Psychotherapeuten wehren sich

Psychotherapie von Soldaten nicht unter der Regie der Bundeswehr

von Almuth Bruder-Bezzel

Seit die bundesrepublikanische Armee kriegerische Einsätze im Ausland fährt, steht sie vor dem Problem, dass Soldaten mit schwer behandelbaren psychischen, traumatischen Störungen zurückkommen. Da der Koalitionsvertrag auch keine Zweifel daran lässt, dass diese Kriegspolitik weitergeführt und gesteigert wird - obgleich die Mehrheit der Bevölkerung dagegen ist -, geht auch diese Entwicklung weiter. Das Risiko, an der „posttraumatischen Belastungsstörung“ (PTBS) zu erkranken oder auch eine Angst- oder Suchterkrankung zu entwickeln, steigert sich, wenn die eingesetzten SoldatInnen bereits psychisch vorbelastet sind, was bei jedem/jeder fünfte/n SoldatIn der Fall sei, wie die neue Studie aus der TU Dresden ermittelt hat.

Ein Teil von ihnen wird stationär im bundeswehr-eigenem Traumazentrum oder in anderen Krankenhäusern, mit denen Kooperationen bestehen behandelt, danach bedarf es meist einer weiteren ambulanten Behandlung.

Psychisch belastete oder traumatisierte SoldatInnen bedürfen selbstverständlich einer psychotherapeutischen Behandlung. Die Frage ist nur, in welchem Rahmen und zu welchem Ziel. Da durch die Vervielfachung der Kriegseinsätze der Bedarf an Psychotherapie gestiegen ist, wurde schon seit längerem, wenn auch sehr zögernd, auf zivile PsychotherapeutInnen zurückgegriffen, da die eigenen Kapazitäten der Bundeswehr bei weitem nicht ausreichen.

So gibt es bereits eine Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Bundesministerium der Verteidigung zur Therapie durch zivile PsychotherapeutInnen mit Kassenzulassung. Diese Therapien werden jeweils durch die Bundeswehr bewilligt, bezahlt und durch Fortbildungen begleitet. Voraussetzung ist natürlich, dass die beteiligten PsychotherapeutInnen der Bundeswehr und ihren Auslandseinsätzen nicht ablehnend gegenüberstehen. Einblick über Anzahl und Erfahrungen damit haben wir derzeit nicht.

Der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Prof. Dr. Rainer Richter, hat zudem seit längerem schon stark darauf gedrängt, die Kontingente solcher Psychotherapien zu erweitern. Noch im Juni 2013 hatte er geklagt, die deutschen Streitkräfte "blockierten" die "schnelle psychotherapeutische Versorgung traumatisierter Soldaten", indem sie diesen die Nutzung von Privatpraxen untersagten. Richters Bemühungen waren schließlich von Erfolg gekrönt, so dass es im September 2013 zu einer Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der Bundespsychotherapeutenkammer kam, nach der zivile PsychotherapeutInnen auch ohne den nötigen Kassensitz, also in Privatpraxen, behandeln können - eine Versuchung für PsychotherapeutInnen ohne Kassensitz, sich so ihre Existenz zu sichern.

Im März 2014 fand in Berlin unter Führung der Bundeswehr bzw. des für posttraumatische Belastungsstörungen zuständigen Brigadegenerals in Berlin im Offiziersheim der Blücherkaserne die erste ganztägige Fortbildungsveranstaltung dazu statt. DozentInnen waren ausschließlich verbeamtete PsychologInnen und Ärzte der Bundeswehr. Die TeilnehmerInnen wurden u.a. eingeführt in die "Besonderheiten des Soldatenberufs" und die Spezifika einer "Heilbehandlung für die Bundeswehr", in die „aktuellen Einsatzgebiete und Einsatzsituationen“, und in „Truppenpsychologen im Einsatz – mit Soldaten auf Patrouille/ auf Wache/ im Feldlager.“

Aus der Vereinbarung, dem Programm der Fortbildungsveranstaltung und aus Äußerungen des Präsidenten der Bundespsychotherapeutenkammer geht eindeutig hervor, dass es sich um psychotherapeutische Behandlungen durch zivile TherapeutInnen unter der Regie und im Interesse der Bundeswehr, auch um „embedded“ Psychotherapie, handelt. Das heißt, dass es sich bei diesen Therapien darum dreht, die SoldatInnen schnell fit zu machen, um sie wieder im Ausland einzusetzen – im übrigen bei sehr fraglichem Erfolg. So erklärte Prof. Richter z.B. am 26.November 2013, dass bei zunächst psychisch erkrankten und dann „erfolgreich behandelten" SoldatInnen nichts „gegen eine Teilnahme an Auslandseinsätzen spreche“.

Gegen solcherart Vereinbarungen und Instrumentalisierung von Medizin und Psychotherapie für den Krieg gab es immer wieder  Proteste von ÄrztInnen und PsychologInnen, z.B. von der IPPNW. Jüngst äußerten sich hierzu kritisch die TeilnehmerInnen eines Symposiums der „Gesellschaft für Neue Psychologie“ zum Thema Krieg und Frieden („Trommeln für den Krieg“) an der FU Berlin am 8. März dieses Jahres. In einer Stellungnahme lehnen sie diese Vereinbarung und die Fortbildungsveranstaltungen ab. Es heißt u.a., dass psychotherapeutische Behandlung von Soldaten unabhängig von der Bundeswehr sein muss, und dass es nicht Aufgabe von PsychologInnen sein kann, Reaktionen von SoldatInnen auf Kriegshandlungen - wie Entsetzen, Abscheu und Angst vor erneutem Erleben - wegzutherapieren, um SoldatInnen für den nächsten Einsatz fit zu machen. Therapien mit solchen Zielsetzungen dienen der Unterstützung und Fortsetzung von kriegerischen Einsätzen der Bundeswehr.

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Hintergrund
Dr. Almuth Bruder-Bezzel ist Dipl. Psych. und Psychoanalytikerin. Sie lebt in Berlin.