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Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 3. August 2024 in Erlangen
- Es gilt das gesprochene Wort –
Liebe Freundinnen und Freunde,
vor 40 Jahren war die öffentliche Debatte um die Stationierung von US-Raketen in Deutschland geprägt von heftigen Auseinandersetzungen. Damals schon sollten Mittelstreckenraketen „zur Abschreckung“ gegen die Sowjetunion in Westdeutschland eingerichtet werden. Es gab Demonstrationen, Kundgebungen und politische Debatten. Dieses Jahr hat Bundeskanzler Scholz, der in seiner Jugend als Juso-Funktionär noch gegen die Stationierung protestiert hatte, so nebenbei im Rahmen einer Nato-konferenz in New York, es sei erforderlich, in zwei Jahren wieder Raketen in Deutschland zu stationieren, die Moskau erreichen könnten. Und es gab keinen Aufschrei dagegen, vereinzelte Stimmen bei den Regierungsparteien SPD und Grüne, aber deren Funktionsträger allesamt eingeschworen auf das Anheizen der Rüstungsspirale statt Verhandlungen über Verzicht auf Atomwaffen, Abkommen zur Abrüstung und aktiver Friedenspolitik.
Wir haben uns heute hier versammelt, zwei Tage vor dem 79. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf die japanische Stadt Hiroshima am 6.8.1945. Dabei wollen wir der Opfer gedenken, über die Hintergründe informieren, aber auch auf die jetzige Bedrohung durch Atomwaffen weltweit hinweisen – und über die weltweiten, regionalen und lokalen Anstrengungen zu berichten, die Atomwaffen abzuschaffen.
Warum ist es so wichtig die Erinnerung an Hiroshima wach zu halten?
Weil durch die Kenntnis der Geschichte die Einsicht wachsen kann, sich für die Abschaffung der Atombomben einzusetzen.
Wir schreiben den Morgen des 6. August 1945. Der Zweite Weltkrieg in Europa mit all seinen Schrecken und dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, mit über 55 Millionen Kriegstoten, bis zu 500 000 ermordeten Sinti und Roma, 6 Millionen jüdischen Opfern war seit dem 8. Mai 1945 zu Ende.
Nicht so in Asien. Nach dem ersten Weltkrieg verfolgte Japan eine extrem nationalistische Doktrin mit der Vorherrschaft der japanischen Rasse über seine asiatischen Nachbarn. Ab 1931 begann die militärische Eroberung der Mandschurei, dann ganz Chinas, französisch Indochina, Thailand, Malaysia, Burma, Philippinen und niederländisch Ostindien (heute Indonesien). Mit dem Angriff der kaiserlichen japanischen Streitkräfte auf den US-Marinestützpunkt
Pearl Harbour erklärten die USA Japan den Krieg, daraufhin erklärten Nazi-Deutschland und Italien, die mit Japan verbündet waren, den USA 1941 den Krieg.
Japan befand sich also Mitte 1945 noch im Krieg mit den USA, Japan war zur Kapitulation bereit, der US-Geheimdienst CIA hat entsprechende Dokumente abgefangen und die Verhandlungen torpediert.
Eine baldige Kapitulation Japans hätte verhindert, dass der militärische Einsatz der Atombombe zustande gekommen wäre. Seit 1942 arbeitete die US-Regierung an der Atombombe, die erste Explosion in der Menschheitsgeschichte erfolgte am 16. Juli 1945 auf einem Versuchsgelände der US-Armee bei Santa Fe.
Die militärische Logik erforderte aber einen Einsatz in einem Kriegsgebiet. Die Bombe sollte in ca. 500 m über dem Boden explodieren. Da militärische Objekte in Beton- und Stahlbauweise weniger von der Druckwelle betroffen waren, wurde Hiroshima mit seinen Wohngebieten in Holzbauweise ausgesucht.
Dabei hatte die japanische Flugabwehr das Trägerflugzeug nicht angegriffen, weil sie bei vier Flugzeugen nur Aufklärer und nicht Bomber vermutet hatte.
Um 8:15 Uhr wurde die die Atombombe abgeworfen, durch die Explosion mit dem atomaren Blitz, der extremen Hitze (bis 4.000° Celsius – Eisen schmilzt bei 3.000° C), der folgenden Druckwelle und dem Feuersturm kamen innerhalb 5 Sekunden 80.000 Menschen zu Tode, innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Todesopfer auf 140.000.
Zuvor waren in den USA durch Menschenversuche mit Injektion von Plutonium medizinische Folgen wie Strahlenkrankheit und Zunahme der Krebserkrankungen erforscht worden und waren damit der militärischen Führung bekannt, und sie traten massenhaft ein.
Am 2. September 1945 kapitulierte die japanische Regierung. Zeitgleich zum Leid der Atombomben-Opfer von Hiroshima, und Nagasaki am 9.8.45, wurde von der medizinischen ABCC Atomic Bomb Casualty Commission bis 1951 durch regelmäßige medizinische Untersuchungen das Ausmaß der gesundheitlichen Folgen in der überlebenden Bevölkerung untersucht, ohne dass Behandlungen eingeleitet worden wären.
Die Folge-Organisation RERF Radiation Effects Research Foundation arbeitet seit 1975 bis heute an diesen Themen, umfaßt auch die Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima.
1980, auf dem Höhepunkt des sog.“Kalten Krieges“ mit der Konfrontation und der Rüstungsspirale zwischen NATO und Warschauer Pakt, tauschten sich zwei Herzspezialisten, Kardiologen, aus, einer aus den USA, Bernard Lown und Jewgeni Tschasow aus der UdSSR. Zusammen mit vier weiteren Ärzten sprachen sie sich für die Verhütung des Atomkriegs aus und gründeten in Genf die IPPNW.
Seit 1982 gab es Gruppen der IPPNW in der DDR und in der BRD. Kritik konzentrierte sich an der zu engen Zusammenarbeit von IAEO in Wien und der Weltgesundheitsorganisation wegen der Verharmlosung der Fol-gen von ziviler und militärischer Nutzung der Atomkraft, aber auch zur Nutzung der Atomkraft in Kasachstan, am Irak-Krieg, zu Tschernobyl und Fukushima.
IPPNW hat in D 8.000 Mitglieder weltweit in 50 Staaten 150.000.
2007 war IPPNW beteiligt an der Gründung von ICAN International Campaign to Abolish Nuclear Weapons, die in 100 Ländern aktiv ist, also zur Abschaffung von Atomwaffen.
Atomarer Overkill. Das ist die Gefahr, die gesamte Menschheit nicht nur gänzlich auszurotten, sondern mehrfach. Alle Atomwaffenarsenale der Welt haben (Stand 2005) eine Gesamtsprengkraft von 7,5 Milliarden Tonnen TNT. ( = 7500 Megatonnen TNT).
Auf die Weltbevölkerung aufgeteilt, würde eine Sprengkraft von über 1 Tonne TNT auf jeden von uns entfallen. Im 2. Weltkrieg sind über 55 Millionen Menschen gestorben. Die gesamte verwendete Zerstörungskraft des 2. Weltkrieges gleicht 3 Megatonnen. Der heutige Overkill gleicht
2.500 Zweiten Weltkriegen. Um alle mittleren und größeren Städte dieser Welt zu vernichten würden 300 Megatonnen ausreichen.
Die geschätzte Sprengkraft der Atombombe, die auf Hiroshima abgeworfen worden war, betrug 12.500 Tonnen TNT, war gleicher Bauart, wie die Trinity-Bombe, die erste Atomwaffe, die am 16. Juli 1945 im USBundesstaat New Mexico zur Explosion gebracht worden war. Leiter des geheimen Militärprojekts Manhattan Projects war Robert Oppenheimer. Sein Leben ist verfilmt worden und wurde in den Kinos auch dieser Region gezeigt. Sein Vater kam aus Hanau bei Frankfurt und emigrierte Ende des 19. Jahrhunderts in die Vereinigten Staaten. Ironie des Schicksals: Hanau wurde im Nachkriegsdeutschland die größte Ansammlung von Nuklearfirmen in Europa, so auch die Nukem, die nach Skandalen 1991 vom damaligen Umweltminister Joschka Fischer von den Grünen die Lizenz für die Plutoniumverarbeitung entzogen bekam. Die Firma Nukem zog nach Alzenau, der übrig gebliebene Firmen-Teil Nukem-Technologies wurde von dem russischen Staatsbetrieb Rosatom übernommen, der nun für die Entsorgung der deutschen Atomkraftwerke zuständig ist.
Was haben Atombomben mit Deutschland zu tun? Die Bundeswehr verfügt über keine Atombomben, aber am Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz in der Eifel werden 20 Atombomben gelagert. Seit 26 Jahren finden alljährlich Proteste dagegen statt. Auch unsere Regionalgruppe hat mit Aktionen teilgenommen. Ziel ist es, die sog. „nukleare Teilhabe“ mit Lagerung und Bereitstellen von technischen Mitteln zu beenden, wie es in einem Beschluss des Bundestags 2010 gefordert war.
Aktuell geschieht das Gegenteil: Die vorhandenen Atombomben sollen modernisiert werden, lenkbar werden, aus dem „Sondervermögen“ der Bundeswehr mit € 100 Mrd. sollen F 35 Kampfbomber gekauft werden, die mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können, geflogen von Piloten der Bundeswehr. Unter dem Deckmantel der sog. nuklearen Teilhabe soll in der Bevölkerung Verständnis für den Einsatz von Atombomben geweckt werden, auch die geplanten Tomahawk-Raketen können jederzeit mit Atomsprengköpfen bestückt werden.
(Pistorius „Kriegstauglichkeit“, Bayern Gesetzentwurf zur Verpflichtung von Universitäten mit Militär zu kooperieren)
Warum trage ich heute dieses T-Shirt mit dem Aufdruck „Save Moruroa!“: Weltweit besitzen 9 Staaten Atomwaffen, neben den USA und Rußland, China, Frankreich und Großbritannien, dazu auch Nordkorea, Pakistan, Indien und Israel.
Die viertgrößte Atommacht ist Frankreich, das von 1966 bis 1996 auf dem unbewohnten und mittlerweile unbewohnbaren Atoll in der Südsee 188 Atombomben gezündet hat, 41 davon in der Erdatmosphäre, die Bevölkerung der Inseln in der Umgebung wurde weder vor den Atombombenversuchen noch von den Folgen des atomaren Fallouts gewarnt, medizinische Untersuchungen und Behandlungen fanden praktisch nicht statt. In Militärkreise wird schon wieder von Atombombenversuchen geredet.
In Frankreich sind derzeit 56 Atomkraftwerke am Netz, betrieben von der Firma Framatom/EDF. Der Sitz der deutschen Framatom GmbH ist Erlangen, Paul-Gossen-Straße. An dem Tochterunternehmen ANF ist der staatseigene russische TWEL-Konzern beteiligt.
Was viele Menschen zurecht bewegt ist die Klimakatastrophe, also die menschengemachte Erderwärmung mit den Klimaveränderungen, die in einigen Jahrzehnten katastrophale Folgen für die Menschheit haben werden.
Bei einem Atomkrieg ist das ein bißchen anders: Es kommt zu einem Nuklearen Winter: die rasante Abkühlung der Erdoberfläche innerhalb von Monaten auf den Kontinenten, hervorgerufen durch massenhaft aufsteigende dunkle Rauchwolken nach Explosionen und Bränden. Dieser nukleare Winter tritt auf, auch wenn nur 1 bis 5% der vorhandenen Atomsprengköpfe explodieren sollten, aus dem blauen Planeten wird ein grauer Planet, menschenleer.
Als Arzt sage ich klar dazu: In einem Atomkrieg können Ärzte ihrem Auftrag, Kranke und Verletzte zu behandeln und zu heilen nicht mehr nachkommen.
Deshalb: Abschaffen aller Atomwaffen, Abschalten aller Atomkraftwerke hier und weltweit!
Vielen Dank.
Dr. Wolfgang Lederer-Kanawin ist Arzt und aktive bei der Regionalgruppe der IPPNW.