Vergiftetes Land, verarmte Menschen

WestLB-Pipeline in Ecuador

von Werner Paczian
Schwerpunkt
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Bunt schillernde Ölseen, berstende Rohre, zerstörte Wälder, tote und kranke Menschen und ein Schwindel erregendes Schuldenloch - das Geschäft mit dem "schwarzen Gold" hat in Ecuador eine dreckige Spur hinterlassen. Mit dem Einstieg ins Ölgeschäft vor gut 30 Jahren begann für das Land ein fast beispielloser ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Niedergang.

Ausgerechnet die Westdeutsche Landesbank (WestLB), die dem Land NRW und den Landschafts- und Sparkassenverbänden gehört, ist jetzt federführend dafür verantwortlich, dass sich die Ölkatastrophe in Ecuador dramatisch verschärft. Die WestLB steht an der Spitze eines Bankenkonsortiums, das den Bau einer neuen Pipeline vom ecuadorianischen Amazonas bis zur Pazifikküste finanziert.

Das Projekt hat katastrophale ökologische Auswirkungen und bedroht über eine Million Menschen in Ecuador, weil ihre Lebensräume in Gefahr sind. Es gefährdet elf Schutzgebiete, darunter das weltweit einzigartige "Mindo-Nambillo"-Reservat, das zur ersten "Important Bird Area" Südamerikas erklärt wurde.

Um die neue Pipeline zu füllen, muss Ecuador seine derzeitige Ölproduktion fast verdoppeln. Das wird zu einem Boom bei der Suche nach neuen Ölquellen führen und die letzten uralten Amazonas-Regenwälder und die Gebiete noch weitgehend isoliert lebender indigener Völker zerstören.

Die WestLB verteidigt ihr geplantes Projekt mit den Worten, es sei "wirtschaftlich wichtig für das arme Land Ecuador." Ein Blick auf die ökonomischen Daten entlarvt die WestLB-Begründung als zynisch. Seit Ecuadors Einstieg ins Ölgeschäft hat sich die Zahl der unter der Armutsgrenze lebenden Menschen verdoppelt. Die Auslandsverschuldung des Landes stieg von 217 Millionen auf fast 17 Milliarden US-Dollar und ist heute die höchste pro Kopf in Lateinamerika.

Die WestLB-Pipeline ist ein geradezu klassisches Beispiel dafür, welche fatalen Auswirkungen die Globalisierung für die Armen, aber auch für einmalige Naturschätze haben kann. Eine Großbank aus Düsseldorf fördert die Ausbeutung von Ölvorkommen im Amazonas von Ecuador durch internationale Konzerne. Das Öl ist vor allem für die USA bestimmt. Die Erlöse aus den Ölexporten wandern größtenteils in den Schuldendienst. Zahlen müssen die Menschen in Ecuador: Mit der Vergiftung von Trinkwasser und Böden und der Zerstörung ihrer einzigartigen Naturschätze.

Unter anderem auf Betreiben von "Rettet den Regenwald" hat sich eine weltweite Koalition aus Umwelt- und Menschenrechtsgruppen gebildet, die das Projekt entschieden ablehnt. Und der Widerstand gegen die WestLB-Pipeline wächst stärker als die Düsseldorfer Banker je erwartet haben. Durch Bauplatzbesetzungen, Straßenblockaden und Demonstrationen sind die Bauarbeiten bereits erheblich verzögert worden.

Unterdessen ist der Kauf eines Sperrgrundstücks im Mindo-Reservat ein gutes Stück voran gekommen. "Rettet den Regenwald" hat schon 70.000 Euro Spendengelder erhalten, amerikanische Umweltgruppen beteiligen sich bisher mit 20.000 Euro. Der Kaufpreis beträgt etwa 120.000 Euro. Die Ölpipeline soll über einen schmalen Berggrat entlang des 800 Hektar großen Sperrgrundstücks gebaut werden.

Neben verschärften Protesten sieht sich die WestLB mit zunehmenden wirtschaftlichen Problemen konfrontiert. Manipulierte Angaben über Ölreserven, illegale Garantien und finanzielle Schwierigkeiten der Ölfirmen gefährden gar die Rückzahlung des Pipelinekredits an die WestLB. Gleichzeitig entpuppt sich die für das Projekt erstellte Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) immer mehr als Farce. Sie enthält nicht nur gravierende Mängel - die vermeintlich unabhängige Firma Entrix, die die UVP erstellt hat, ist eng mit OCP (Oleoducto de Crudos Pesados, dt. Pipeline für schweres Rohöl) verflochten. Der Geschäftsführer von Entrix Ecuador, Miguel Aleman, hat wiederholt öffentlich die Belange von OCP vertreten. Seine Visitenkarte weist ihn zudem als Angestellten von OCP aus. Zu erreichen ist Miguel Aleman unter der Telefon- und Faxnummer von OCP.

Wegen solcher Verstöße gegen elementare rechtsstaaliche Prinzipien schon bei der Planung der WestLB-Pipeline wächst die Wut der betroffenen Bevölkerung, und der aktive Protest nimmt ständig zu. Nach Augenzeugenberichten aus Ecuador fahren Regierung und Ölfirmen einen zunehmend härteren Kurs. Die Bauarbeiten zur WestLB-Pipeline werden mittlerweile von Spezialeinheiten der Polizei bewacht. Die Einsatzkräfte sollen dabei direkt unter dem Befehl des OCP-Konsortiums stehen, den Geschäftspartnern der WestLB. Einschüchterungen von Pipelinegegnern und gewaltsames Betreten von privaten Grundstücken gehören entlang der Trasse zum Alltag.

Trotzdem haben die Menschen in Ecuador bei ihrem Kampf kürzlich einen riesigen Erfolg verbucht. Der Kanadier Robert Goodland, der international als "Papst der Weltbank-Standards" gilt, hat in einem unabhängigen Gutachten bescheinigt, dass die WestLB-Pipeline eklatant gegen die Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank (WB) verstößt. Das Düsseldorfer Geldinstitut hatte hingegen stets behauptet, diese Standards würden eingehalten.

Die Studie habe "substantielle Nichtübereinstimmung mit allen vier zutreffenden Sozial- und Umweltstandards der Weltbank ergeben", so Goodland. Die UVP zur Pipeline habe es versäumt, nach der Route mit den geringsten Schäden zu suchen. Vor allem aber übergehe die UVP die wichtigsten Auswirkungen der Pipeline, besonders die Verdoppelung der Ölproduktion im Amazonas.

Weiter fand Goodland heraus, dass die UVP gegen die WB-Richtlinie zum Schutz natürlicher Habitate und die Richtlinie zu Zwangsumsiedlungen verstößt. Sinngemäß schreibt Goodland, die Pipeline werde mit illegalen Methoden durchgedrückt. Schließlich, so der kanadische Gutachter, verstoße die Pipeline gegen die WB-Richtlinie zum Schutz indigener Völker.

Der Tropenökologe Dr. Robert Goodland gilt als "Papst der WB-Standards", weil er 25 Jahre für die in Washington sitzende Bank gearbeitet hat. Während dieser Zeit hat Goodland einen Großteil der Umwelt- und Sozialstandards der WB selbst entwickelt.

Robert Goodland hat die Verstößte der WestLB-Pipeline gegen WB-Standards exakt benannt. Beispiel: Die gravierendsten sozialen und ökologischen Auswirkungen werde das Projekt für ethnische Minderheiten, die tropischen Regenwälder und die Armen haben. Goodland geht davon aus, dass es bei den ethnischen Minderheiten zu Unterernährung kommen wird, weil ein Teil ihrer natürlichen Ressourcen vernichtet werde: Fische, Früchte und andere Waldprodukte. Der Grund seien die Verseuchung von Wasser, Böden und Luft durch Ölabfälle.

Weiter werde es in den Wäldern zu einem unwiederbringlichen Verlust bei der Artenvielfalt kommen. "Unsachgemäße Lagerung von Ölabfällen sind an der Tagesordnung, so dass die verseuchte Fläche in den vergangenen 30 Jahren dramatisch zugenommen hat." Auf sozialer Ebene sieht Goodland die größten Verstöße gegen WB-Standards entlang der Pipeline-Route. "Wir haben viele betroffene Familien und Volksvertreter interviewt, die berichten, OCP oder seine Subunternehmen hätten sie betrogen", schreibt Goodland und führt Beispiele an: Von OCP zugesagter Schadensersatz werde nicht oder nur teilweise gezahlt. Es habe brutale Polizeieinsätze gegen Leute gegeben, die sich weigerten, mit OCP einen Vertrag zu unterschreiben. Dabei sei Tränengas auch gegen Kinder und Frauen eingesetzt worden. Die Polizei werde teilweise direkt von OCP bezahlt. Mordanschläge habe es gegen den Bürgermeister von Lago Agrio und den Präfekten der Provinz Sucumbios gegeben, die beide OCP scharf kritisiert haben.

Der Verstoß gegen die WB-Standards bedeutet nach Einschätzung von "Rettet den Regenwald" für die betroffenen Menschen, dass ihre Lebensgrundlage zerstört wird - Böden, Wasser und Luft werden vergiftet. Dort wo die Menschen überwiegend vom aufstrebenden Naturtourismus leben, vor allem im Mindo-Schutzgebiet, wird ihr einziges Kapital vernichtet - die noch intakten Regenwälder der Region.

Der Verstoß bedeutet weiter eine Missachtung indigener Rechte. Das Öl, dass durch die Pipeline gepumpt werden soll, wird im Amazonas in Schutzgebieten von internationaler Bedeutung gefördert, darunter der Yasuni-Nationalpark, dem Territorium von indigenen Völkern. Dort erfolgt die Ölförderung, obwohl der Yasuni-Park von der UNESCO zum Biosphären-Reservat erklärt wurde.

Die WestLB muss sich den schlimmen Vorwurf gefallen lassen, dass sie es fahrlässig - oder vielleicht sogar vorsätzlich - versäumt hat, ein unabhängiges Gutachten vor Vertragsunterzeichnung einzuholen. Deswegen finanziert sie heute ein Projekt, das für schwerste Menschenrechtsverletzungen und schlimmste Naturzerstörungen verantwortlich ist.

Wer nach dem Goodland-Gutachten das Projekt weiter unterstützt oder durch Nichtstun duldet - das gilt auch für den neuen NRW-Ministerpräsidenten Steinbrück - macht sich vorsätzlich mitschuldig an einem Verbrechen an den Menschen in Ecuador.

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Werner Paczian ist freier Journalist und lebt in Münster.