Kundgebung zum Hiroshima-Tag 2022

August 1945: US-Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki

Am 6. August 1945 warf ein US-Bomber eine Atombombe über Hiroshima ab. In der folgenden riesigen Explosions- und Hitzewelle wurden ungefähr 80 Prozent der japanischen Hafenstadt sofort zerstört. Am 9. August fiel eine weitere Atombombe auf
Nagasaki. Insgesamt wurden 200 000 Menschen getötet und über 100 000 verwundet, darunter auch viele Zwangsarbeiter aus Korea und China. In den Jahrzehnten danach und bis heute gab es unzählige Opfer aufgrund der langfristigen Strahlenfolgen.
Zum Zeitpunkt der Bombenabwürfe stand die Kapitulation Japans ohnehin bevor. Ziel der US-Führung war nicht die Beschleunigung der Kapitulation, sondern eine Demonstration ihrer Macht – und ein Test der beiden Bomben unterschiedlicher Bauart unter realen Bedingungen. Für diese Kriegsverbrechen wurden die USA nie zur Verantwortung gezogen.

Über die Folgen für die Überlebenden verordneten die Sieger Schweigen. Der japanischen Regierung und Bevölkerung war es nicht erlaubt, Informationen dazu aufzuzeichnen und zu veröffentlichen. Die Strahlenkrankheit war zu dieser Zeit nicht nur in Japan gänzlich unbekannt. Niemand konnte den betroffenen Menschen helfen, man konnte nur versuchen, die entsetzlichen Qualen zu lindern. US-amerikanische Ärzte und Forscher kamen ins Land – nicht um zu helfen, sondern um Daten zu erfassen.

Atombombe und Atomkraftwerk: Zwei Seiten einer Medaille

Der Atomwaffensperrvertrag (auch Nuklearer Nichtverbreitungsvertrag, NVV), der 1970 in Kraft trat, stellt grundsätzlich fest, dass Atomwaffen die Menschheit insgesamt gefährden. Die Atomstaaten – inzwischen zählten dazu neben den USA auch die
Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich und China – verpflichteten sich, Atomwaffen nicht an andere Staaten weiterzugeben und in naher Zukunft Verhandlungen über wirksame Maßnahmen zur nuklearen Abrüstung zu führen. Im Gegenzug verpflichteten sich die Nicht-Atomstaaten, auf Nuklearwaffen zu verzichten. Der NVV enthält zudem die Vereinbarung, Erforschung, Erzeugung und Verwendung der Kernenergie für friedliche Zwecke weltweit zu fördern – unter Wahrung der Gleichbehandlung. Kontrollen durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) sollten sicher-stellen, dass die Nicht-Atomwaffenstaaten das Verbot atomarer Aufrüstung auch einhalten. Diese Verpflichtung zur Kontrolle suggerierte, dass die Förderung der Kernenergie nicht zur Verbreitung von Atomwaffen führen würde. Damit ermöglichte der NVV den profitablen globalen Export von Atomkraftwerken (AKWs).

Doch wer die Technik zur Energieerzeugung importiert, erwirbt damit zugleich technische und materielle Voraussetzungen zum Bau von Atombomben! Das sind die zwei Seiten der einen Medaille: Staaten, die den Angriff einer Atommacht befürchten, bemühen sich darum, Kenntnisse und Fähigkeiten zum Umgang mit nuklearem Material ins Land zu holen. Vor allem aus diesem Grund werden AKWs zur Stromerzeugung eingesetzt – trotz der Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima und gegen
jede wirtschaftliche Vernunft. Atomkraft ist die teuerste Art der Energieerzeugung, doch solange es Atomwaffen gibt, werden weitere Staaten die Atomtechnik übernehmen und ausbauen, um mit einem atomaren Gegenschlag drohen zu können.

Einige sind „gleicher“ als andere

In der öffentlichen Debatte wird mit zweierlei Maß gemessen: Als Unterzeichnerstaat des NVV hat der Iran wie alle anderen Staaten das Recht auf Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung und für wissenschaftliche und medizinische Zwecke. Dennoch ist das Land wegen seiner Atomanlagen seit Jahren umfassenden und zerstörerischen Wirtschaftssanktionen ausgesetzt: Dem Iran wird vorgeworfen, den Bau von Atomwaffen vorzubereiten. Dass Israel seit Jahrzehnten über Atomwaffen verfügt, von denen sich nicht nur Iran bedroht fühlt, wird demgegenüber nicht thematisiert. Statt den Iran und seine Bevölkerung mit Wirtschaftssanktionen zu schädigen, sollten Verhandlungen über einen atomwaffenfreien Nahen Osten aufgenommen und dabei auch die Atomwaffen Israels einbezogen werden!

Auch andere Staaten im Nahen Osten, die eigentlich aufgrund von Erdöl- und Erdgasvorkommen, aber auch wegen der guten Bedingungen zur Erzeugung von Solarund Windenergie keinerlei Bedarf an Atomstrom haben, planen AKWs: Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien und die Türkei; in den Vereinigten Arabischen Emiraten sind zwei Reaktorblöcke bereits in Betrieb. Auch weltweit sind immer noch zahlreiche AKWs geplant oder im Bau. Die Frage der „Endlagerung“ der gefährlichen hochradioaktiven Abfälle, die über Jahrtausende gesichert werden müssen, bleibt ungelöst.

Renaissance der Atombombe

Die Atomwaffenstaaten rüsten auf. Die weltweit größte Militärmacht USA modernisiert ihre Atombomben und Trägerwaffen mit Milliardenbeträgen – und zwingt damit potenzielle Gegner nachzuziehen. Die enorm einflussreichen US-Rüstungsproduzenten erwarten riesige Profite. Um diese Pläne durchzusetzen, braucht es aber vor allem Feindbilder: Nicht erst seit dem Ukraine-Krieg dient dazu Russland, und zunehmend wird auch China systematisch als gefährlicher und aggressiver Gegner dargestellt.

Doch es ist nicht Russland, das sich aus internationalen Überwachungs- und Abrüstungsvereinbarungen zurückgezogen hat: Es waren die USA, die 2019 den INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme aufkündigten, der 1987 zwischen den USA und der Sowjetunion vereinbart worden war und weitreichende Inspektions- und Kontrollmechanismen vorsah; dieser Vertrag hatte tatsächlich zur Vernichtung einer ganzen Kategorie von Atomwaffen geführt. Die russische Regierung strebt weiterhin Gespräche und Vereinbarungen über atomare Abrüstung an. Noch viel weniger als die ehemalige Sowjetunion hat Russland das militärische und ökonomische Potenzial, ein atomares Wettrüsten auf Dauer durchzuhalten. Doch mit dem Krieg in der Ukraine ist Russland zum internationalen Paria-Staat gemacht geworden – und die USA müssen sich auf internationale Abrüstungsvereinbarungen nun nicht mehr einstellen.

Auch China sieht sich zur atomaren Aufrüstung gezwungen: Das Land verfügt inzwischen über etwa 350 Atomsprengköpfe, weniger als Frankreich und England zusammen – weltweit gibt es etwa 12.700 Atomsprengköpfe, 90 Prozent davon im Besitz von Russland und den USA.

Krieg in der Ukraine: Gefahr durch Atomkraftwerke

Der Krieg in der Ukraine birgt die Gefahr eines atomaren Schlagabtausches. Russland ist Atommacht – und in Europa, auch in Deutschland, lagern US-Atombomben, die vorrangiges Ziel wären, sollte Russland einen Atomschlag der NATO befürchten.

Doch eine solche Entwicklung ist viel weniger wahrscheinlich, als ein ganz anderes Szenario: Trotz der Katastrophe von Tschernobyl setzt die Ukraine vorrangig auf Atomstrom und betreibt in 4 AKWs insgesamt 15 Reaktoren. Wird im Krieg ein Reaktor von einer Bombe, Rakete oder durch Beschuss mit schweren Waffen getroffen (das kann auch versehentlich geschehen), kann dies ein zweites Tschernobyl bedeuten. Wird das Stromnetz durch Kampfhandlungen lahmgelegt oder beschädigt und funktioniert auch das Notstromaggregat nicht mehr, kann der Reaktor nicht mehr abgeschaltet werden – mit Folgen wie in Fukushima. Durch den Verlust von Kühlwasser kann er so stark erhitzen, dass es zu Explosionen kommt. Auch Waldbrände in der Nähe von Reaktoren sind eine große Gefahr.

Wie seinerzeit bei der Katastrophe in Tschernobyl würde der Wind radioaktive Partikel in weite Teile Europas tragen, die auch hier zur Verseuchung von Böden und zu Strahlenschäden bei Pflanzen, Tieren und Menschen führen würden.

AKWs bergen nicht nur bei Naturkatastrophen wie in Fukushima, die mit dem Klimawandel erheblich zunehmen, sondern auch im Fall von Kriegen ein riesiges Gefahrenpotential. Diese Technik darf nicht verbreitet werden – sie muss aus der Welt!

Europäische (Atom-)Ambitionen?

Nach dem Brexit ist Frankreich – viertgrößte Atommacht der Welt – das einzige EU-Land mit eigenen Atomwaffen. Das Land verfügt über zwei nukleare Waffensysteme, seegestützte ballistische Raketen, die auf atombetriebenen U-Booten stationiert sind, und Luft-Boden-Raketen mittlerer Reichweite, die derzeit zu hohen Kosten modernisiert werden. Nicht zuletzt in Hinblick auf eine Beteiligung an diesen Kosten wird von französischer Seite betont, dass die französische Atomrüstung als Kern einer anzustrebenden europäischen Atommacht anzusehen sei.

Zu den Modernisierungsplänen passt die expansive Politik Frankreichs in Bezug auf AKWs. Auch hier sind sie in die Jahre gekommen, wegen Wartungsarbeiten und technischen Problemen sind derzeit nur noch 27 von 56 Atomreaktoren in Betrieb.Doch Präsident Macron will das Land sogar noch stärker in die Abhängigkeit vom Atomstrom führen. Im Februar 2022 kündigte er eine „Renaissance der Kernenergie“ an, den Bau von 6 neuen Druckwasserreaktoren bis 2050, die Prüfung von 8 weiteren Standorten und eine Laufzeitverlängerung bestehender Kraftwerke. Eine Milliarde Euro soll zudem in die Entwicklung neuartiger kleiner Reaktoren investiert werden. Der hochverschuldete Energiekonzern EDF soll ganz in staatlichen Besitz übergehen.

In Frankreich lässt sich immer noch der perfide Gedanke der „Umweltfreundlichkeit“ der Kernenergie durchsetzen: Sie trage nicht zum Ausstoß von CO2 bei. Abgesehen davon, dass dies allenfalls gelten kann, wenn die reine Energieerzeugung eingerechnet wird, nicht aber Abbau und Transport von Uran, Wiederaufbereitung der Brennelemente und Abbau/Entsorgung der Kraftwerke, werden die Strahlen- und Unfallgefahren ignoriert. Die aber steigen drastisch mit dem Alter der Anlagen.

Die derzeit propagierten ehrgeizigen Förderpläne für Wasserstoff als Antrieb für LKWs, Flugzeuge, Schiffe und in der Industrie passen in diesen Zusammenhang: Wie die Regierung Frankreichs stellt die Atomlobby die Atomenergie als „kohlenstoffarm“ und „nachhaltig“ dar und als idealen Partner für die Wasserstofferzeugung!

Die Energie- und Militärpolitik der deutschen Regierung Scholz ist komplementär zu diesen Plänen in Frankreich. Für Scholz spielen beide Länder eine „wichtige Rolle für die Zukunft Europas“. Er propagiert als europäisches Ziel die Energieunabhängigkeit und die „vollständige CO2-Neutralität“ bis 2045. Die Zukunft liege im Wasserstoff. Das klingt nach sauberer umweltpolitischer Haltung – lässt sich aber mit den atompolitischen Plänen in Frankreich sehr gut vereinbaren!

Schon Ende 2018 stimmte Scholz den Plänen Macrons zu, eine europäische Armee zu schaffen. Inzwischen fordert er, die EU solle zum „geopolitischen Akteur“ werden und ihre Militarisierung forcieren. Das „Sondervermögen“ werde die Bundeswehr zur wohl größten konventionellen Armee im europäischen NATO-System machen. Für den SPD-Vorsitzenden Klingbeil wird es Zeit, dass Deutschland nach knapp 80 Jahren „Zurückhaltung“ jetzt „den Anspruch einer Führungsmacht“ hat. Die Bundesrepublik müsse „ein souveränes Europa massiv vorantreiben“. Es gelte, „auch militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen“.

Atomwaffen abschaffen, Atomkraftwerke abbauen!

Der einzige Schutz vor weiterer nuklearer Verseuchung der Erde besteht in der Vernichtung aller Atomwaffen, dem Abbau aller AKWs und der internationalen Kontrolle aller Strahlenquellen aus militärischer und „friedlicher“ Nutzung.

Wir fordern von der Bundesregierung:

  • Unterzeichnung und Ratifizierung des UN-Atomwaffenverbotsvertrags
  • Abzug, nicht Modernisierung der in Büchel lagernden US-Atombomben
  • Schnellstmöglicher Abbau aller AKWs in Deutschland sowie Schließung der Atomanlagen in Gronau, Lingen und Garching
  • Absage an eine europäische atomare Aufrüstung
  • Demilitarisierung statt Militarisierung Deutschlands und der EU

 

Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung, www.hamburgerforum.org