teilweise Opfer der genannten Strukturen werden, wenn sie in ihnen nicht mithalten können oder wollen. Wie es Frauen gibt, die sie ih­rerseits verinnerlicht haben. Das än­dert jedoch nichts an den systematischen Strukturen und Hierarchien und ver­weist uns auf das - bei gleichzeitiger Überwindung eben dieses Herrschaftsverhältnisses - gegensei­tige Angewie­sensein beim Bau an demokratischen, solida­rischen und menschenwürdigen Alternativen.

Im Ergebnis dominiert für Frauen die dienende und schmücken­de Rolle auch und wieder verstärkt in der Friedensbe­wegung. Sie leisten praktische und gei­stige Hintergrund- oder Basis­arbeit, während auf dem Tablett überwiegend Männer sitzen und kassieren. Man erin­nert sich der Frauen stets in Situa­tionen der Not. Höchstens da weiß man auch von ihren "Fähigkeiten". Gegen­über ih­rer Umwelt haben sich Frauen meist hundertmal mehr zu beweisen, sie lei­sten und verzich­ten mehr, ohne des­halb aus ihrem diskriminierten Status her­auszukommen. So bleibt auch hier eine Alibirolle, die Rolle der Zuarbeit und ein Status der Ungleichheit und Unterdrüc­kung. Frauen stehen vor der Wahl der Anpassung, des sich Taubma­chens, des Leidens, des Her­ausgehens oder des sich zu einem hohen Preis "Durchbeißens". Die Probleme werden indi­vidualisiert, wäh­rend es sich tatsächlich um Politik und In­teresse von Män­nern und Frauen und Gesellschaft handelt.

Die erste wichtige Aufgabe und Forde­rung ist an die Frie­densbewegung in ih­rem jetzigen Zustand, an alle an ihr Be­teiligten, gerichtet: (Wieder-)Aufnahme der Verwirklichung von "positiver Dis­kriminierung" und 50%iger "Quotie­rung" al­ler Entscheidungsstruk­turen und Gremien sowie Schaffung der Voraus­setzungen dafür. Die Büro-Be­setzung des Netzwerkes, Sitzungslei­tungen, Pressearbeiten, Außendarstel­lungen, Vertretungen von Initiativen oder Orga­nisationen müssen bei näch­ster Gele­genheit wieder paritätisch oder jeweils zu zweit erfolgen. Bevorzugte Rede- und Vertretungsrechte, be­sondere mate­rielle, organisatorische oder ideelle Unterstüt­zung, die Weiterentwicklung unserer politischen Lern- und Arbeits­kultur sind unverzichtbar. Die zweite Aufgabe richtet sich an die Frauen selbst: unsere eigene Arbeitszu­sammenhänge sind unverzichtbar. Wir brauchen sie in einer Form, die uns nicht erneut zu doppelter Arbeit zwingt. Wir brauchen eine Bilanzierung unserer Erfahrungen sowie eine Beratung, ob, in welcher Weise wir weiter Frie­densbewegung sein und mitgestalten wollen, welche Gemeinsam­keiten es da­bei untereinander (noch) gibt oder nicht gibt, wo unsere eigenen Blockaden und Feindbilder möglicherweise liegen, wel­cher Erneuerung wir selbst bedürfen. Wir brauchen eine Verständigung über konkrete Ziele, die wir ggf. errei­chen wollen, ebenso wie über die Orte und Wege ihrer Ver­wirklichung und unserer Bündnispart­nerInnen dabei - kurz: wie wir Patriarchat nicht nur analy­sieren, sondern weiter überwinden. Wir brauchen neue Handlungsper­spektiven in die und aus der Gesell­schaft her­aus, um die Verwirk­lichung unse­rer Utopien neu in Angriff zu nehmen. Es jetzt - in einer neuen, anderen Etappe von Frie­densarbeit und ge­samtdeutscher Lage - zu beginnen, ist eine Chance.

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Mechtild Jansen ist freie Autorin und lebt in Köln