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Der Krieg beginnt hier
„Schnöggersburg“ in der Altmark
vonDer Krieg beginnt hier - also können wir ihn hier behindern und stoppen. Und wenn wir dies nicht immer wieder versuchen, dann versagen wir genau so, wie auch die Generation unserer Eltern und Großeltern versagt hatte. Denn bereits der 2. Weltkrieg wurde auch in der Colbitz-Letzlinger Heide vorbereitet. Hier wurden unter anderem die großkalibrigen Geschütze von Krupp auf einer über 30 km langen Schießbahn getestet.
Gegen Ende des Krieges trieben SS Wachmannschaften auf einem der Todesmärsche KZ-Häftlinge aus Westen kommend durch die Heide und rasteten im Heidedorf Dolle. Dabei konnten 64 Häftlinge fliehen. Die Wachsoldaten veranstalteten gemeinsam mit der Dorfbevölkerung eine Jagd, in deren Folge alle Geflohenen eingefangen und zu Tode geprügelt worden sind. Die Rote Armee ließ zum Gedenken an diese Unmenschlichkeit ein Gebäude aus roten Steinen am nördlichen Dorfrand errichten. Die Ermordeten sind dort beigesetzt. Noch heute ist es schwer, mit Menschen aus Dolle darüber zu sprechen. Der Krieg zieht bis heute seine Spuren.
Der Zug der Häftlinge wurde anschließend von den Wachsoldaten weiter nach Burgstall getrieben. Dort stellte sich ihnen der Bürgermeister in den Weg und erklärte, dass der Krieg vorbei sei und sie nach Hause gehen sollten. Das taten die Soldaten. Etwa 500 Häftlinge waren gerettet und wurden durch die Menschen in Burgstall versorgt. Diese beiden Dörfer sind keine zehn Kilometer voneinander entfernt.
In Dolle taten Menschen gehorsam und engagiert, was eine kriegstreibende Regierung durch Gesetze von ihnen verlangte. In Burgstall handelten die Menschen entschlossen menschlich, indem sie sich über geltendes Recht und Regierungsanliegen hinwegsetzten.
Die gehorsame Barbarei des Krieges gehört ebenso zu unserer Region, wie menschlicher Widerspruch.
Heute ist die Colbitz-Letzlinger Heide zum modernsten Kriegsübungsgelände Europas mutiert worden. Ohne eine gültige Baugenehmigung wurde im Auftrag der Bundeswehr die Übungsstadt „Schnöggersburg“ auf einer Fläche von über 6 km² durch den Landesbaubetrieb Sachsen-Anhalt als Schwarzbau in ein europäisches Naturschutzgebiet (FFH Gebiet) hineinbetoniert. Die Umweltverbände wurden nicht berücksichtigt, eine Umweltverträglichkeitsprüfung fand nicht statt. Eine Klage des NABU vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg gegen diesen staatlichen Rechtsbruch führte zwar zu einer Rüge des Gerichts wegen des Fehlens der Beteiligung der Umweltverbände. Das Gericht stellte aber gleichzeitig eine angebliche Verjährung fest. Und dies, obwohl der Bundesgerichtshof in einer anderen Angelegenheit lange vorher urteilte, dass eine zu Unrecht erteilte Baugenehmigung zu keinem Zeitpunkt Rechtskraft erlangt. Auch hier stellt sich die Bundeswehr über das Recht und über höchstrichterliche Rechtsprechung, und die Justiz lässt sie dort stehen. Bereits die KSK bereiteten sich auf ihre Menschenrechtsverbrechen in Afghanistan hier ebenso vor, wie alle SoldatInnen (1) der Landstreitkräfte der Bundeswehr, die in andere Länder geschickt werden, um dort Kriege zu führen.
Auch zahlreiche SoldatInnen anderer NATO-Armeen üben hier für ihre Aggressionen. Zahlreiche dieser als „Auslandseinsätze“ verniedlichten Kriege stehen im Widerspruch zur UN-Charta, die alle Kriege grundsätzlich verbietet. Einzig drei Ausnahmen von diesem Verbot kennt die UN-Charta: Die Verteidigung gegen die Armee eines angreifenden Landes, die militärische Hilfe auf Bitte einer legitimen Regierung, deren Land angegriffen worden ist, und der Einsatz mit einem Mandat des UN Sicherheitsrates. Weder EU-Mandate, noch Bundestagsmandate, noch NATO-Selbstermächtigungen kennt das Völkerrecht. Somit stellen all diese Kriege schwerste Straftaten im Sinne des Völkerstrafrechtes dar, und unsere Justiz müsste gegen deren Vorbereitungen von sich aus vorgehen. Die Justiz sorgt aber seit über 20 Jahren durch Strafvereitelung im Amt für unbehinderte Kriegsvorbereitungen. Darüber hinaus kriminalisiert sie unsere gewaltfreien Eingriffe in diese Kriegsvorbereitungen auch noch, anstatt unsere Begehungen und Besetzungen als aktive Rechtspflege zu fördern. Der Rechtsstaat löst sich in diesem Übungsalltag immer weiter auf.
Die Tatsachen liegen offen nachprüfbar auf dem Tisch. In unserer Heide werden Völkerrechtsbrüche, also schwerste Verbrechen, regelmäßig begangen.
Wie verhalten sich unsere christlichen Kirchen als Institutionen dazu? Nach all den Jahrzehnten völkerrechtswidriger Barbarei glauben sie noch immer, eine Nachfolge Jesu sei mit Militärseelsorge möglich. Noch immer sind sie Teilhaber an und Unterstützer der Barbarei.
Wie verhalten sich ehemalige BürgerrechtlerInnen aus der DDR dazu? Peinliches Schweigen, was mich schämen lässt, einmal zu ihnen gezählt worden zu sein.
In der letzten noch Friedenspartei im Bundestag, Die LINKE, werden Stimmen lauter, die den Krieg ein wenig akzeptieren möchten, um regierungsfähig zu werden.
Wir werden den Krieg als größtes Menschheitsverbrechen nicht durch Wahlen überwinden können. Dies wird Handarbeit im Widerstand gegen staatlichen Machtmissbrauch überall dort bleiben, wo er auf so freche und rechtswidrige Weise fortwährend vorbereitet wird.
Anmerkung
1 Das Gendersternchen lehne ich ab. Friedensarbeit ist ohne ein emanzipatorisches, menschenrechtsbasiertes Fundament für mich undenkbar. Aus diesem Grund fehlt mir das Verständnis dafür, dass ich diese Selbstverständlichkeit bei jeder Gelegenheit in einer Form nachweisen sollen muss, die mich sprachlich stört.
Malte Fröhlich, einer aus der BI OFFENe HEIDe (https://www.offeneheide.de), geb. 1967, Spielplatzbauer, www.fröhlichespielgeräte.de