6x jährlich informiert unsere Zeitschrift, das FriedensForum, über Aktionen und Kampagnen der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeexemplar zu.
Seelsorge an Soldaten statt Militärseelsorge
vonEs entbehrt nicht einer gewissen Komik: In der täglichen Praxis hatte ich in all den vergangenen Jahren nie so wenig mit Soldaten und deren Problemen zu tun wie heute, und nie habe ich so viel über Militärseelsorge und Kirchliche Arbeit in den Kasernen reden und schreiben müssen, wie ich es z.Z. tue. Die Erklärung dafür ist relativ einfach: Es gibt kaum noch Soldaten bei uns. Die wenigen Christen unter ihnen sind in der Regel in den Zivildienst übergegangen. Von den Offizieren durfte ohnehin keiner zur Kirche gehören.
Die Hilfe unserer Kirche, die vor der Wende von den Soldaten gern in Anspruch genommen worden war, war vor allem praktischer Art. Bei uns im Pfarrhaus waren immer Kartons mit den Zivilsachen von Soldaten gestapelt, die diese nicht in den Kasernen haben durften. Etliche kamen und sei es nur, um die Tagesschau sehen zu können. Im Pfarrhof parkten Autos von Reservisten, und öfter wurde ein Nachtquartier für Ehefrau oder Freundin gesucht. Das alles ist nun weggefallen. Heimatnähe und Zivilerlaubnis sind dafür die Gründe. Auch waren immer einige der Soldaten in unseren Jugendkreis integriert. Zum Teil entstanden sehr feste Bindungen, und gar nicht so wenige bezeugen, daß ihnen gerade diese Bindung geholfen hat, ihre Armeezeit durchzustehen. Zugegeben: Es waren immer nur wenige und immer war es ganz unsicher, ob sie heute würden "raus" dürfen. Zum Gottesdienst kamen sie ohnehin meist zu spät. Das waren die kleinen Schikanen der Vorgesetzten.
Ich erzähle das so ausführlich, weil in den alten Bundesländern oft der Eindruck herrscht, wir in der DDR hätten uns um die Arbeit mit und unter Soldaten gedrückt. Bei Pfarrern, die in der Nähe von Kasernen leben, wurden die Wohnung, die Zeit und der Kühlschrank vermutlich mindestens so sehr in Anspruch genommen wie bei bundesdeutschen Militärpfarrern.
Trennung von Staat und Kirche
Die Nähe der Seelsorge an Soldaten zur normalen Kirchengemeinde war für uns eine gute, wichtige Erfahrung. Ohne Not wollen wir sie nicht aufgeben. Die Möglichkeiten, die der Militärseelsorgevertrag der kirchlichen Arbeit an den Soldaten eröffnet, sind ungeheuer verlockend. Besonders die finanzielle Ausstattung der Militärseelsorge wird auch in den neuen Bundesländern ein Argument sein, dem letztlich nur wenige widerstehen werden. Wer Geld hat, hat wohl auch in der Kirche Recht. Ich meine trotzdem: Auch wenn Kirche und Staat in der Bundesrepublik in vielerlei Hinsicht verflochten (besonders finanziell verflochten!) sind (Sozialarbeit, Kinderarbeit, Theol. Fakultäten usw.), kann m.E. daraus nicht die Berechtigung zur Annahme des Militärseelsorgevertrages abgeleitet werden. Gerade das sensible Thema "Kirche, Wehr und Waffen" zwingt zu einer völligen, auch nach außen sichtbaren Trennung von Staat und Kirche. Da darf nicht der kleinste Eindruck von institutioneller Verquickung und finanzieller Abhängigkeit entstehen. Daran darf auch der beste aller Militärseelsorgeverträge nichts ändern. Auch um der Brüder und Schwestern im Militärpfarramt willen muß diese Trennung deutlich bleiben. Die Strukturen predigen mit. Sie können sogar zur Gegenpredigt werden.
Für uns in den neuen Bundesländern kommt noch ein weiterer Umstand hinzu. Bisher hatten wir ausschließlich mit Soldaten zu tun, die sich danach sehnten, ihre Armeezeit (DDR-Jargon: "Asche") hinter sich zu haben. Es ist für uns eine völlig neue und ungewohnte Erfahrung, wenn wir jetzt Menschen begegnen, die ihren Beruf als Offizier oder länger dienender Soldat gern ausüben. Gerade um diesen Menschen wirklich nahe kommen zu können, brauchen wir die Freiheit unserer Verkündigung und die strukturelle Unabhängigkeit wie die Luft zum Atmen. Aus all diesen Gründen resultiert unser derzeitiger Beschluß zur Seelsorge an Soldaten:
"1. Die Seelsorge an den Soldaten ist eine Aufgabe der Kirchen. In den Gliedkirchen des Bundes der Evangelischen Kirchen wird diese Aufgabe in enger Bezogenheit zu den Ortskirchengemeinden wahrgenommen. Eine Anwendung des Militärseelsorgevertrages erfolgt nicht." (Konferenz der Evang. Kirchenleitungen, 12. Januar 1991)
Ganz praktisch wird da noch manche Regelung zu treffen sein. Auch die besondere oder auch hauptamtliche Beauftragung von Pfarrern, Pastorinnen und Jugendmitarbeitern ist denkbar. Wichtig ist nur zweierlei:
- Beauftragung, Verantwortung und Bezahlung der kirchlichen Mitarbeiter erfolgen allein durch die Kirche.
- In Verhandlungen mit dem Verteidigungsministerium werden wir unsere Wünsche und Bitten vortragen. Den uns zugestandenen Spielraum - der ja schon vom Grundgesetz eingeräumt ist - werden wir voll ausschöpfen. Die Zweideutigkeiten der Militärseelsorge können so umgangen werden.