6x jährlich erscheint unsere Zeitschrift "FriedensForum" und informiert über Neuigkeiten aus der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeheft zu!
Proteste von Ländern, Gewerkschaften und Organisationen ignoriert
Neue Notstands-Befugnisse und Kriegsdienstpflichten im Hauruckverfahren?
vonAm 21. Juni 1989 beriet der Bundestag in erster Lesung den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzesentwurf mit dem verharmlosenden Titel "Katastrophenschutz-Ergänzungsgesetz". Tatsächlich handelt es sich um eine neuen Anlauf bei dem nun fast zehnjährigen Bemühen, folgende zusätzliche Notstands-Befugnisse zu installieren:
- eine allgemeine Hilfsdienstpflicht für Männer und Frauen (nicht erst) im Krieg;
- eine Meldepflicht für (auch ehemals) im Gesundheitswesen Beschäftigte sowie organisatorische Vorbereitungspflichten von Gesundheitseinrichtungen für den Krieg;
- für Kriegszwecke sollen BeamtInnen kaserniert werden, länger dienen und ggf. aus dem Ruhestand zurückgerufen werden können (was nach Auffassung des DGB die Tarifautonomie und Arbeitskampfgarantie "faktisch außer Kraft" setzen würde).
Mit Elan der Verabschiedung entgegen?
Während die entsprechenden Vorgänger-Entwürfe in den vergangenen Jahren aufgrund massiver Proteste insbesondere von Gewerkschaften, MedizinerInnen und der Friedensbewegung durchweg nicht über die Ministerialebene hinaus gelangten, treibt die Regierungskoalition die aktuelle Vorlage nunmehr erstmals mit viel Elan der parlamentarischen Verabschiedung entgegen. Dies, obwohl der Widerstand dagegen sich zum Teil eher noch verbreitert hat:
- die oben genannten zentralen Regelungen der aktuellen Vorlage werden nunmehr von allen Bundesländern einhellig abgelehnt! (Erst als die Bundesregierung bei einem x-ten Befriedigungsversuch im Herbst letzten Jahres diese Punkte wg. zentraler Gesamtverteidigungs-Erfordernissen für politisch nicht mehr verhandelbar erklärte, beschränkten sich zumindest die CDU-Länder im formalen Bundesrats-Votum auf zahlreiche Detail-Einwände außerhalb dessen.)
- Der ÖTV- Bundesvorstand hat bereits, der DGB-Bundesvorstand wird in diesen Tagen die früheren grundsätzlich ablehnenden Stellungsnahmen aktualisieren und bekräftigen; der Deutsche Beamtenbund lehnt zumindest die Meldepflicht ab.
- Die Landesärztekammer Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hamburg und der Vorstand der Landesärztekammer Berlin haben sich kürzlich prinzipiell gegen das Vorhaben ausgesprochen; die Ärztevereinigung IPPNW (Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg), zahlreiche MedizinerInnen-Initiativen sowie der Berufsverband für Krankenpfleger haben bereits seit längerer Zeit ihre Einwände angemeldet.
- Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat weitgehende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit gelten gemacht; der Bundesrechungshof fordert ohnehin seit geraumer Zeit eine grundsätzliche Umorganisation und Streichungen im Bereich Zivilschutz.
Anhörung unter Ausschaltung von Kritikern
All diese Einwände drohen jedoch über den Haufen gerannt zu werden, da der zunehmend erkannten Bedeutung der Zivilverteidigung für eine effektive Gesamtverteidigungsfähigkeit nun endlich durch weitere legislative, administrative und finanzielle Stärkung dieses Bereichs Rechnung getragen werden soll.
Neben der Regierungskoalition spielt leider auch die SPD eine besonders traurige Rolle dabei. Mit dem Zivilschutz grundsätzlich ablehnenden Nürnberger Bundesparteitagsbeschluß vom 1986 im Rücken, wird heute wieder munter der zwecks Akzeptanz-Förderung herrschenden systematischen Vermischung von Kriegs-dienlicher Zivilverteidigung und friedensmäßigem Katastrophenschutz das Wort geredet. Erst energischer Druck von außen konnte die GenossInnen überhaupt dazu bewegen, ihren ursprünglichen Widerstand dagegen aufzuheben, das skandalöse Vorhaben wenigstens noch einmal in einer öffentlichen Anhörung des Bundestags zu erörtern. Auf ein winziges Restprogramm unter möglicher Ausschaltung von KritikerInnen reduziert, fand diese Anhörung am 6. Oktober einen kurzen Vormittag lang statt.
Proteste wirkungsvoller als vermutet
Weil wirkungsvoller als gemeinhin vorgestellt, sollten für die derzeit laufenden Beratungen massenhaft schriftliche Proteste von Individuen und Organisationen gegen diesen Gesetzesentwurf an die zuständigen PolitikerInnen geschickt werden! Und zwar jeweils per Adresse Bundeshaus, 5300 Bonn 1, entweder an die Vorsitzenden der beteiligten Ausschüsse
- Innen (Herr Bernraht),
- Recht (Herr Helmrich)
- Haushalt (Herr Walther),
- Arbeit und Sozialordnung (Herr Egert),
- Verteidigung (Herr Biehle),
- Gesundheit (Frau Dr. Wilms-Kegel)
mit der Bitte um Verteilung an je einen Fraktionsvertreter ("Obleute" und/oder an die maßgeblichen "Berichterstatter" im federführenden Innenausschuß Dr. Nöbel (SPD), Herr Kalisch (CDU), Dr. Hirsch (FDP) Such (Grüne) oder direkt an die Mitglieder dieser Ausschüsse.