200 Milliarden und mehr jährlich fürs Militär? Nicht mit mir!
Ich protestiere gegen die geplante massive Aufrüstung Deutschlands!
Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 9. August 2024 in Frankfurt
- Es gilt das gesprochene Wort –
Liebe Freundinnen und Freunde!
Die Erinnerung an Hiroshima und Nagasaki verpflichtet uns, uns aktiv für die atomwaffenfreie Welt einzusetzen.
Die Gefahr des neuen nuklearen Wettrüstens beschrieb UN-Generalsekretär Guterres im März dieses Jahres so:
„Atomwaffen sind die Waffen mit der höchsten Zerstörungskraft, die je erfunden wurden; sie haben das Potential, alles Leben auf der Erde zu vernichten. […] Für einen versehentlichen Einsatz braucht es nur einen Fehler, eine Misskalkulation, eine unüberlegte Handlung. […] Die Weltuntergangsuhr tickt laut genug, dass wir alle sie hören.“1
Anfang Juni wiederholte er seine Warnung: „Die Menschheit steht auf Messers Schneide; das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes ist höher als je seit dem Kalten Krieg.“ Er zog daraus den klaren Schluss: „Wir brauchen Abrüstung, jetzt.“2
Zu nuklearer Abrüstung hat sich Deutschland verpflichtet, schon vor knapp 50 Jahren mit dem Beitritt zum nuklearen Nichtverbreitungsvertrag.3 Alle Vertragsstaaten sagten in Artikel VI zu, „[…] in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft […]“.
Redliche Absicht?
Beendigung des nuklearen Wettrüstens?
In naher Zukunft?
Irgendetwas haben die Bundesregierungen in den letzten 49 Jahren falsch verstanden, sonst würden in Büchel in der Eifel keine Atomwaffen mehr lagern.
Vermutlich 15 Atombomben der USA werden auf dem deutschen Fliegerhorst vorgehalten. Ins Ziel gebracht würden sie nach einem Einsatzbefehl des US-Präsidenten mit deutschen Tornados, von deutschen Piloten. Die üben das regelmäßig, u.a. im jährlichen NATO-Großmanöver »Steadfast Noon«. Das passiert im Rahmen der »nuklearen Teilhabe« der NATO.4 Außer den Stationierungsländern (Belgien, Deutschland, Italien, Niederlande, Türkei) beteiligen sich an den Manövern zahlreiche weitere NATO-Länder, z.B. mit logistischer Unterstützung und Tankflugzeugen.
Deutschland und die NATO argumentieren mit »Abschreckung«. Die ist aber völkerrechtswidrig, denn Abschreckung bedeutet die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen. Hierzu erklärte der Internationale Gerichtshof (Den Haag) in einem Rechtsgutachten vor 28 Jahren, dies sei „generell im Widerspruch zu […] den Prinzipien und Regeln des humanitären Völkerrechts […]“.5
Die Bundesregierung ficht das nicht an. Sie plant für weitere Jahrzehnte mit nuklearer Teilhabe und bestellte dafür in den USA neue Atombomber, nämlich Kampfjets des Typs F-35. Außerdem wird der Fliegerhorst Büchel fit gemacht für diese Flugzeuge – und für einen neuen Bombentyp, die B61-12. Die ist etwas kleiner in der Sprengkraft, aber lenkbar und zielgenauer. In der Philosophie der nuklearen Krieger ist die neue Bombe also »einsetzbarer« als der alte Typ.
Einsetzbar, eine Atombombe? Was für ein Zynismus!
Und nun sollen wieder Mittelstreckenraketen nach Deutschland kommen. Zwar nicht mit nuklearen Sprengköpfen,6 aber mit klarer strategischer Absicht und Reichweiten bis Moskau.
Verteidigungsminister Pistorius zufolge bringen die Raketen eine »Fähigkeit«, die Deutschland abhanden gekommen sei, nämlich abschrecken zu können.
Herr Pistorius irrt. Mehr Rüstung bringt nicht mehr Sicherheit, sondern mehr Eskalation und höhere Kriegsgefahr!
Der Bürgermeister von Nagasaki, Shiro Suzuki, sagte7 heute Morgen bei den Feierlichkeiten zum 79. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf die Stadt: „Wir sind heute damit konfrontiert, dass die wichtige Norm, an die wir uns bisher gehalten haben“ – er meint damit die Norm, nie wieder Atomwaffen einzusetzen – „immer mehr abhanden kommt“. Er appelliert an die Führer der Atomwaffenstaaten und der Staaten unter »nuklearem Schutzschirm«, einen mutigen Richtungswechsel zu vollziehen hin zur nuklearen Abrüstung. Diesem Appell schließen wir uns heute an. Und von der Bundesregierung fordern wir,
- den Abzug der Atomwaffen aus Büchel!
- die Aufgabe der nuklearen Teilhabe!
- den Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag! und
- weder Stationierung noch Eigenentwicklung und -bau von Mittelstreckenwaffen!
Sie, die sie zu diesem Gedenken vor die Paulskirche gekommen sind, lade ich herzlich – herzlich und auch dringlich – ein, sich am 12. Oktober in Nörvenich an dem Protest gegen das diesjährige »Steadfast Noon«-Manöver der NATO zu beteiligen.8
Nie wieder Hiroshima!
Nie wieder Nagasaki!
Danke für’s Zuhören.
Regina Hagen ist aktiv beim Darmstädter Friedensforum.
Anmerkungen:
- (1) UN News (2024): Guterres urges disarmament now as nuclear risk reaches ‘highest point in decades’. 18.3.2024; https://news.un.org/en/story/2024/03/1147666.
- (2) Arms Control Association (2024): Remarks from UN Secretary-General António Guterres, Washington D.C., 7.6.2024; https://www.armscontrol.org/2024AnnualMeeting/UNSG-Remarks.
- (3) https://www.atomwaffena-z.info/glossar/begriff/nichtverbreitungsvertrag-nvv
- (4) https://www.atomwaffena-z.info/glossar/begriff/nukleare-teilhabe
- (5) Internationaler Gerichtshof (1996): Rechtsgutachten »Legalität der Bedrohung durch oder Anwendung von Atomwaffen« vom 8. Juli 1996. In: IALANA (Hrsg.) (1997): Atomwaffen vor dem Internationalen Gerichtshof.LIT-Verlag 1997.
- (6) Siehe auch: https://www.atomwaffena-z.info/glossar/begriff/internationaler-gerichtsh...
- (7) 2024 Nagasaki Peace Declaration; https://www.city.nagasaki.lg.jp/heiwa/3070000/307100/p036984_d/fil/en.pdf.
- (8) Siehe dazu https://friedensdienst.de/lokale-friedensarbeit/termine/nato-atomkriegsm....