Militärseelsorge in Deutschland - West

von Hermann Schaefer

Die Militärselsorge ist umstritten - allerdings weniger der Sache als der Form nach. Daß es Seelsorge an Soldaten geben muß, ist Konsens in den evangelischen Kirchen. Von Anfang an aber ist der Militärseel­sorge-Vertrag, in dessen Rahmen seit 33 Jahren Seelsorge an Soldaten betrieben wird, in der Kritik gewesen.

 

Die Anfragen an diese vertragliche Re­gelung zwischen der Ev. Kirche und der Bundesregierung werden zunehmend auch von Synoden und Kirchenleitungen ernst genommen: einmal im Zusam­menhang mit Einsichten, die in der De­batte um ein verantwortliches Friedens­zeugnis der Kirche gewonnen wurden - zum anderen im Zusammenhang mit der Vereinigung der Ev. Kirchen aus dem Kirchenbund, deren Erfahrungen in der ehemaligen DDR die westlichen Kir­chen zur Überprüfung ihrer Praxis her­ausfordern.

 

Nachdem verschiedene Versuche, die Seelsorge an Soldaten innerhalb des be­stehenden Vertrages zu reformieren, ge­scheitert waren, hatten sich 1989 und 1990 Vertreter aus kirchlichen Aus­schlüssen und Initiativen in einem inten­siven Diskussionsprozeß auf ein Kon­zept zur Revision des Militärseelsorge-Vertrages verständigt:

1. Die Militärgeistlichen werden nicht mehr in das Bundesbeamtenverhältnis berufen, sondern bleiben Pfarrer in ei­nem Sonderdienst

2. Das Evangelische Kirchenamt fr die Bundeswehr wird aus dem Bundesmini­sterium fr Verteidigung ausgegliedert und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland unmittelbar nachgeord­net.

3. Der lebenskundliche Unterricht wird nicht mehr nach den Vorschriften des Bundesministeriums fr Verteidigung, sondern nach kirchlichen Grundsätzen erteilt, die mit dem Bundesministerium fr Verteidigung zu vereinbaren sind.

Diese drei Forderungen sind in den letzten Monaten auch "kirchen-offiziell" aufgegriffen worden - zuerst im Oktober von der Gesamtsynode der Ev.-ref. Kir­che, danach auch von Synoden großer Landeskirchen (wie der von Hes­sen/Nassau).

Die Konferenz der Kirchenleitungen der östlichen  Landeskirchen hat - auch nach einem Hearing mit Militärbischof Binder und mir am 9.11.1990 - ihre Po­sition bekräftigt, Seelsorge an Soldaten im Rahmen "normaler" Gemeindearbeit ohne jede vertragliche Vereinbarung lei­sten zu wollen. Auf Dauer kann es in ei­ner vereinten Ev. Kirche in Deutschland wohl kaum zwei ganz unterschiedliche Regelungen geben. Darum hatte der zu­ständige Ausschuß der EKD-Synode gefordert, "unverzüglich eine Kommis­sion einzusetzen, die ... die Gestaltung der Seelsorge an Soldaten und den Mi­litärseelsorge-Vertrag überprüft mit dem Ziel, eine gemeinsame Regelung zu er­arbeiten." Dieser einstimmige Beschluß wurde auf Intervention des Rates der EKD nicht von der Synode abgestimmt, danach aber von Landeskirchen der Sa­che nach aufgenommen - z.B. von der neuen "Gemeinsamen Synode der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg" (7. - 9.12.1990):

"Die Seelsorge an Zivildienstleistenden und Wehrpflichtigen ist eine Aufgabe der Kirche, die sie in eigener Verant­wortung zu erfüllen hat.

Die Kirchenleitungen werden beauf­tragt, bei der EKD darauf hinzuwirken, daß im Rahmen der Zusammenführung aller Landeskirchen zu einer neuen EKD eine neue Regelung fr das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zustande kommt, die dieser Verantwor­tung der Kirche Rechnung trägt".

Meine Hoffnung ist: daß wir in der Ev. Kirche im Sinne dieses Beschlusses zu einer gemeinsamen - deutlicher kirch­lich verantworteten - Seelsorge an Sol­daten kommen. Bei dem schon jetzt vernehmbaren Pochen einiger Offiziere der Bundeswehr auf das Recht auf "ungestörte Religionsausübung" fr ihre  Untergebenen auch in den Kasernen, wird sich die Position der Konferenz der Kirchenleitung nicht durchhalten las­sen.

Bislang bringt die Militärseelsorge - je­denfalls das Kirchenamt für die Bun­deswehr - noch kein Verständnis auf fr den Reformprozeß und spricht immer noch von einer "absonderlichen Diskus­sion um den Militärseelsorgevertrag" (so der Herausgeber der J.S. Nr.1/91). Sie wird kaum darum herumkommen, sich auch fr ihren Bereich die Frage zu stellen: Welche Botschaft predigt die faktische Gestalt der Kirche?

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Hermann Schaefer ist Pfarrer der Ev.-ref. Kirche und war viele Jahre Vorsitzender des Friedensausschusses und Beauftragter für KDV - ZDL - Militärseelsorge. Er ist Mitglied der Synode der EKD und der Gemeinsamen Kommission EKD-Kirchenbund. Seit Sept. 1990 ist er Generalsekretär des Reformierten Bundes.