VVN zu Corona-Protesten

Nein zu geschichtsrevisionistischen Faschismus-Vergleichen

von Ulrich Schneider
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Unter den Veranstalter:innen der Corona-Protestaktionen kommt es zunehmend in Mode, Faschismus relativierende Vergleiche in ihren Bühnenauftritten und Darstellungen einzubauen. Waren es zuerst „Judensterne“, die mit Losungen gegen eine angebliche Zwangsimpfung versehen auf Kundgebungen gezeigt wurden, oder Plakate gegen die „Merkel-Diktatur“, gab es in den letzten Tagen weitere gezielte Provokationen. In Stuttgart schoben Eltern eine Elfjährige auf die Bühne, die unter dem Beifall der Zuhörer:innen erzählen durfte, sie habe sich wie Anne Frank gefühlt, weil sie ihren Geburtstag nur heimlich mit Freundinnen feiern konnte.

Vergangene Woche [November 2020, Anm. d. Red.] skandierten Demonstrant*innen in Berlin bei der Beratung des Bundestages über das Infektionsschutzgesetz, man müsse „Widerstand gegen ein neues Ermächtigungsgesetz“ leisten. In Hamburg hatten die „Querdenker 40“ geplant, ihren „Schweigemarsch“ am 22.11.2020 zum Ida-Ehre-Platz zu führen, der an die als Jüdin im NS verfolgte Schauspielerin erinnert. Eine Blockade von Gegendemonstrant*innen wurde unter Androhung eines Wasserwerfer-Einsatzes mit Schlagstöcken und Pfefferspray von der Hamburger Polizei von der Route vertrieben, konnte allerdings verhindern, dass die Kundgebung auf dem Ida-Ehre-Platz stattfinden konnte.

Am Wochenende toppte eine 22-jährige „Jana aus Kassel“ dieses schäbige Verhalten, indem sie sich auf der Kundgebung von Corona-Kritiker:innen in Hannover mit Sophie Scholl verglich, da auch sie nicht aufhören wolle, für die Freiheit zu kämpfen. Dass ihr Auftritt gründlich misslang, war einem Ordner zu verdanken, dem bei diesen Thesen der Kragen platzte und der ihr während ihrer Ansprache offensiv entgegentrat.

Wenn Nazis und Verschwörungsideologen den öffentlichen Raum beanspruchen: sag NEIN. Wenn Überlebende der Shoah für antisemitische Verschwörungsmythen in Anspruch genommen werden sollen: sag NEIN!
Solche Faschismus-Vergleiche sind bei den Organisator*innen der Corona-Proteste keine „Ausrutscher“, sondern bewusste Grenzüberschreitungen. Man versucht erstens die in der Mehrheit der Bevölkerung vorhandene Grundeinstellung über die faschistischen Verbrechen für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Gleichzeitig wird damit eine Verharmlosung der tatsächlichen NS-Herrschaft betrieben, indem aktuelle administrative Maßnahmen zur Bekämpfung einer medizinischen Pandemie mit dem systematischen Staatsterror des NS-Regimes gegen politisch Andersdenkende, gegen religiöse und rassistisch Verfolgte gleichgesetzt werden.

In der Konsequenz folgt daraus: das Naziregime mit seinen Massenverbrechen kann gar nicht so schlimm gewesen sein. Bei solchem Geschichtsrevisionismus wird auch verständlich, warum sich „Reichsbürger“ und Neonazis bei diesen Veranstaltungen durchaus zuhause fühlen. Hier treffen sich verwandte Überzeugungen – nicht nur in der Kritik der Entscheidungen der Bundes- und Landesregierungen.

Deshalb ist es richtig und wichtig, wenn Demokrat*innen sich solchen Corona-Protesten aktiv widersetzen. Die Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand, das Gedenken an die millionenfachen Opfer der faschistischen Vernichtungspolitik und der militärischen Expansion verpflichten uns, gegen jede Form von alltäglichem Geschichtsrevisionismus aufzutreten.

Der Text ist eine Erklärung der Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten vom 23. November 2020.

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Ulrich Schneider ist Bundessprecher der VVN-BdA.