Redebeitrag von Marvin Mendyka (Netzwerk Friedenskooperative) für die Hiroshima-Gedenkveranstaltung am 5. August 2017 in Köln

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

als sich die G20 vor einem Monat in Hamburg getroffen haben, wurde eine Entscheidung von historischem Ausmaß gefällt. Aber nicht in Hamburg, sondern in New York. Dort haben 122 Staaten bei den Vereinten Nationen einen Vertrag verabschiedet, der Atomwaffen völkerrechtlich verbindlich verbietet. Das ist ein großer und wichtiger Schritt in Richtung einer atomwaffenfreien Welt. Endlich konnte eine völkerrechtliche Lücke geschlossen werden. Denn während biologische und chemische Waffen bereits seit langer Zeit verboten sind, waren es Atomwaffen noch nicht. Der Vertrag verbietet nicht nur den Besitz und Einsatz von Atomwaffen, sondern auch das Testen, Produzieren, Lagern und Stationieren von Atomwaffen. Das ist auch für Deutschland relevant. Denn noch immer sind etwa 20 US-amerikanische Atomwaffen auf dem rheinland-pfälzischen Fliegerhorst Büchel stationiert.

Erwartungsgemäß habe die Atomwaffenstaaten sowie die allermeisten ihrer Verbündeten die Verhandlungen boykottiert. So auch Deutschland. Als Grund wurde dafür wurde zum einen angeführt, dass der Vertrag den bereits bestehenden Atomwaffensperrvertrag schädigen könnte. In diesem Vertrag wird u.a geregelt, dass die Nicht-Atomwaffenstaaten Atomtechnologie ausschließlich für zivile Zwecke nutzen dürfen. Kontrolliert wird dies durch die Internationalen Atomenergie-Organisation, die IAEO. Nur so kann sichergestellt werden, dass die atomwaffenfreien Staaten nicht heimlich Atomwaffen entwickeln.

Zum anderen wurde als Grund für Deutschlands Boykott angeführt, dass es doch wenig Sinn ergäbe ohne die Atommächte über Abrüstung zu verhandeln.

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

die Argumente, die von Seiten der Regierung gegen die Teilnahme an den Verhandlungen angeführt wurden, sind allesamt nicht stichhaltig und zeugen davon, dass ihre Bekundungen für eine Welt ohne Atomwaffen nicht viel Wert sind.

Wenn es der Regierung so wichtig gewesen wäre, dass der Verbotsvertrag kompatibel mit dem Atomwaffensperrvertrag ist, dann hätte sie zumindest an den Verhandlungen teilgenommen um sicherzustellen, dass die beiden Verträge im Einklang miteinander sind, anstatt die Verhandlungen zu boykottieren. So haben es auch die Niederlande getan. Im Übrigen ist der Atomwaffenverbotsvertrag, wie er im Juli verabschiedet wurde, mit dem Atomwaffensperrvertrag kompatibel. Auch das zeigt, dass dieses Argument der Regierung aus der Luft gegriffen war.

Zu dem Argument, dass es ohne die Atomwaffenstaaten keinen Sinn ergäbe über Abrüstung zu verhandeln, lasst mich folgendes sagen: Wenig Sinn macht es noch länger auf die Atomwaffenstaaten zu warten, bis sie endlich von sich aus Abrüsten wollen. Wer das tun will, kann noch bis zum Sankt-Nimmerleinstag warten. Schon im Atomwaffensperrvertrag haben die Atommächte zugesagt, ihre nuklearen Arsenale abzurüsten. Das war 1970 – also fast vor einem halben Jahrhundert. Und trotzdem gibt es noch immer weltweit 15.000 Atomwaffen. Die meisten sind russische oder US-amerikanische. 15.000 – Das sind so verdammt viele Atomwaffen, dass man die Erde nicht nur einmal, sondern zig-fach unbewohnbar machen könnte.

Ein weiteres „Argument“, das Außenminister Gabriel vorgebracht hat, war, dass die Verhandlungen „gesinnungsethisch“ seien und Deutschland deshalb nicht teilgenommen hat. Doch ich muss gestehen, dass sich mir der Sinn dieses Einwands nicht im geringsten erschließt.

Waren die Verhandlungen und der inzwischen verabschiedete Verbotsvertrag also wirklich sinnlos? War das ganze Unterfangen naiv? Ich meine: Nein. Der Atomwaffenverbotsvertrag ist ein wichtiger Schritt, um endlich Druck auf die Atommächte auszuüben, damit sie ernsthafte Abrüstungsschritte unternehmen. Sobald der Verbotsvertrag in Kraft tritt, gibt es eine völkerrechtlich bindende Norm, die Atomwaffen verbieten. Und die Atommächte werden sich dann ganz eindeutig auf der falschen Seite des Rechts befinden. Auch bei den Verboten von anderen Waffengattungen, waren die Besitzerstaaten am Anfang nicht mit dabei. Warum sollte es also bei dem Atomwaffenverbotsvertrag nicht funktionieren.

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

lasst mich zum Abschluss kommen. Als die Nicht-Teilnahme Deutschlands an den Verhandlungen auf Antrag der Fraktion der Linken und Grünen im Bundestag debattiert wurde, sagte die Rednerin der Unionsfraktion, Katja Leikert:

„Wir alle wissen, dass es sich rein um eine Initiative der Nichtkernwaffenstaaten handelt. Das ist ein bisschen so, als wenn sich die Mäuse eines Viertels dazu verabreden, etwas gegen die Katzen zu tun“.

Ich finde, da hat Frau Leikert ganz recht! Es ist höchste Zeit, dass wir etwas gegen die Atomkatzen unternehmen. Morgen jährt sich der Atombombenabwurf auf die Stadt Hiroshima zum 72. Mal. Dort , und drei Tage später in Nagasaki, haben wir gesehen, welch fatalen Folgen der Einsatz von Atomwaffen hat. Etwa 240.000 Menschen starben bei den Angriffen und in deren Folge. Wir können nur hoffen, dass sich dies niemals wiederholt. Doch Abwarten und darauf zu hoffen ist eine schlechte Strategie. Es ist überhaupt keine Strategie!

Hiroshima und Nagasaki mahnen!

Deshalb, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, lasst uns den Aufstand der Mäuse gegen die Atomkatzen wagen!

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!