Menschenrechte sind keine Munition

Am 15. Januar 1991 lief das Ultimatum ab, das der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen der Regierung Iraks gesetzt hatte, um sich aus dem völkerrechtswidrig besetzten Kuwait zurückzuziehen. amnesty interna­tional legte aus diesem Anlaß am 7. 1 .91 eine Dokumentation vor, die belegt, daß sich kein Staat, der in den Golfkonflikt verwickelt ist, zur Rechtfertigung von Kriegsvorbereitungen auf die Menschenrechte beru­fen darf. Nicht nur im irakisch besetzten Kuwait, in der gesamten Re­gion gehören Menschenrechtsverstöße zum Alltag, ohne daß dies in den vergangenen Jahren Anlaß zu einer Neuorientierung der Politik ge­wesen wäre.

 

Die Dokumentation wird wie folgt ein­geleitet:
Jeder, der im Nahen Osten Anteil an Kriegsdrohungen hat, und jeder, der möglicherweise bald an einem wirkli­chen Krieg beteiligt ist, muß wissen, daß er Menschenrechte nicht als Recht­fertigung benutzen darf. Wer etwas für die Menschenrechte in Nahost tun will, muß dies jederzeit und überall tun. Nach der Befreiung der Menschenrecht aus der Umklammerung des Ost-West-Kon­fliktes sieht die deutsche Sektion von amnesty international nun die Gefahr eines neuen Mißbrauchs: Menschen­rechte dürfen nicht für Feindbilder in der sich verschärfenden Nord-Süd-Kon­troverse funktionalisiert werden.

Menschenrechte sind keine Munition in Konflikten und Kriegen, ihre Einhaltung und ihr Schutz sind vielmehr der Weg zur Überwindung von Konflikten.

amnesty international nimmt zum Pro und Contra von Sanktionen keine Stel­lung, beklagt aber, daß mehrere Staaten den Einsatz für die Menschenrechte im Falle Iraks offenbar jeweils unter­schiedlichen wirtschaftlichen, politi­schen oder strategischen Zwecken unterord­neten. Regierungen, die in der Vergan­genheit Sanktionen gegen menschen­rechtsverletzende und völkerrechtswid­rig handelnde Regimes abgelehnt haben, stimmen diesen nun zu. Dies stellt kein konsequentes Menschenrechtsengage­ment dar.

Die völkerrechtswidrige Annexion Ku­waits durch den Irak verleiht zu einer einseitigen Sicht der Menschenrechts­lage in der Region, die zwar die schwe­ren Vergehen Iraks anprangert, aber vor den Menschenrechtsverstößen anderer Staaten die Augen verschließt. Die fol­gende Dokumentation von Menschen­rechtsverletzungen in der Golfregion ist als Aufforderung zu verstehen, nicht die Augen vor den Vergehen der eigenen Verbündeten zu verschließen, sondern die Menschenrechtsverletzungen jeder­zeit dort wahrzunehmen und zu be­kämpfen, wo sie auftreten.

Opfer der Unterdrückungsmethoden, die Irak gegenüber Kuwait jetzt zu Recht vorgeworfen werden, sind seit langem die Menschen in Irak. Jedem, der oppo­sitionell tätig ist, sich regimekritisch äußert oder der kurdischen Minderheit an­gehört, droht Verfolgung. Wer jetzt auf Menschenrechtsverletzungen des Irak verweist, muß sich fragen lassen, was er vor der Annexion des Emirates getan hat, um die Menschenrechte in Irak zu schützen.

 

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