Rechtspotential unter Jugendlichen

von Georg Witt

Im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW hat das Institut für angewandte Sozialwissenschaften (Infas) Jugendliche (16 bis 23 Jahre) in NRW zu ihren Perspektiven befragt. Ein wichtiger Problembereich, der nach den Wahlergebnissen der letzten Monate für Parteien ebenso wie für außerparlamentarische Bewegungen an Bedeutung gewonnen hat, ist das in der Jugend existierende Rechtspotential. Zusammenfassung von Gregor Witt.

Infas hat hierzu zunächst den Über­gangsbereich von konservativen Positionen zum Rechtsextremismus unter­sucht. Die in nachstehender Grafik zu­sammengefaßten Antworten begrün­den zwar ernsthafte Besorgnisse über die Anfälligkeit einer größeren Zahl von Jugendlichen für konservativ bis reaktionäre Standpunkte. Sie müssen aber auch vor dem Hintergrund gese­hen werden, daß z.T. dieselben Ju­gendlichen, die konservative Grundpo­sitionen übernommen haben, zugleich kritisch-fortschrittliche Forderungen befürworten. Und ein weiterer Hin­weis aus der Studie zur "konservativen Ladung" solcher Aussagen ist wichtig:

"Daß z.B. Leistung sich wieder lohnen muß, ist nicht nur eine neokonserva­tive 'Wendeparole' - sie enthält auch einen Appell an leistungsgerechte Entlohnung. Oder wer meint, bei der sozialen Sicherheit solle man in erster Linie für sich selbst sorgen, ist nicht unbedingt ein Gegner des Sozialstaats, sondern hat vielleicht die jetzt teil­weise notwendig gewordenen Eigenlei­stungen zur Finanzierung des sozialen Netzes im Auge. Diese Ambivalenzen in den Statements müssen beachtet werden, damit man die Äußerungen der Jugendlichen zu konservativen Po­sitionen nicht einfach beim Nennwert nimmt."

Obwohl der Anteil junger Männer unter den Wählern rechtsextremer Parteien relativ hoch ist, kommt die Studie zu dem überraschenden Ergeb­nis, daß die Zustimmung zu einschlä­gigen Bewertungen in der Gesamtbe­völkerung der Bundesrepublik höher als in der Untersuchungsgruppe ist. Zum Beispiel stimmten 21% der Be­fragten der Aussage zu: "Der National­sozialismus hatte auch seine guten Seiten", unter den Bundesbürgern sind es 42%. 12% der Jugendli­chen halten die Aussage "Wir sollten wieder einen Führer haben" für völlig oder teilweise richtig!

Die Einstellungen gegenüber Auslän­dern, Asylbewerbern und Aussiedlern hat Infas in einer anderen Studie er­mittelt. Danach sind die Jugendlichen in NRW "... durchweg etwas toleranter gegenüber Ausländern als der Durch­schnitt der Bevölkerung. Sie erkennen häufiger an, hier lebende Ausländer machten unsere Kultur bunter und abwechslungsreicher (45% zu 35%), sie seien für unsere Wirtschaftsent­wicklung notwendig (43% zu 37%).

Jugendliche fordern häufiger, die Be­teiligung von Ausländern am politi­schen und gesellschaftlichen Leben solle verstärkt werden (43% zu 36%). Dagegen stehen allerdings jeweils Mehrheiten, die all dies ablehnen. Darin werden die Jugendlichen von den Erwachsenen allerdings noch übertroffen. In dieses Bild fügt sich, daß Jugendliche mehrheitlich Auslän­der mit großer Wohnungsnot in Zu­sammenhang bringen (53%) und ganz überwiegend (zu 80%) die 'Wirt­schaftsasylanten' als eine große Bela­stung für die Deutschen bezeichnen."

Bemerkenswert sind einige Feststel­lungen von Infas zur Friedensthema­tik: Beunruhigt über Aufrüstung sind nur 8% der Befragten, davor stehen Umweltprobleme (58%), Arbeitslo­sigkeit/Lehrstellenmangel (32%) und Politik allgemein (11%). Dennoch ge­hört Frieden für 43% zu den politi­schen Prioritäten bis zum Jahr 2000 - nach Umwelt (88%) und Arbeitslo­sigkeit (77%). Von den gesellschaftli­chen und politischen Institutionen fin­det die Friedensbewegung großes Vertrauen bei den Jugendlichen.

 

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