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Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2024 in Lüchow
- Sperrfrist: 6.8., Redebeginn: 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –
Liebe Freundinnen und Freunde,
Die akute atomare Strahlenkrankheit ist eine der schmerzhaftesten tödlichen Erkrankungen, die Menschen erleiden können.
Wer bei einem Atombomben-Einsatz nicht in Feuersturm und Druckwelle stirbt, erleidet bei dieser Krankheit einen Zusammenbruch der Blutbildung, des neuro-muskulären Systems, der Infektabwehr, der Darmtätigkeit. Innerhalb von Stunden oder Tagen kommt es zu unstillbaren Blutungen, Fieber, anhaltenden Durchfällen, Apathie, Bewegungsunfähigkeit. Medizinische Rettung ist nicht möglich.
Die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki sahen mit an, wie die Menschen, ihre Familien um sie herum verbrannten. Eingeklemmt unter Trümmern, blind vom Atomblitz, herumirrend mit herabhängender Haut qualvoll starben. Viele von ihnen beschrieben als lebenslange Scham und Albdruck, nicht haben helfen zu können.
In Hiroshima starben bis Ende 1945 140.000 Menschen an den unmittelbaren Folgen einer einzigen Bombe. In Nagasaki 74.000. Jeweils über 60% der Bevölkerung. 10 Tausende starben an Langzeitfolgen. Noch heute haben Menschen in beiden Städten ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu erkranken.
Die US-Militärführung wählte Hiroshima und Nagasaki als Orte des Abwurfs, um die Auswirkung der neuartigen Bombe besser testen zu können: beide Städte waren noch unzerstört. Menschen wiegten sich in Sicherheit. Zuvor war in den USA Brennbarkeit an Modellbauten japanischer Holzbauweise getestet worden.
Menschen zu verbrennen, gehört nicht in eine Welt der Aufklärung und universellen Menschenrechte. Atomwaffen und jede Drohung mit ihnen gehören weltweit verboten ! 2017 haben 122 Staaten in der UN Vollversammlung für den AVV gestimmt. Deutschland war nicht dabei.
Laut einer Greenpeace Studie würde der Abwurf einer 20 kt Atombombe auf das Regierungsviertel in Berlin in einem Radius von 1,5 km 26.000 Menschen sofort töten und 73.000 schwer verletzen. Hinzu kämen unmittelbar 120.000 Toten durch den frühen Fallout. Folge einer einzige Atombombe der Stärke von Nagasaki. Der Radius mit Verbrennungen 3. Grades für Menschen im Freien läge bei 2 km zum Explosionsort. In diesem Radius lägen auch die Großklinik Charite und andere wichtige Versorgungseinrichtungen. Der elektro- magnetische Effekt der ionisierenden Strahlung würde innerhalb von Sekunden dauerhaften Schaden an Stromversorgung und Notstrom-Aggregaten anrichten. Und das bis zu 20 km weit. Fluchtwege brechen zusammen, intakte Gebäude sind im Radius von 6 km nicht mehr vorhanden. Auch bei Aufenthalt in Kellern oder intakten Gebäuden addiert sich die Strahlenbelastung mit Ankunft und Einwirkzeit der Fallout-Wolke ortsabhängig über Kilometer zur tödlichen Dosis. Die rechtzeitige Evakuierung großer Bevölkerungsgruppen setzt eine intakte Infrastruktur voraus, die es in Kriegszeiten nicht gibt und Rückzugsgebiete, die Deutschland nicht hat.
Nach dem soldatischen Abschlachten im 1. Weltkrieg war ein Argument für moderne Luftwaffe, mit gezielten Schlägen Kriege verkürzen und Opferzahlen geringer halten zu können. Dennoch gab es Flächenbombardements. Im März 1945 starben in Tokio in einer einzigen Nacht 100.000 Menschen durch Napalmbomben. Das Argument der Kriegsverkürzung durch die Atom-Bombe ist umstritten: In Fernost, nicht zuletzt in Vietnam entbrannten nahtlos lange, verlustreiche Kriege. Es wurde weiterhin um eine koloniale Weltordnung der Gewalt und Großmacht gekämpft, der politische Weg des Ausgleichs nicht gesucht.
Wohin soll es führen, wenn heute Regierungen erklären, mit Hyperschall-Raketen, Marschflugkörpern und gezielten Schlägen Kriege führen und gewinnen zu können ?? Wenn Verhandlungswege gekappt und Frühwarnsysteme ausgeschaltet werden, wenn KI die letzten menschlichen Hemmungen überspringt??
Moderne Raketen wie Iskander oder Tomahawk sind atomar bestückbar.
Müssen WIR nicht JETZT DAS FRÜHWARNSYSTEM SEIN ??!!
Bis heute erhielten die Überlebenden der Atombomben keine Entschädigung. Die Überlebenden sollten schweigen. Die USA fürchteten Kritik an den Abwürfen der Atombomben. Die japanische Regierung an ihrer imperialistischen Kriegsführung, die allein in China zu über 13 Millionen Kriegstoten führte. China steht nach der Sowjetunion an zweiter Stelle der Opferzahlen des Zweiten Weltkrieg. Im Westen selten wahrgenommen. In China unvergessen.
Zensur unterlag auch die erste Opfergruppe der Atombomben: die Opfer aus den Testgebieten und dem Uranabbau. Sie haben eins gemeinsam: sie sind weder reich noch weiß. Wie nach den Abwürfen sind sie doppelt so oft weiblich. Immer sind Kinder und Ungeborene atomar besonders verletzlich.
Aber wer interessierte sich schon für die Totgeburten, fehlgebildeten Neugeborenen, die „jellyfish-babies“ der Bewohnerinnen der Marshall-Inseln ? Das Leiden der Menschen in den entwurzelten, indigenen Gesellschaften in Nevada, dem australischen Outback, in Kasachstan oder Xinjiang, den besonderen sozialen Folgen für Frauen und Kinder? - Eine wirklich feministische Außenpolitik kann sich nicht auf Atomwaffen stützen!
„Atomwaffen sind Manifestation von großem Machtungleichgewicht und tiefgreifender Ungerechtigkeit. Sie spiegeln eine Welt wider, die von Gewalt beherrscht und von Macht gesteuert wird. Sie sind aus Kolonialismus und Fremdenfeindlichkeit entstanden“ Carlos Umana, IPPNW-Vorsitzender Costa Ricas
Das Leiden der anderen zu begreifen, ist ein Schlüssel heraus aus einer waffenstarrenden Welt-Unordnung. Es braucht Verstand und Mitgefühl, um Kriegslogik und Nuklearpolitik zu überwinden. Noch mehr Waffen werden ein zukunftsfähiges Europa, eine klimagerechte und menschliche Welt nicht schaffen. Starke widerständige Zivilgesellschaften sind Heilmittel und Frühwarnsysteme. Wir brauchen die Friedensbotschaft der Zivilgesellschaften und ihre widerständige Stärke. Auch Deutschland muss den Atomwaffenverbotsvertrag AVV unterschreiben.
Vielen Dank.
Elke Schrage ist aktiv bei der IPPNW.