Von einem der auszog, Frieden zu machen

von Sven Griemert
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

Wer Hintergründe über den Krieg in Ex-Jugoslawien erwartet, wird ent­täuscht. Klaus Vacks Buch "Friedenspolitik mitten im Krieg - Das Ex­empel Ex-Jugoslawien" will bewusst einen Kontrapunkt setzen. Nicht Analyse, sondern friedenspolitische Aktivität inmitten eines grausamen Krieges soll dokumentiert werden.

Eingepasst ist die Darstellung und Do­kumentation in den politischen Rahmen der Friedensbewegung am Ende der 20. Jahrhunderts: In die Diskussion um Pa­zifismus nach dem Golfkrieg, die vor­dringenden Positionen der "Bellizisten" oder die Wirkungen des Dayton-Ab­kommens.

579 Tage hat Klaus Vack als "Jugoslawien-Koordinator" des Komi­tees für Grundrechte und Demokratie seit 1991 im ehemaligen Jugoslawien verbracht, dabei insgesamt etwa 145.000 Kilometer zurückgelegt, un­zählige Gespräche mit den Menschen und Friedensgruppen geführt und Hilfsmittel in Höhe von rund 9,2 Mil­lionen Mark aufgebracht. Das Buch mit seinen 60 Reiseberichten ist Ergebnis und wohl nur Zwischenstandsbericht dieses Engagements.

Klaus Vack ist damit der Versuch ge­lungen, die vielfältigen und unter­schiedlichen Aktionen und Positionen des Komitees zu beschreiben und zu­sammenzufassen, wieder ins Gedächtnis zu rufen. Etwa 1.700 lokale Gruppen haben humanitäre Hilfe in Ex-Jugosla­wien geleistet. Die Hälfte davon, so Vack, lassen sich Friedens- oder Men­schenrechtsgruppen zuordnen. Es ist diese Beispielhaftigkeit, die das Buch über die Komitee-Aktivität hinaus an Bedeutung gewinnen lässt.

Leben und Aktualität aber erhält das Buch vom einführenden Dialog zwi­schen dem Verfasser und den beiden - friedenspolitisch engagierten - Politolo­gie-Professoren Wolf-Dieter Narr und Roland Roth. Vermittelt wird ein tiefer Einblick in den aktuellen Diskussions­prozess eines (wichtigen) Teils der Frie­densbewegung.

Manche Fehleinschätzung, falsche Hoff­nung oder die selbstkritische Beleuch­tung eines zu günstigen Bild des Tito-Jugoslawiens werden im Dialog der drei offen debattiert. Gegenpositionen zum radikalen Pazifismus, wie sie von "Bellizisten" oder - wie Vack sie nennt - "Schönwetter-Pazifisten" formuliert wurden, werden nicht vom Tisch ge­wischt.

Vor allem aber beschreibt das Gespräch die eigenen pazifistischen Positionen, angereichert durch detailgetreue Kennt­nis der politischen Realitäten in den ehemaligen Staaten Jugoslawiens. So lernt man unterschiedliche "Bewegungskulturen" in den Einzel­staaten ebenso kennen, wie die Gründe einer Friedensgruppe, sich erstmalig auch humanitär zu engagieren. Kritisch betrachtet wird das Friedensabkommen von Dayton. Mit der das Buch durchzie­henden klaren Sprache argumentiert Vack in seinem Part, warum Dayton eine Illusion, "ein purer politischer Be­trug" sei. Wem dies zu kurz gerät, sei auf das Buchende verwiesen. In einem eigenen Kapitel präzisieren Narr und Vack dort ihre Dayton-Analyse und er­läutern, warum sich das Dokument sel­ber "mehr als Aufenthalt im Krieg denn als eine Etappe auf dem Weg zum Frie­den" präsentiere. Bleibt ein ärgerlicher Schönheitsfehler. Denn seine Zweifel an der radikalen pazifistischen Positionsbe­schreibung führt Roland Roth an ent­scheidender Stelle nicht aus. Mit der sehr wagen Erklärung "moralischer Bauchschmerzen" bleibt ihm da nur die wenig schmeichelhafte Rolle eines pro­fessoral mahnenden Stichwortgebers.

Jedoch: Zeile für Zeile ergeben sich aus dem Gesamtdialog und der Abarbeitung unterschiedlicher Positionen neue Be­trachtungsweisen, die sich angenehm vom sonst bekannten Denken in militä­rischen Kategorien abheben.

Wer sich mit der Frage auseinanderset­zen will, was pazifistische Praxis oder - wie es Narr formuliert - was aktiver Pa­zifismus ist, kommt um Vacks Buch kaum herum. Ein Buch, das in der Zu­sammenstellung zwischen Dialog und Dokumentation zu einem wichtigen Zeitdokument humanitärer Hilfe, men­schenrechtlichen Handelns; zu einer friedenspolitischen Pflichtlektüre wird.

 

Klaus Vack: "Friedenspolitik mitten im Krieg - Das Exempel Ex-Jugo­slawien". Herausgeber und Verleger: Komitee für Grundrechte und De­mokratie e.V., An der Gasse 1, 64759 Sensbachtal, Preis: Einzelex­emplar 20 DM, Bei Abnahme von mindestens 10 Exemplaren 20% Ra­batt. ISBN: 3-88906-064-1

Ausgabe

Rubrik

Krisen und Kriege
Sven Griemert ist freier Journalist und lebt in Frankfurt