HausUnfriedensbruch in Linnich

Am 2. September wurde die Baustelle der geplanten NATO-Kommandozen­trale in Linnich-Glimbach für einen Tag besetzt. Ein Teilnehmer berichtet:

Ursprünglich hieß der Aufruf: "Schaufelt Erde zurück in die Bau­grube!" Nach der Sommerpause mußten wir erkennen, daß der Bau­fortschritt dies nicht mehr zuließ: die Bauleute der Abschreckung waren uns weit voraus... So ergänzten wir unser Aktionsmotto um den Zusatz "Nehmt den Militaristen Erde Weg!" und schrieben potentielle HausUnfrieden­brecherInnen an. Am Antikriegstag trafen sich etwa 70 InteressentInnen. Sie kamen u. a. aus Berlin, Bielefeld, Nürnberg, Reinbek und aus Köln. Am nächsten Morgen von 5.30 Uhr an drangen dann mehr als 25 Frauen und Männer in verschiedenen Gruppen in das Baugelände ein.

Drei Männer besetzten eine der 30 Meter hohen Baukräne und entrollten zwei Transparente "Nie wieder Krieg" und "Rüstung tötet jetzt". Zwei Beset­zer blieben dort bis Samstag-, der letzte bis Sonntagnacht. Ihn holte ein Sondereinsatzkommando der Polizei herab. Zwei Gruppen erreichten den oberen Bereich der Baugrube, zwei Teilnehmer gar den Rohbau des Bun­kers. Einer brachte sechs Jutetaschen und einen Eimer voll Erde vor den Militaristen "in Sicherheit". Wir füllten sie in Zellglasbeutel und bieten sie an Infoständen an, z.B. vor dem Sitz be­teiligter Baufirmen, vor mitverant­wortlichen Verwaltungs- und Justizbe­hörden. Eine solide Tüte habe ich zum "Gorlebener Gebet" am 24. September vor dem dortigen "Bergwerk" mitge­nommen.

Eine weitere Gruppe stieg der Baulei­tung auf`s Dach und zeigte dort ein Transparent "Die Ursache des dritten Weltkrieges ist seine Vorbereitung!". Eine andere Gruppe hielt sich meh­rere Stunden auf dem Förderband auf, das die Helfershelfer der Abschrecker benutzen, um einen Teil der ausgeho­benen Erde in die Baugrube zurückzu­schaffen.

Zeitweise waren bis zu 50 Polizisten eingesetzt, unter ihnen ein Sonderein­satzkommando aus Köln. Einige sym­pathisierten mit uns, ein Polizist war Anteilseigner der Gesellschaft "Frie­densacker". Die meisten taten wie die privaten, Hunde mitführenden Wach­männer "nur ihre Pflicht"; härteres Vorgehen blieb die Ausnahme.

Über 25 HausUnfriedensbrecherIn­nen, deren Personalien festgestellt wurden, rechnen mit einer Anzeige. Um zwei Teilnehmer, die sich am Innenzaun angekettet hatten, aus dem Gelände hinauszuschaffen, mußte die Polizei Bolzenschneider holen.

Vor den Toren der Baustelle zeigten wir eine Reihe Hiroshima-Plakate. In einer von Ria Makein und mir ent­worfenen und von acht HausUnfriedensbrecherInnen mitunterschriebe­nen "Linnicher Erklärung", mit der sich über 30 BürgerInnen aus vielen Teilen der Bundesrepublik solidari­siert haben, u.a. Gert Bastian, Petra Kelly, der Hamburger Amtsrichter Ulf Panzer für die "Richter und Staatsan­wälte für den Frieden", Christiane Ra­jewsky, Luise Schrottroff und Wolf­gang Sternstein, haben wir erklärt, für uns bedeute diese neue Abschrec­kungszentrale, dieser weitere Baustein der "flexible response", eine mit unse­rem Grundgesetz, seiner Verpflich­tung aller staatlichen Gewalt, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen, seinem Friedensangebot und selbst seinem Verteidigungsauf­trag unvereinbare Bereitschaft zum Massenmord. So werde ich, falls das Ermittlungsverfahren nicht erneut ein­gestellt wird, weil kein öffentliches In­teresse an der Strafverfolgung bestehe, auch vor Gericht argumentieren, bis zum Bundesverfassungsgericht.

Diese "Linnicher Erklärung" wurde mit zwei weiteren persönlichen Erklärun­gen als "Linnicher Flaschenpost" in die Baustelle geworfen, eine weitere "für die Nachwelt" dort vergraben. Die durchsichtigen Kunststoffflaschen mit dem Aufkleber "Ohne Rüstung leben" hatten wir mit Erde angereichert: aus unserem Karfreitags-HausUnfrie­densbruch und aus einer der Justiz­vollzugsanstalten, in denen zur "Tat­zeit" vier Frauen und Männer Ersatz­freiheitsstrafen wegen ihres Mutlan­gen- und Hasselbachengagements "verbüßten".

Das Medienecho beschränkte sich auf einen Kurzbericht in der Aktuellen Stunde des Westdeutschen Fernsehens und mehrere Artikel in der Jülicher und Aachener Presse.

Ich bin dankbar für das Gelingen unse­rer Aktion, die viel Spontanität auf­wies. Für unseren nächsten HausUn­friedensbruch wünsche ich mir weniger Urlaub und intensivere Vorbereitung, mehr Klarheit, mehr Ruhe, mehr Durchhaltevermögen, mehr Entschie­denheit.

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