Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2022 in Bremen

 

- Sperrfrist: 6.8., Redebeginn: 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Es gibt kein Recht zu schweigen!

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir verneigen uns an diesem Tag vor den Opfern der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki. Wir gedenken dabei auch den Millionen weiterer Opfer durch die vor allem oberirdischen Atomtests in den Jahrzehnten, die folgten.

Ich frage mich, wie soll man sich vorstellen, dass die Stadt, in der man wohnt, in der man seine Freundinnen und Freunde hat, auf einmal nicht mehr existiert. Die kleine Setsuku, die lebenslang ihre Geschichte erzählt, und die als einzige Schülerin der gesamten Schule am 6. August 1945 den Atombombenabwurf in Hiroshima überlebte, hat am 10. Dezember 2017 stellvertretend auch für uns Friedensaktivist*innen hier in Bremen für unsere Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen ICAN in Oslo den Friedensnobelpreis in Empfang genommen.

Unser Erinnern und unsere Arbeit hat dazu beigetragen, daß heute ein internationaler UN-Vertrag besteht, der „Atomwaffen-Verbotsvertrag". Hier wird zum ersten Mal völkerrechtlich verbindlich gefordert, daß den Opfern Hilfe und Entschädigung zusteht. Das ist der Erfolg auch von Euch hier, es ist ein Erfolg der Vielen an ganz vielen Enden dieser Welt. Und das Wichtigste: Atomwaffen sind verboten!

Deutschland und NATO hinken hinterher, sind bislang nicht Teil des Atomwaffen-Verbotsvertrages. Frau Ministerin Baerbock hat mir jüngst auf meine Nachfrage geantwortet, die einerseits geplante atomare Aufrüstung auf deutschem Boden, die neuen Atom-Bomber und die neuen Atom-Bomben, stationiert bei Koblenz, und andererseits die Verpflichtungen als deutscher „Nicht- Atomwaffen-Staat“ seien ein„Spagat“. Schauen wir ehrlich in den Spiegel: Diese Strategie in der so selbstgerechten NATO ist eine unzulässige Bagatellisierung einer Politik, die klar gegen den Geist völkerrechtlicher Vereinbarungen verstößt und juristisch nur mit Taschenspielertricks gerechtfertigt werden kann. Wenn aber die selbsternannte Wertegemeinschaft der westlichen Welt den Balken im eigenen Auge nicht sieht, wird die Verpflichtung - nicht nur „Ziel“, wie es die Bundesregierung nennt - nein, die im Artikel 6 des Atomwaffensperrvertrages festgelegte Verpflichtung zur weltweiten Abschaffung der Atomwaffen, dann werden wir das nicht erreichen. Aber hier sind Deutschland und weitere mehr als 190 Staaten der Welt einschließlich USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien eine Abrüstungs-Verpflichtung eingegangen.

Die fehlende ehrliche Auseinandersetzung mit den eigenen massiven Versäumnissen innerhalb der NATO sind für Länder wie Rußland ein willkommene Entschuldigung gewesen, ebenfalls nicht minder wahnwitzige Aufrüstungspläne anzugehen.

Ich erkenne an, dass die Bundesregierung als Beobachterin an der jüngsten Überprüfungskonferenz des Atomwaffen-Verbotsvertrages in Wien teilgenommen hat. Und das weitere Aktivitäten entfaltet werden sollen. Dazu zählt die Arbeit zur Unterstützung der Opfer des Atomzeitalters, allen voran den Testopfern in aller Welt. Wußten Sie, daß Frauen durch radioaktive Strahlung viel stärker betroffen sind als Männer? All dass muß genauer untersucht werden, um den Betroffenen zu helfen.

Dennoch bleibt: Wir fordern als Bürger*innen der Bundesrepublik Deutschland die Vollmitgliedschaft im neuen Atomwaffe-Verbotsvertrag. Daraus würde folgen: kontrollierte, überprüfbare atomare Abrüstungsmechanismen etablieren und den Abzug der US-Atomwaffen aus dem Nicht-Atomwaffenstaat Deutschland umsetzen.

Vielen Dank.

 

Dr. med. Lars Pohlmeier ist aktiv bei der IPPNW.