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Buchbesprechung: Ole Nymoen zu Kriegsdienstverweigerung
„Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde – Gegen die Kriegstüchtigkeit“
vonKriegstüchtigkeit – „bei dieser Vokabel kann es einem klar denkenden Menschen eigentlich nur kalt den Rücken runterlaufen“. Das schreibt der junge Podcaster Ole Nymoen in seiner Streitschrift „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“ (S. 11), mit der er sein Statement aus der Zeit vom Juli 2024 ausführlich, aber in gut gegliederter und lesbarer Form begründet. Der Zeitungsbeitrag hatte einen heftigen Shitstorm ausgelöst. Dem „Lumpenpazifisten“ Nymoen, der als „vaterlandsloser Geselle und Egoist“ angegriffen wurde, wünschte gleich einer der ersten Kommentare, dass er mit einer russischen Strafe, nämlich „15 Jahre Lagerhaft“, bedacht werden möge (vgl. S. 116).
So viel Hass zieht einer auf sich, der es wagt, aus dem modernen Diskurs über Kriegstüchtigkeit und militärische Resilienz auszusteigen. Wobei der Autor im Grunde ein demokratisches Grundrecht, nämlich das auf Kriegsdienstverweigerung, für sich in Anspruch nehmen könnte. Doch so defensiv tritt Nymoen nicht auf, er kennt auch sicher die begrenzten Möglichkeiten des KDV-Rechts. Er hat vielmehr grundsätzliche Einwände dagegen, dass eine Obrigkeit – sei sie nun theo-, auto- oder demokratisch verfasst – ihren Untertanen – die mal Volksgenoss*innen, mal Staatsbürger*innen heißen mögen – unwidersprechbar befehlen kann, mit Tötungsgerät gegen ein fremdes Volk loszuziehen, das von seiner Herrschaft in derselben Weise traktiert wird.
Diesen Gegensatz zwischen den Herrschenden und den Beherrschten und nicht den zwischen den Völkern stellt Nymoen in den Mittelpunkt seiner Kritik. Gegen die verlogene Idylle eines volksgemeinschaftlichen „Wir“ tritt er ja auch regelmäßig mit seinem etwas naiv klingenden Podcast „Wohlstand für alle“ (www.youtube.com/c/WohlstandfürAlle) an. In der Einleitung seines Buchs begründet er jetzt seinen Standpunkt in Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist der „Zeitenwende“; hier täten ja „die maßgeblichen Politiker so, als würden die Interessen des Staates und die seiner Bürger in eins fallen, sodass die Kriegstüchtigkeit nicht nur von oben verordnet, sondern von unten gewollt sein müsse“ (S. 18).
Das erste Kapitel lautet „Der Sinn des Krieges“ und resümiert den beliebten Topos von der Sinnlosigkeit des Krieges. Wenn er verloren geht, siehe die deutschen Erfahrungen nach Weltkrieg I und II, hat der Vorwurf Konjunktur. Er ist aber trotzdem fehl am Platze, wie Nymoen am modernen Staatenverkehr darlegt. In diesem werden systematisch Gegensätze aufgebaut, wie die kapitalistische Konkurrenz ja auch in Innern lauter Gegensätze hervorbringt. Staaten kalkulieren daher ständig mit den Optionen Krieg oder Frieden und verteidigen natürlich immer ihre Interessen – egal, ob sie dies mit offensivem oder defensivem Gewalteinsatz betreiben. Sachlich betrachtet zeigt sich hier, „wer oder vielmehr was in diesem Krieg tatsächlich verteidigt wird. Es sind nicht die Kämpfenden und auch nicht die Zivilisten. Es ist die bestehende staatliche Herrschaft. Der Schutz, den der Staat Y seinen Bürgern bietet, ist keineswegs einer vor Gewalt schlechthin. Es ist der Schutz vor Fremdherrschaft ...“ (S. 46).
Der Kapitalismus als Triebkraft der nationalen Unverträglichkeit wird dabei deutlich herausgestellt, doch geht ein Exkurs zur Kritik von Lenins Imperialismustheorie auf das ökonomistische Missverständnis ein, bei den heutigen Weltordnungskonflikten handle es sich um „Kriege des Kapitals“. Scheinbar als Widerspruch zu den ersten Ausführungen ist das zweite Kapitel „Der Unsinn des Krieges“ überschrieben. Hier ist allerdings die ideologische Verfremdung Thema, also die jeweilige Legitimation (Völkerrechtskonformität, Verteidigung gegen Angriff, Heimatschutz, Wertebasierung …), die die staatlichen Warlords benutzen, wenn sie sich gegen Ihresgleichen zur Wehr setzen oder auswärtige Störenfriede bestrafen. Wichtig ist hier zudem der Abschnitt, der auf die Besonderheit des nationalsozialistischen Vernichtungskriegs gegen die UdSSR eingeht.
Das dritte abschließende Kapitel kommt dann wieder zum Ausgangspunkt zurück. Es fasst – auch in Auseinandersetzung mit den gehässigen und polemischen Kommentaren zur Zeit-Veröffentlichung – noch einmal zusammen, warum die Entscheidung, „niemals für mein Land zu kämpfen“ gut begründet ist und warum sie mit weltfremdem, idealistischem Außenseitertum oder einer egoistischen Absage an soziale Verhältnisse nichts zu tun hat. „Ich möchte nicht auf Menschen schießen, von denen mich nichts Substanzielles trennt und mit denen ich wahrscheinlich ein angenehmes, kooperatives, friedliches Leben führen könnte – wären da nicht die Machthaber dieser Welt, die anderes mit uns vorhaben.“ (S. 114)
- Ole Nymoen (2025): Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde – Gegen die Kriegstüchtigkeit. Hamburg: Rowohlt, 144 Seiten, ISBN 978-3-499-01755-1, 16 €.
Johannes Schillo ist Sozialwissenschaftler und Journalist, war als Redakteur in der außerschulischen Bildung tätig und hat zuletzt mit Norbert Wohlfahrt „Deutsche Kriegsmoral auf dem Vormarsch“ (siehe die Vorstellung im Friedensforum 5/23) veröffentlicht.