Technik und Verantwortung

Was können Ingenieure und Naturwissenschaftler tun?

von Manfred Busch

Es wird zwar viel über die Verantwortung der Natur- und IngenieurwissenschaftlerInnen für die ökologische und soziale Gestaltung unseres Gemeinwesens geredet und geschrieben, aber eine solche Forderung muß solange hohl bleiben, wie es an erkennbaren Einwirkungsmöglichkeiten - als-Voraussetzung zur Übernahme von Verantwortung – fehlt. Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich der Kongreß "Wege zu einer Sanften Technik" zunächst mit der Frage, ob bzw. inwieweit die "moderne" Technikentwicklung·gesellschaftlich kontrollierbar erscheint und alternative Entwicklungspfade vorstellbar sind.

 

Konkrete Konzepte und Beispiele für alternative. "sanfte" bzw "sanftere" Techniken, so wurde schnell deutlich, gibt es genügend: z.B. die Kraft-Wärme-Kopplung und die Wind-, Wasser- und Sonnenenergienutzung anstelle der Atomenergie, der Ausbau der öffentlichen Verkehrssysteme anstelle des Individualverkehrs und des "Transrapid", die bewußte Erhaltung menschlicher Kommunikationsspielräume angesichts der Flut maschinengebundener und gesteuerter Informationen. Das gemeinsame Ziel, die Vision einer "Sanften Technik", war auf dem Kongreß nur auf der Ebene von Begrifflichkeiten, der Frage nach dem aussagefähigsten "Bild", umstritten.

Allerdings: Techniken sind "materialisierte gesellschaftliche Interessen"; damit reflektieren die Richtung der Technikentwicklung und die konkrete Technikgestaltung die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. Und die scheinen nun mal so zu sein, daß z.B. ein Konzern wie Thyssen für sein Exportprodukt "Transrapid" eine Referenzstrecke durchsetzen kann, auch wenn die konkrete Anwendung noch so unsinnig und ökologisch verheerende erscheint, oder der Wahnsinn erst gestoppt werden kann, wenn die Industrie selbst das Interesse verliert! Aufrufe von engagierten Ingenieur- und NaturwissenschaftlerInnen gegen solche und andere Auswüchse des technokratisch-industriellen Komplexes sind sicherlich eine wichtige Form der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung.

Voraussetzung für eine gesellschaftlich bewußtere Rolle von Ingenieur- und Naturwissenschaftlern in der Technikentwicklung und -gestaltung ist eine grundlegende Demokratisierung des Forschungs- und Wissenschaftsbetriebes. Hierzu gab es eine Vielzahl von konkreten Vorschlägen und Ansatzpunkten, z.B. die Stärkung der Position von abhängig Beschäftigten durch Arbeitsverweigerungsrechte, Etablierung unabhängiger Technologiebeauftragter in den Unternehmen, der Betrieb von Wissenschaftsläden, die Einrichtung von Dissidentenfonds zur Sicherung der Vielfalt von Forschungsansätzen und einer parlamentarisch angebundenen Technikfolgenabschätzung, auch die Forderung nach einer stärker sozialwissenschaftlichen Ausrichtung ingenieur- und naturwissenschaftlicher Studiengänge.

Es wäre allerdings zu vordergründig, unsere Aufgabe in der Technologiepolitik auf die Verhinderung einiger aberwitziger Technologieprojekte zu reduzieren. Die Ausstellung "Alptraum Auto" und der Film "Maschinenräume" auf dem Technik-Kongreß belegten eindrucksvoll, daß Technik sehr viel mit Un- und Unterbewußtem zu tun hat. Der "Mythos Technik", der Technik als etwas zweckrationales erscheinen lassen will, läßt sich am Beispiel des Autos mühelos widerlegen; denken wir nur an den alltäglichen "Mord und Totschlag" auf unseren Straßen. Gemäß dem Verursacherprinzip müßte der Benzinpreis um. 2 DM/1 steigen, um die ökologischen und sozialen Folgekosten des Autoverkehrs, die auf mindestens 80 Mrd. DM pro Jahr geschätzt werden, rein rechnerisch aufzuwiegen.

Ein anderes Beispiel für den Mythos Technik bietet die Forschungsrichtung der "Künstlichen Intelligenz", einer insbesondere in den USA einflußreiche Wissenschaftlergemeinde. Die "künstliche Intelligentsia" (Weizenbaum) glaubt fest daran, daß eines Tages Computer den Menschen überflüssig machen werden. Die Wahnvorstellung von solchen "Mind Children", von - ausschließlich männlichen- Forschern geborener maschineller "Menschenersatz" der Zukunft, ist auch Prof. Weizenbaums Ansatzpunkt, von einer Art "Gebärneid" dieser Männer zu sprechen: Sie wollen der Gebärfähigkeit von Frauen ihre Produktion von 'menschlichen Maschinen' entgegensetzen. Welch ein perverses Menschenbild hinter diesen Aussagen steckt, belegt ein Zitat des Ökonomie-Nobelpreisträgers Leontief aus dem Jahre 1984: "Wenn man Pferde durch Traktoren ersetzt, wird man die verbliebenen Pferde nicht besser behandeln - man entledigt sich ihrer… Wir haben die Pferde beseitigt, und heute ist die Lage der Menschen, grob gesagt, dieselbe wie die der Pferde…" Ingenieur- und Naturwissenschaftler sind aufgerufen, solchen unmenschlichen Denkweisen und Forschungsansätzen entgegenzutreten und die Grenzen ihres Fachs aufzuzeigen. Sie sollen ihr Wissen zur Verdeutlichung technischer Alternativen einsetzen und der Gesellschaft damit Handlungskompetenz zurückzugeben. Diese Handlungskompetenz muß gegen den entschlossenen Widerstand eines "technokratisch-industriellen Komplexes" gerade auch in NRW genutzt werden: In NRW finden gentechnische Freisetzungsversuche statt, wird die Digitalisierung des Telephonnetzes vorangetrieben, wird die gesellschaftsorientierte zugunsten der industrieorientierten Forschung zurückgedrängt.

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