Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 9. August 2024 in Frankfurt

 

- Sperrfrist: 9.8., Redebeginn: 17 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Freunde,

uunächst möchte ich um all jene trauern, die in Hiroshima und Nagasaki ihr Leben verloren haben, und um all jene, die noch immer unter den Auswirkungen von Atomwaffen leiden.

Diese Atomkriege dürfen sich nirgendwo auf der Welt wiederholen, und eine Eskalation zum Atomkrieg, in welcher Form auch immer, darf niemals zugelassen werden.

Heute möchte ich die Gelegenheit nutzen, nicht um über die sekundären Gefahren zu sprechen, die von Atomwaffen ausgehen, aber die vielleicht im Moment noch keine sichtbare nukleare Bedrohung darstellen, die aber langsam aber sicher jeden Menschen auf dem Planeten betreffen werden.

Die Einleitung von kontaminiertem Kühlwasser aus dem zerstörten Fukushima Daiichi-Kernkraftwerk in den Pazifischen Ozean.

Vom 28. Juni bis zum 16. Juli erfolgte in Fukushima die siebte Einleitung von nuklear verseuchtem Wasser, die im August letzten Jahres begann. Jedes Mal wurden 7.800 Tonnen abgelassen, insgesamt etwa 55.000 Tonnen.

Die Medien weltweit wiederholen die Positionen und Erklärungen der japanischen Regierung und von TEPCO. Die Staats- und Regierungschefs der G7-Länder, einschließlich der Vereinigten Staaten, dulden Japans Ableitung von kontaminiertem Wasser. Diese Duldung basierte auf dem IAEO-Bericht, der ausschließlich auf von TEPCO zur Verfügung gestelltem Material verfasst wurde. Der Bericht untersuchte weder die Auswirkungen der Ableitung auf das Ökosystem noch auf die Menschen und wollte niemanden zur Verantwortung ziehen. Dadurch wurden die Stimmen des Widerstands aus aller Welt übertönt.

Die scharfe Kritik und die eindringlichen Warnungen von Greenpeace und IPPNW (Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs) sowie von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, einschließlich Südkorea, den Vereinigten Staaten und Australien, wurden begraben.

Die Regierung und die Medien sagten einfach: Es ist sicher, es ist die einzige Möglichkeit, mit atomar verseuchtem Wasser umzugehen. Es ist sauber genug, um es zu trinken, sagen sie.
Aber ist es das wirklich?
Was ist die Begründung für das Ableiten des kontaminierten Abwassers?

1. Es gibt keinen Platz für die Lagerung des kontaminierten Wassers:

Das Erdbeben und der Tsunami von 2011 führten zu Unfällen in den Reaktoren 1 bis 4. Dennoch sind die Reaktoren 5 und 6 weiterhin in Betrieb.

Japan bereitet derzeit den Standort für die Fertigstellung der Blöcke 7 und 8 vor. Es gibt also ausreichend Platz für neue Kraftwerke, aber keinen Platz für die sichere Lagerung von Atommüll?

2. Es ist die einzige Lösung:

Mindestens vier andere Entsorgungsoptionen wurden von weltweit anerkannten Wissenschaftlern vorgeschlagen und dies ist die unverantwortlichste, gefährlichste aber vor allem wirtschaftlich günstigste Lösung für die japanische Regierung und TEPCO.

3. Von den radioaktiven Nukliden verbleibt im behandelten Wasser nur Tritium.

In einem normal arbeitenden Kernkraftwerk werden Tritium und sechs weitere Nuklide freigesetzt. In Fukushima hingegen wurden aufgrund der Reaktorschmelze mindestens 64 Nuklide freigesetzt. Das ALPS-Filtersystem meldet jedoch nur neun davon und hat nie Daten über mehr als 40 andere Nuklide sowie Probleme durch Maschinenkorrosion offengelegt. Am wichtigsten ist, dass niemand jemals die Funktion des ALPS-Filtersystems überprüft hat. Selbst der IAEO-Bericht erklärt lediglich, dass er Japan bzw. TEPCO hinsichtlich der Funktion und der Betriebsprobleme des ALPS glaubt.
Glaube ist jedoch keine Wissenschaft, sondern Religion.

Am 22. Mai 2023 wurde in den Gewässern vor Fukushima ein Steinfisch gefangen, bei dem das 180-fache des Referenzwerts an Cäsium nachgewiesen wurde.

Es ist erwähnenswert, dass die japanische Regierung zuvor die Fischerei in den Gewässern vor Fukushima verboten hatte und dass dieses Verbot rechtzeitig zu den Olympischen Spielen in Tokio aufgehoben wurde, und dass ein Fisch der einigen Fische in den Gewässern vor Fukushima mit Cäsiumwerten über dem 180-fachen der Norm gefangen wurde.

4. Tritium ist nicht gefährlich ...

Sie sprechen nicht über das gefährliche Tritium, das organisch gebundene Tritium (OBT), das DNA-Veränderungen, Fortpflanzungsprobleme und Zelltod verursachen kann.

Man könnte argumentieren, dass es ausreicht, den Grenzwert einzuhalten. Dabei möchte ich darauf hinweisen, dass der japanische Grenzwert bei 1500 Bq liegt, was viel höher ist als die 100 Bq in Europa und die 740 Bq in den USA. Ein Grenzwert, der sich ständig ändern kann, ist keine Wissenschaft.

5. Die IAEO hat ihren ursprünglichen Plan überstürzt und den Bericht rechtzeitig entsprechend dem Japansableitungsplan im Sommer letzten Jahres vorgelegt. Warum ausgerechnet letztes Jahr?

Die Wiederaufbereitungsanlage für Kernbrennstoffe 로카쇼(Rokkasho) in der Präfektur 아모리(Amori), die noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden soll, macht uns hellhörig. Laut Wissenschaftler, wird die einjährige Freisetzung von Tritium zusammen mit einer Reihe anderer schädlicher Nuklide das 15-fache der 30-jährigen Freisetzung aus Fukushima betragen wenn sie in Betrieb geht. Das ist in der Tat ein Grund zur Besorgnis.

Warum also wird die Einleitung von verseuchtem Wasser trotz des Widerstands der eigenen Fischer und der negativen Auswirkungen auf die Fischerei vorangetrieben? Ich denke, weil die japanische Regierung, ebenso wie die US-Regierung, die Atomindustrie für wichtiger hält als die Fischerei. Ich denke, dass das in Südkorea oder in jedem anderen Land, das die Atomindustrie fördert, nicht anders ist, und genau dort hat die IAEO ein Interesse.

Es versteht sich von selbst, dass bei den Behauptungen derjenigen, die ein Interesse daran haben z.B. IAEO und TEPCO, immer das Risiko einer Verzerrung besteht.

Wie ihr gehört habt, gibt es den Begründungen stichhaltige Gegenargumente. Ihr fragt euch jetzt vielleicht, was gehen uns diese Probleme im fernen Osten an?

Wir trinken kein Meerwasser; wir essen Fisch, der seit langem freigesetztes Tritium und Nuklide akkumuliert hat, und bis heute gibt es nur sehr wenige Bewertungen der Auswirkungen dieser hohen Konzentrationen. Es ist nicht die richtige Haltung eines Wissenschaftlers zu sagen, dass etwas sicher oder sauber ist, wenn wir die Folgen nicht kennen, weil nicht genügend Folgenabschätzungen durchgeführt wurden. Wenn das Wasser so sauber und sicher ist, ist es nur recht und billig, ihnen zu raten, es als Trinkwasser oder für landwirtschaftliche Zwecke zu verwenden.

Es gibt kein sicheres Maß an Radioaktivität, und das Problem wird durch die radioaktive Bioakkumulation noch verschärft. Deshalb nennen wir das Einleiten von nuklear verseuchtem Wasser in den Ozean „Ökozid“.

Wir müssen auch erkennen, dass diejenigen, die unserer Umwelt schaden, nicht nur die Umwelt schädigen, sondern auch den Menschenrechten, dem Frieden und letztlich unserer Menschlichkeit.

Vielen Dank.

 

Frau Suk Kang ist aktiv bei der koreanischen Friedensgruppe in Frankfurt.