Kurzbericht zum Irak-Kongress am 2. und 3.11.02 in Berlin

von Thomas Krahe
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Im Folgenden fasse ich Informationen zusammen, die für die Irak-Mission des Internationalen Versöhnungsbundes, deutscher Zweig, vom 27.11.-4.12.02 relevant sind. Wir konzentrieren uns bei unseren Gesprächen und Beobachtungen auf die Hintergründe und Folgen des 12-jährigen Embargos und was ein neuerlicher Krieg für die Menschen im Irak bedeuten würde.

Dr. med. Ullrich Gottstein von der IPPNW war direkt nach dem Krieg gegen den Irak 1991 dort. Er berichtete, dass fast sämtliche Fabriken für Trockenmilch, Pharma und medizinisches Material, Wasser-Klärwerke und Wasserversorgung Elektrizitätswerke, Telefonämter, Brücken, sogar Schulen und Krankenhäuser zerstört wurden. Allein im ersten Jahr nach dem Krieg sind 167 000 Kinder an dessen Folgen gestorben. Die Zerstörung der gesamten Infrastruktur des Landes erfolgte gezielt und wurde ausführlich von einer UN-Delegation dokumentiert, so Bernhard Gräfrath, ehemals in der UN-Menschenrechtskommission und UN-Völkerrechtskommission.

Hans von Sponeck, aus Protest gegen die Sanktionen zurückgetretener Koordinator des UN-Hilfsprogramms im Irak, berichtet, dass das Embargo ein menschenwürdiges Leben unmöglich macht. Lebensmittel, Medikamente, Wasserversorgung und -aufbereitung, Elektrizität, technische Apparate für Landwirtschaft und Aufbau der Wirtschaft, sowie Bildungsmöglichkeiten fehlen in existentiellem Ausmaß durch das 13-jährige Embargo. Allein durch das nicht-gesäuberte Wasser erkranken die Menschen an vielen Krankheiten, die im Irak schon längst als ausgerottet galten. 1,5 Millionen Menschen, vor allem Kinder, so UNICEF, sind an den Folgen des Embargos gestorben. Das "Food for Oil"-Programm sollte 1996 eine Versorgung von 113 Euro/Person/Jahr ermöglichen. Doch Korruption und Verschleppung durch die zuständige Kommission sowie der Abzug von 30% für Reparaturzahlungen an Wirtschaftsfirmen halten die Menschen im Irak gerade so am Leben, dass sie nicht verhungern. 55% leben unter der Armutsgrenze. Der Irak gehört zu den fünf ärmsten Ländern der Welt trotz enormen Reichtums an Ressourcen. Die Kindersterblichkeit stieg von 56 pro 1000 im Jahre 1991 auf 131 pro 1000 heute. Die teilweise Aufhebung der Sanktionen durch die UN werden von den USA blockiert. Ein Bericht des Komitees aller Parteien im Unterhaus von England stellte im Januar 2000 fest, dass sie "hoffen, dass es nie wieder ein Land geben wird, das mit solchen umfassenden Sanktionen belegt wird". Die Ausmaße sind der englischen Regierung also längst offiziell bekannt. Bei der Debatte zum Irak im deutschen Bundestag am 25.1.02 seien alle Parteien außer der PDS falsch informiert gewesen.

Die Menschen im Irak haben längst resigniert. Sie sagen, was sollen wir tun gegen die Bomben? Wir können uns nicht verteidigen.

Frau Dr. Hobiger von der Gesellschaft für österreichisch-arabische Beziehungen berichtet wie humanitäre Hilfe aus dem Ausland von den USA gezielt behindert wird. 1991 wurden 300 t Uran-Munition abgeschossen. Seitdem hat der Irak die höchste Krebsrate bei Kindern auf der Welt, vor allem Leukämie. Die Heilungsrate in Deutschland beträgt 90%, in Basra ist sie ein Todesurteil, denn die Medikamente kosten ca. 500 Euro und kommen nicht ins Land hinein. Der Versuch, medizinische Apparate zur Behandlung der Leukämie in den Irak einzuführen, wurde von der WHO verhindert. Die zuständige Kommission für die Anträge lehnte ab, weil ein Mitglied (USA) dagegen stimmte. Die Apparate könnten militärischen Charakter haben. Selbst ein Gutachten der UN-Waffeninspektoren über die Harmlosigkeit der Apparate half nichts. Im Ablehnungsbescheid stand, "es gehe um das Regime und nicht um Leukämiekranke". Diese Verhinderung humanitärer Hilfe erfolgt systematisch.

Gefragt, ob denn nicht Saddam Hussein für die Lage im Land verantwortlich sei, zitierte sie den Erzbischof von Basra aus seiner Botschaft an die Welt, der ihr sagt, die "einzige Ursache für das Elend im Land sind die unerträglichen Embargos".

Die Berufung der USA auf die UN-Resolutionen bedeuten die Versklavung des Irak, so Bernhard Gräfrath. Viele Verantwortliche sind deswegen zurückgetreten. Denn die Resolutionen beinhalten das Zwangsmittel der Embargos zur Lösung des Konfliktes zwischen Irak und Kuwait. Und der ist lange gelöst. Die USA verhindern allein durch ihr Veto im Sicherheitsrat die Aufhebung der Embargos. Im Völkerrecht ist ausdrücklich festgelegt, dass Embargos keine grundsätzlichen Menschenrechte wie das Recht auf Leben verletzen dürfen. Allein deshalb sind die Sanktionen illegal. Eine UN-Studie bestätigt die Illegalität der Embargos.

Die Resolutionen beinhalten aber auch, im gesamten Nahen Osten Alternativen zu Massenvernichtungswaffen zu schaffen. Die Forderung, alleine im Irak abzurüsten, ist einseitig. Auch in Israel sind Massenvernichtungswaffen erfasst, werden aber vollkommen unterschlagen. Weiter haben die USA allgemeine Kontrollsysteme für chemische und biologische Waffen erfolgreich verhindert, denn dann müssten die selben Standards auch für die USA gelten. Empirische Untersuchungen, so Hans von Sponeck, ergeben, dass die USA alle internationalen Vereinbarungen und gültigen Standards gebrochen haben.

Scott Ritter, ehemaliger UN-Waffeninspekteur, betonte, dass er selber als US-Marine Patriot sei und sogar für George Bush gestimmt hatte. Es sei für ihn aber nicht hinnehmbar, dass die USA Fakten verfälschen, nur um einen Krieg zu beginnen. Er nahm an 42 Waffeninspektionen teil, 15 davon standen unter seiner Leitung. Mindestens 90% aller Waffen sind zerstört, Anlagen für Massenvernichtungswaffen unbrauchbar gemacht. Der Irak kann nur dann die Produktion wieder aufnehmen, wenn sie das Material aus dem Ausland bekämen, was durch das strenge Embargo nicht möglich ist. Selbst geringe Massen von Waffen wurden bisher entdeckt. Außerdem hat der Irak überhaupt kein Geld dafür zur Verfügung. Die von der US-Regierung vorgelegten Beweise sind durch unabhängige Institute längst widerlegt.

Dagegen ist es erwiesen, dass der Eklat, der zur Abberufung der Inspekteure geführt hat, durch die USA herbeigeführt worden ist. Denn amerikanische Inspekteure hatten ihr Mandat weit überschritten, indem sie Informationen dazu genutzt hatten, um das Regime zu destabilisieren, also Spionage betrieben.

Die jetzige Forderung der USA, eine absolute Garantie für die Vernichtung aller Materialien für Massenvernichtungswaffen an den Irak zu stellen, wird unmittelbar zu einem Krieg führen. Denn niemand kann eine absolute Garantie geben. Dagegen kann aber unter Garantie gesagt werden, dass der Irak nicht in der Lage ist, sie zu produzieren oder einzusetzen. Diese Garantie wird aber gar nicht als relevant für eine Resolution in Erwägung gezogen. Die USA suchen nur nach einem Grund, um losschlagen zu können.

"Wenn wir nicht schnell was tun, dann wird der Irak abgeschlachtet", so Scott Ritter.

Seit 1991 ist ununterbrochen Krieg im Irak, so Hans von Sponeck. Alle 3 Tage wird der Irak bombardiert. Immer wieder wird die völkerrechtswidrige Flugverbotszone als Anlass genommen, um die Menschen zu bombardieren, die die Zone angeblich schützen soll. "Als ich begann über ein Jahr hinweg zu dokumentieren, wie viele zivile Opfer umgekommen und zivile Ziele bei den Bombardierungen zerstört wurden, protestierte die amerikanische Regierung dagegen, da ich mein Mandat damit überschreite. Mir wurde es verboten. ... Doch auch der UN-Sicherheitsrat ist an das Völkerrecht gebunden."

Einig waren sich alle darin, dass die USA die UNO nur für ihre Interessen nutzen und aushebeln, dass sie eigene wirtschaftliche und geostrategische Interessen (Öl und Vorherrschaft) verfolgt, andere Gründe nur vorgeschoben werden und die Gefahr der Destabilisierung der gesamten Region und von Folgekriegen unkalkulierbar ist.

Es ist eine schwierige Aufgabe, diese Fülle von wichtigen Informationen auszusieben. Wer mehr dazu wissen oder die einzelnen Referate lesen möchte, der kann das unter: http://www.irak-kongress-2002.de

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Thomas Krahe ist aktiv in der Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen und Teilnehmer der Bagdad-Mission des VB.