Darfur

Krieg im Norden des Sudan

von Michaela Leiss

Der Darfur Konflikt, der im Jahr 2003 eskalierte, kostete bisher 150.000 Menschen das Leben und entwurzelte 2 Millionen Menschen. Es handelt sich nicht, wie von vielen angenommen, um einen Konflikt zwischen arabischen und afrikanischen Stämmen, und er begann auch nicht erst im Jahr 2003. Zusammenstöße zwischen einzelnen Stämmen sind kein neues Phänomen, schon immer gab es Konflikte zwischen meist arabischen Nomaden und sesshaften afrikanisch-stämmigen Ackerbauern.

Einzelne Stämme Darfurs wurden ab den 60er Jahren systematisch als Proxys benutzt und von den unterschiedlichsten Seiten bewaffnet. Die bewaffneten Milizen bekämpften allerdings nicht nur die von ihren Auftraggebern auserkorenen Feinde, sondern trugen auch ihre Stammeskonflikte auf darfurischem Boden aus.

Eine Dürreperiode in den 80er Jahren verschärfte die Konflikte um Weideland und Wasser: Nomaden drangen immer weiter in die fruchtbaren Gebiete der Ackerbauern vor, trieben ihre Tiere auf deren Weiden und besetzten deren Brunnen. Das uralte soziale System, in dem Ackerbauern die Nomaden während des Hochpunktes der Trockenzeit auf ihren Ländern und an ihren Wasserstellen duldeten, versagte. Die Ackerbauern stoppten den Zugang zu ihren Ländern. Die Regierung tat nichts, und als Resultat bewaffneten sich sowohl die Nomaden als auch die Ackerbauern zum eigenen Schutz. In den letzten 30 Jahren verkleinerte sich der Lebensraum der Nomaden durch ständige Dürre und die Ausbreitung der Wüste dramatisch.  Darfur besteht aus drei Klimazonen: Die Wüste im Norden ist Heimat der Kamelnomaden (Abbala), die Halb-Wüste im Süden wird von den Rinderhirten (Baggara) bevölkert, und die meisten Ackerbauern sind in dem fruchtbarem Zentraldarfur ansässig.

Der Krieg in Darfur
Der gegenwärtige Konflikt brach im März 2003 mit einem Angriff der Rebellenbewegung Sudan Liberation Army (SLA) auf die Stadt Gulu [Gulu in Darfur, nicht Gulu in Südsudan, d.Red.] aus. Die Rebellen töteten Polizisten und Militärs und nahmen im Laufe der Jahre 2003 und 2004 weitere Städte und Regionen ein. Mitte 2003 entstand eine weitere Rebellenbewegung, das Justice and Liberation Movement (JEM). Die Rebellen forderten ein Ende der Marginalisierung der Region, politische Beteiligung, wirtschaftliche Entwicklung und ein Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen der von der Regierung bewaffneten und unterstützten Stammesmilizen, die sich mit Nomaden gegen sesshafte Farmer im Kampf um knappe Ressourcen und Land verbündeten. Regierungstruppen bombardieren aus der Luft Dörfer, gefolgt von Angriffen der Reitermilizen, den sogenannten Janjaweed, auf Kamelen oder Pferden, die die Farmer von ihrem Land vertreiben, brandschatzen, zerstören, stehlen, vergewaltigen und töten. Viele Zivilisten werden zum Ziel dieser Angriffe, eine Taktik der Regierung im Kampf gegen die Rebellen-Guerilla, die sich unter die Zivilisten mischt und hier teils Unterstützung und Rückzug findet. Der gegenwärtige Konflikt wird entlang zweier Achsen ausgetragen: in der Nord-Süd Achse zwischen arabischen und afrikanischen Stämmen und in der Süd-Süd Achse unter arabischen Stämmen.

Die Regierung hat längst die Kontrolle über die Milizen verloren und es kam und kommt zu systematischen Vertreibungen. Diese Art von Vertreibungen übersteigt alle vorherigen Auseinandersetzungen zwischen den arabisierten Nomaden und sesshaften Ackerbauern Darfurs. Sie führten auch im März 2009 zu einer Anklage und einem Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar Al Bashir vor dem Internationalen Strafgerichtshofs für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und für Genozid im Juli 2010.

Präsenz von UN und Afrikanischer Union
Seit Dezember 2007 befindet sich eine UN-AU (United Nations-African Union) Friedensmission im Land, die die 2004 eingesetzte und nahezu handlungsunfähige AU Mission ersetzt. Sie hat das Mandat für eine Truppenstärke von 26.000 Personen und ist damit die derzeit weltgrößte Friedensmission. Bis zum heutigen Tage sind allerdings nur ca. 88% der vollständigen Truppenstärke erreicht. Der Mission wird vorgeworfen, nicht in der Lage zu sein, ihr Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung erfolgreich durchzuführen.

Die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union leiteten eine Reihe von Friedensverhandlungen mit dem Ziel, eine politische Lösung für den Konflikt zu finden. Die erste fand in N’Djamena unter der Mediation  des Tschads in 2004 statt. Es folgten Verhandlungen 2005-2006 in Abuja (Nigeria), Addis Abeba, 2007 in Libyen und seit 2009 in Doha (Qatar).

Ausblick
Eine baldige Lösung des Konfliktes ist unwahrscheinlich. Die derzeitigen Friedensverhandlungen in Doha sind vom Scheitern bedroht, da die beiden mächtigsten Rebellengruppen nicht an ihnen beteiligt sind, und sie von der Regierung nicht ernst genommen werden. Die Regierung bevorzugt noch immer eine militärische Lösung, will die Lösung des Konfliktes „domestizieren“ und versucht mit allen Mitteln, Frieden in einem top-down Ansatz zu erzwingen, die Flüchtlinge ohne Garantie von Sicherheit zurück in ihre Dörfer zu treiben und die Präsenz internationaler Organisationen auf ihrem Grund zu beenden. Derweil gehen die Kämpfe in Darfur ungehindert weiter, Stämme bekriegen sich untereinander, die Regierung bombardiert weiterhin Rebellenpositionen und Dörfer, die Reitermilizen treiben noch immer ihr Unheil und verbreiten Angst und Schrecken. Eine nachhaltige Lösung des Konfliktes kann nur erreicht werden, wenn alle Beteiligten involviert und auf allen Ebenen traditionelle Konfliktlösungsmethoden weiterentwickelt, an die neuen Gegebenheiten angepasst und wiedereingesetzt werden, um auch die Sub-Konflikte friedlich beizulegen und die Menschen auch auf der lokalen Ebene wieder zu versöhnen.

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Schwerpunkt
Michaela Leiss arbeitet für das Human Rights and Advocacy Network for Democracy, ein Netzwerk sudanesischer Nicht-Regierungsorganisationen, das sich für eine friedliche Lösung des Darfur-Konfliktes engagiert. Sie ist Herausgeberin des Online-Darfur-Nachrichten-Magazins Darfur Monitor. Sie hat Staatswissenschaften mit Schwerpunkt Politik- und Rechtswissenschaften an der Universität Erfurt studiert und macht derzeit ihren Master in Conflict Resolution an der Bradford University in Nordengland.