Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2024 in Saarbrücken

 

- Sperrfrist: 6.8., Redebeginn: 16 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

„Besuchen Sie Europa – solange es noch steht“ – war ein Chart-Hit der Band Geier Sturzflug im Jahr 1983. Auslöser für diesen Song war die Werbung eines international agierenden Reiseunternehmens mit diesem Slogan.

40 Jahre später scheint sich Geschichte zu wiederholen – nur schlimmer. Die vereinbarte Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ab 2026 ist noch gefährlicher als damals im Kalten Krieg 1.0. Der Expansion und massiven Aufrüstung der Nato in den letzten 20 Jahre folgte der völkerrechtswidrige Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine. Deutschland ist zumindest indirekt beteiligt an diesem Krieg um die Weltordnung, um globale und regionale Vorherrschaft.

Diese neuen Raketen verändern die Bedrohungslage zwischen den USA und Russland dramatisch. Während zwischen Europa und Nordamerika der „wunderbare Ozean“ liegt, wie sich Donald Trump ausdrückte, brauchen Mittelstreckenraketen nur wenige Minuten von Deutschland nach Moskau und umgekehrt. Mit der angekündigten US-Hyperschallwaffe Dark Eagle gäbe es gar keine Vorwarnzeiten mehr.

Die Finger am Knopf zum Gegenschlag sind längst von automatischen Systemen ergänzt worden, die Gefahr eines Atomkriegs aus Versehen wächst unaufhörlich. Es ist ein „Kuba-Krisen-Szenario“ erster Güte und nirgendwo gibt es Verhandlungsangebote, um diese Gefahr zu reduzieren. Und das Schlachtfeld eines neuen großen Krieges läge wieder einmal in Europa.

Umgekehrt droht Russland nun ebenfalls mit weiteren Eskalationsschritten. Ins Visier genommen werden alle politischen und militärischen Großziele – von Berlin bis Ramstein, ein paar dutzend Kilometer von uns entfernt.

 

Liebe Friedensfreund*innen,

diese Abschreckung bringt kein mehr an Sicherheit – sie bringt ein mehr an Kriegsgefahr und ein mehr an Bedrohung. Herr Kriegsminister Pistorius, machen sie endlich Schluss mit diesem Wahnsinn, bevor es zu spät ist.

Was sind die Ursachen für diese neue Kriegsgefahr?

Wie vor dem Ersten Weltkrieg wird erneut militärisch hochgerüstet. Es geht auf beiden Seiten um geopolitische Ziele. Die USA kämpft gegen ihren Niedergang als alleinige Supermacht – Russland um die Rolle als Weltmacht. Und bei allem geht es um den Profit. Um Märkte in Osteuropa, um den Zugang zu Rohstoffen weltweit, um die Kontrolle von Handelswegen.

Imperialismus ist eben nicht nur, wenn man andere Staaten überfällt wie Russland. Imperialismus ist auch, wenn man seinen Einfluss- und Bündnisbereich immer weiter ausbaut wie die Nato-Staaten. Wenn man Länder in neokolonialer Abhängigkeit hält, damit die Konzerne ungestört ausbeuterische Geschäfte abwickeln können. Wenn man Regime Changes wie in 2014 in der Ukraine in aller Welt vorantreibt, um unliebsame Regierungen zu stürzen.

Und als ob das alles nicht genug wäre, scheint nun das über Jahrzehnte hochmunitionierte Pulverfass im Nahen Osten hochzugehen. Nach den unentschuldbaren Massakern vom 7. Oktober im letzten Jahr, kennt die rechte und rechtsextreme israelische Regierung offensichtlich nur noch einen Ausweg, um an der Macht zu bleiben: Eskalation und Krieg.

Darunter leidet zuallererst die Bevölkerung Palästinas. Gaza ist zur menschengemachten Hölle geworden. Zehntausende tote, verstümmelte und traumatisierte Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder. Hunderttausende hungern zu lassen, kann keine Antwort auf Terrorismus sein. Die Saat, die hier bereitet wird, verhindert jede Lösung, jeden Kompromiss auf weitere Jahrzehnte. So potenziert sich der Hass auf beiden Seiten. Auch die Menschen in Israel werden so nie in Frieden leben können. Und wieder sind es die USA und die EU, die aufgefordert wären, diesen Kreislauf zu durchbrechen anstatt mit Waffenlieferungen diese Spirale der Gewalt anzuheizen. Die einzige Lösung liegt in einem gerechten Frieden, der allen Völkern der Region staatliche Souveränität, soziale Perspektiven und Sicherheit bietet.

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

so darf es nicht weitergehen. Wir schauen nicht zu, wie dieses Krisensystem des Kapitalismus uns in den nächsten großen Krieg hetzt und gleichzeitig in die Klimakatastrophe. Denn es bleibt dabei: Krieg und Rüstung sind die größten Klimakiller!

Deshalb sagen wir Nein zu der Logik der Vernichtung, Nein zur angeblichen Sicherheit durch Aufrüstung. Wir sagen Nein zu Kriegsertüchtigung der Gesellschaft, die neue Kriege erst ermöglicht.

Wir sagen Nein zur Stationierung neuer Mittelstreckenraketen, die uns zur Zielscheibe machen würde. Und wir sagen Nein zu einer Politik, die Europa in ein Schlachtfeld des nächsten Weltkriegs verwandeln könnte.

Und wir benennen unsere Alternativen:

Wir sagen Ja zu Abrüstung, Rüstungskontrolle und diplomatischen Lösungen!

Wir sagen Ja zu einem System gemeinsamer Sicherheit, denn es gibt nur diese Möglichkeit.

Wir sagen Ja zu einer wirksamen Politik des Klimaschutzes, die so dringend nötig ist und die durch Abrüstung weltweit finanzierbar wäre.

Und wir sagen Ja zu einer Gesellschaft des Friedens und der Solidarität, in der Menschen nicht sozial ausgegrenzt werden. Es ist genug Geld da für Bürgergeld, mehr Wohnungen und für Mitmenschlichkeit gegenüber Geflüchteten. Die aktuelle ekelhafte Hetze gegen Arme ist nur die andere Seite der Medaille von Hochrüstung und Kriegsvorbereitung. Nehmt das Geld bei der Rüstung und den Konzernprofiten, bei den Milliardären und Kriegsgewinnlern.

Und stoppt endlich diesen Wahn der Kriegsvorbereitung! Damit wir kein zweites 1000-faches Hiroshima erleben müssen. Damit unsere Kinder und Enkel weiterhin in Europa leben können.

Es ist höchste Zeit!

Vielen Dank

 

Thomas Hagenhofer ist Ko-Sprecher des FriedensNetzes Saar.