6x jährlich erscheint unsere Zeitschrift "FriedensForum" und informiert über Neuigkeiten aus der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeheft zu!
Über den „Krieg gegen den Terror“ und andere Rituale
Rituale der Politik
von
Seit dem Terroranschlag auf „The World Trade Center" am 11. September 2001 und dem von G. W. Bush annonciertem „War on Terror", wurde Jagd nicht nur auf Terroristen gemacht. In manchen Ländern heimlich und in den anderen ganz offen wurden auch tausende Journalist*innen als "Terroristen" abgestempelt.
Was ist für die Machthaber auf aller Welt gefährlicher als die Wahrheit, als Information? Für die Wahrheit ist auch Jesus hingerichtet worden. Zuerst aber verleumdet und bespuckt. Das Wort „Terrorist" kannte damals Pontius Pilatus nicht, sonst hätte er es gerne benutzt. Womöglich ist es zum meist benutzten Wort in unserer Zeit geworden. Das Wort erzeugt Angst und den Wunsch, so markierte Menschen wegzusperren oder gleich zu „eliminieren" (auch ein modernes Wort, beliebt von Machthabern und Medien). Nach dem Putschversuch in der Türkei im Jahr 2016 wurden neben Journalist*innen auch Jurist*innen zusammen mit Putschisten ins Gefängnis geworfen. Die Welt ist voll von Terroristen und Terrorstaaten geworden, voller Waffen, Terrorakte, Kriege und Multikrisen. Ist es nicht seltsam, dass der "War on terror" die Zahl der Terrorist*innen so explosionsartig vermehrt hat?
Im UNO-Sonderbericht von 2023 werden Zustände in Guantanamo beschrieben und es wird die Schließung des Lagers gefordert, wo noch 30 Gefangene bleiben. In den letzten 20 Jahren waren 780 Menschen aus 50 Ländern in Guantanamo inhaftiert. Wegen Geheimhaltung Washingtons ist es nicht bekannt, wie viele "Fake Terroristen" darunter waren, was sie im Lager erlebt haben und was aus ihnen geworden ist. Nach dem Abzug der USA aus Afghanistan liefen im deutschen Fernsehen Filme über die Rückkehr der Taliban. Einer von deren Anführern wurde während seiner Visite in Saudi Arabien gezeigt, er schwor Rache an die USA für Guantanamo. Der Mann war sehr jung, als er nach Guantanamo geschickt wurde. Vor ca. 15 Jahren hat der kanadische Geheimdienst einen Jungen von 14 Jahren aus Guantanamo gerettet, da die Kanadier von seiner Unschuld überzeugt waren. Das Magazin „Stern" hat sich vor vielen Jahren ein einziges Mal getraut, über die Zustände in Guantanamo zu erzählen. Es kommt kein oder selten Licht in die dunklen Ecken - egal wo auf unserem Planeten. Und was geschieht mit denen, die dunkle Ecken beleuchten wollen? Da leuchten gleich zwei moderne Worte im Gedächtnis: „Terroristen" und „eliminieren".
In den Bush Jahren haben viele Amerikaner*innen in den USA unter anderen einen Bumpersticker benutzt: „We produce terrorists faster than we can kill them" („Wir schaffen Terroristen schneller als wir sie töten können").
Der „Terror (war) on terror" scheint nicht zu funktionieren, alle Seiten beschuldigen die Gegenseite des Terrors. Wenn man die schwelenden und schon brennenden Krisenherde anschaut (Kurdistan, Palästina, Donbass, Irland, Korsika, Schottland, Katalunien etc.) geht es überall um das Gleiche - um Selbstbestimmung, Autonomie und territoriale Räume, wo Minderheiten ihre Identität, Kultur, Sprache und administrative Strukturen einfordern. Manchen Politiker*innen ist offenbar alles zuzutrauen, wenn man sich heute in vielen Ländern umschaut. Von ihren Prinzipien sich abzuwenden, scheint ihnen leicht zu sein.
„Demokratie ist ein Ausgleich der Interessen", schreibt Robert Habeck in seinem Buch „Wie wir sein können". Er schlägt den Austausch von Argumenten vor (haben Separatisten und womöglich sogar Terroristen Argumente?). Habeck schreibt weiter: „Nur täuschen wir uns selbst über unsere Möglichkeiten, weil wir immer nur nach Sieg und Niederlage urteilen. Wenn Politik nicht doofer sein will als ihr Ruf, dann muss sie sich von den Ritualen des Sieges und der Niederlage frei machen". (Kapitel „Demokratie lebt von Streit und Kompromiss", Seite 29.) Wie es heute aussieht, kann sich die Politik oft noch nicht von Ritualen befreien und bestätigt damit dann nur zu schnell immer wieder ihren Ruf.