Schule und Bundeswehr

Schulfrei für die Bundeswehr - Eine Zwischenbilanz für Baden-Württemberg

von Klaus Pfisterer

Im Dezember 2009 unterzeichnete der damalige Kultusminister Rau (CDU) eine Kooperationsvereinbarung (KV) mit der Bundeswehr, womit dieser der privilegierte Zugang zu den Bildungseinrichtungen des Landes gewährt wurde.  In der Folge gründete sich im Juli 2010 die Kampagne "Schulfrei-für-die-Bundeswehr", in der 15 antimilitaristische, pazifistische und gewerkschaftliche Organisationen zusammenarbeiten, die drei gleichberechtige Ziele formulierten: Rücknahme der KV, Angebote einer Friedensbildung an Schulen bereitstellen, Handlungsoptionen für einzelne Zielgruppen anbieten.

Kündigung der Kooperationsvereinbarung
Vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 2011 sagten zahlreiche KandidatInnen von SPD und Grünen zu, im Falle eines Wahlsieges die KV zu kündigen. Nach dem Wahlsieg taten sich die beiden Parteien schwer, ihre Zusage umzusetzen. Als der grüne Parteitag im  Dezember 2012 die Kündigung der Kooperationsvereinbarung beschloss, schien das Ziel in greifbarer Nähe. Dann traten Ministerpräsident Kretschmann, Grüne, und Innenminister Gall, SPD, dem Vorhaben entschieden entgegen. Die grüne Partei vermied den Konflikt und gab klein bei. Seit Februar 2013 gab es mehrere direkte Gespräche mit Kultusminister Andreas Stoch, SPD. Er signalisierte zwar seine Sympathie für unsere Kernforderung, fügte sich letztlich aber doch der Kabinettsdisziplin.

Im November 2013 wurde bekannt, dass das Kultusministerium eine modifizierte KV auf den Weg bringen wolle. Diese wurde dann am 14. August 2014 trotz vielfältiger Proteste unterzeichnet. Ein Erfolg unseres Protests war, dass vom Hauptziel der Bundeswehr, rechtlich abgesegnet Einfluss auf die Lehreraus- und -fortbildung zu erhalten, so gut wie nichts geblieben ist. Die LehrerInnen sowie die AnwärterInnen bzw. ReferendarInnen entscheiden selbst- und eigenverantwortlich, ob sie die Angebote der Jugendoffiziere in Anspruch nehmen wollen. Trotz dieses kleinen Erfolges bleiben viele Privilegien der Bundeswehr erhalten.

Friedensbildung und erste kleine Erfolge
2013 erweiterte die Kampagne ihr Arbeitsfeld, was in ihrem neuen Namen "Schulfrei für die Bundeswehr - Lernen für den Frieden" zum Ausdruck kommt. In den Gesprächen mit dem Minister ging es denn auch vorrangig um das zweite Ziel, die Friedenserziehung in den Bildungsplänen der Schulen und in der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte fest zu verankern. Es gelang, Minister Stoch vor dem Landtag zu einem klaren Bekenntnis zur Stärkung der Friedensbildung zu veranlassen. So konnte am 30. Oktober 2014 eine "Gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Friedensbildung in den baden-württembergischen Schulen" vom Kultusminister und 16 Organisationen der Zivilgesellschaft unterzeichnet werden. Im Dialog mit deren VertreterInnen entwickelt das Kultusministerium seither einen Plan mit Maßnahmen zur Erreichung des genannten Ziels. Ein erster ganztägiger Austausch fand dazu bereits Anfang Dezember 2014  statt. Die grün-rote Landesregierung hat im Doppelhaushalt 2015/16 je 100.000 € für Friedensbildung eingestellt. Das ist nicht viel, aber kein anderes Bundesland stellt so viel Geld zur Verfügung. Der gesamte Prozess ist beispiellos für die Bundesrepublik. Er ist für alle Beteiligten Neuland. Es bleibt abzuwarten, ob sein Ergebnis akzeptabel sein wird.

Aktivitäten der Kampagne
Über die mittlerweile vier Jahre hinweg gelang es insbesondere, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Dazu trugen mehrere Dutzend lokale, regionale, landesweite und teilweise bundesweite Medienberichte genauso bei wie Debatten innerhalb der Parteien und der Trägerorganisationen. In zahlreichen Lobbying-Gesprächen mit Abgeordneten von Grünen und SPD trugen wir beharrlich unsere Forderungen vor und lassen die Parteien bis heute nicht aus ihrer Verantwortung.

Von der mehrtägigen Aktionskonferenz PAXX (Peace Action Trainings) im März 2012 in Mannheim mit mehreren Dutzend TeilnehmerInnen wurde die erste bundesweite Aktionswoche für militärfreie Bildung und Forschung im September 2012 initiiert. Höhepunkt der baden-württembergischen Aktivitäten war eine landesweite Demo in Stuttgart mit mehreren hundert TeilnehmerInnen. Parallel dazu wurde die Unterschriftensammlung „Versprochen ist versprochen“ betrieben – mit der Forderung, das Wahlversprechen zur Kündigung der KV endlich umzusetzen.

Im Laufe der Jahre  kam es immer wieder zu Aktionen vor Schulen, auf Messen usw. Beispiele sind die Bildungsmessen "didacta" 2011 und 2014 in Stuttgart.

Zwei landesweite Konferenzen in Karlsruhe u.a. zum Thema „Lernen für den Frieden“ sowie eine Aktionskonferenz im Januar 2014 in Stuttgart gaben der Kampagne immer wieder neuen Schwung.

Hinzu kam eine stärkere bundesweite Vernetzung mit der im Juni 2013 im Kontext von bundesweiten Aktionstagen begonnenen Unterschriftensammlung "Lernen für den Frieden". Jüngst wurden 23.000 Unterschriften der Kultusministerkonferenz übergeben.

Im Herbst 2014 wurde eine Briefaktion an alle angesichts ihres Namens in Frage kommenden  Schulen (Bertha-von-Suttner, Einstein, Geschwister Scholl…) gestartet, um sie dafür zu gewinnen, sich als militärfrei zu erklären.

Ausblick
Alle Aktivitäten haben noch nicht zum gewünschten Erfolgen geführt. Wir halten weiter an der Kernforderung "Kündigung der Kooperationsvereinbarung" fest, wollen die Friedensbildung insbesondere in der Lehreraus- und -fortbildung verankert wissen und verfolgen mit Nachdruck das Ziel von militärfreien Schulen.

Dass es möglich ist, die Bundeswehr aus dem Unterricht fernzuhalten, zeigt das Beispiel Sachsen-Anhalt. Kultusminister Dorgerloh (SPD) hat im November 2014 verfügt, dass die Berufswerbung für die Streitkräfte während der Schulzeit verboten ist und Truppenbesuche  unzulässig sind, wenn sie "Eventcharakter" haben. Dies könnte Kultusminister Stoch in Baden-Württemberg ohne Wenn und Aber übernehmen.

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