Redebeitrag von Anne Sandner (DGB) für den Ostermarsch Ruhr in Bochum-Werne am 17. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Friedensliebende,

vielen Dank, dass ich als DGB Gewerkschaftssekretärin und als eine der „Gewerkschafterinnen für Frieden und Solidarität“ am Ostermontag zum Auftakt zu euch sprechen darf.

Gewerkschaften und Frieden da gab es mal eine Zeit, wo beides enger zusammen gehörte. Auch waren viele Gewerkschafter beim Schwur von Buchenwald dabei, wo es im letzten Satz heißt: „Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Mit dieser Grundhaltung sahen sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die wiedergegründeten freien Gewerkschaften im DGB deshalb dem Einsatz für den Frieden und dem Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Faschismus besonders verpflichtet. Im Rahmen eines Antikriegstages mit der Überschrift „Nie wieder Krieg“ wurde auf Initiative des DGB erstmalig am 1. September 1957, des Jahrestags des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen von 1939 und damit des Beginns des Zweiten Weltkriegs gedacht.

Trotz Beschlusses auf der obersten Ebene ist dieser Tag für viele Gewerkschafter und Beschäftigte an vielen Orten gerade mal eine Randerscheinung und wurde im Laufe der Zeit als Aufgabe an die DGBJugend abgeben.

Die Initiative GfFS hat sich 2015 gegründet und hat sich u.a. vorgenommen, die Themen Frieden, Abrüstung und Rüstungskonversion wieder stärker in den Gewerkschaftsdebatten intern aber auch als gesellschaftliche Aufgabe in den Fokus zu rücken. Das ist kein Selbstläufer, deshalb müssen wir dran bleiben und hoffen so immer größere Kreise zu ziehen.

Ich bin in einer Welt groß geworden, in der der Frieden hier vor meiner Haustür selbstverständlich ist und lebte in dem Selbstverständnis, dass von deutschen Boden nie wieder Krieg ausgehen darf. Verpasst habe ich die Diskussion um die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht in der Bundesrepublik. Vor ziemlich genau 60 Jahren, am 1. April 1957 rückten die ersten 10.000 Wehrdienstleistenden in die Kasernen ein. Mir wäre es lieber, wenn wir gar keine Armee hätten (die Deutschen haben da ja in der Geschichte noch nie gute Rollen gespielt), aber wenn Politik glaubt, eine Armee zur Verteidigung haben zu müssen, dann bitte mit einer allgemeinen Wehrpflicht. Denn eine Söldnerarmee (was die BW heute ist) in einem Apparat, der gerade mal durch eine Ministerin kontrolliert wird, entwickelt sich zu einem „Staat im Staate“, verfolgt eigene Interessen und ist abgekoppelt von der gesellschaftlichen Kontrolle. Auch das hatten wir schon mal !(!)

Auch wenn ich als Mutter von 3 Söhnen froh war, dass diese allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt ist, hat das zu Folge, dass nun gar keine Auseinandersetzung um die Rolle der Bundeswehr stattfindet. Mir wäre es lieber gewesen, meine Kinder und ihre Kumpels und auch Kumpellinen hätten um ihre Position ringen müssen, ob sie den Wehrdienst verrichten oder aber lieber eine soziale Aufgabe übernehmen wollen. Nicht, weil ich der Meinung bin, dass der Ersatzdienst ein guter preiswerter Dienstleister ist, sondern weil auf diese Weise bei jungen Menschen das Bewusstsein für das Zusammenleben und das solidarische Funktionieren einer Gesellschaft näher gebracht werden könnte. Nachdem den Kindern der Staat eine Schulausbildung ermöglicht hat, ist dieses Jahr auch eine Form, etwas der Gesellschaft zurückzugeben. (Aktuell hat sich das freiwillige soziale Jahr zu einer Auszeit nach der anstrengenden Gymnasialzeit in Form einer Weltreise für Kinder wohlhabenderer Eltern entwickelt)

Bei einer allgemeinen Wehrpflicht wird auch das „Werben fürs Sterben“ an den Schulen überflüssig. Die Rolle der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen, die übrigens dem widerspricht, was die Gründungsväter eigentlich versprochen haben, würde eine breitere gesellschaftliche Debatte auslösen.

Denn so bleibt der fade Beigeschmack: „Die haben sich doch für den Dienst freiwillig gemeldet und hätten das doch wissen müssen“. Doch ich glaube nicht, dass Auszubildende z.B. als Bürokaufleute bei der Bundeswehr sich darüber im Klaren waren, dass sie im Laufe ihrer Verpflichtungszeit als Soldat ihre Waffe auf Menschen richten müssen. Die Bundeswehr ist kein Arbeitgeber wie jeder andere und deshalb muss die Werbung von geschulten Personal in den Klassen und von bunten Trucks mit flimmernden Videoshows und -spielen auf Berufsmessen verboten werden.

Auch Rüstungskonzerne sind keine Arbeitgeber wie andere auch. Da bekommt der Spruch „sozial ist, was Arbeit schafft“ eine noch sarkastischere Note. Ich bin sowieso nicht der Meinung, dass „Hauptsache man hat Arbeit“, der richtige Ansatz ist, das würde selbst Sklavenhalter zu sozialen Wesen erklären. Auf der anderen Seite sollten auch die Produkte sozial sein. Sie müssten den gesellschaftlichen Bedarfen, was Nutzen, Ressourcenverbrauch und ökologische Ansprüche betrifft, gerecht werden. Die Entwicklung und Produktion von Rüstungsgütern ist asozial. Um es klar zu stellen, nicht die Beschäftigten, die dort mir ihrer Arbeit sich und ihren Familien ein auskömmliches Leben ermöglichen, sind asozial. Sie können sich nur mit ihrer Arbeitskraft ernähren, über das Endprodukt entscheiden sie nicht mit.

Deshalb sind die Rüstungskonzerne und vor allem die Politik, die diesen Unternehmen ihre Produkte abkaufen, die Adressaten der Botschaft: Wir wollen und brauchen keine Industrie für Rüstungsgüter!! (weder für Waffen noch für anderes Militärzeugs) .

Und Waffen, die erstmal gebaut wurden, werden auch irgendwann eingesetzt, manchmal auch Jahre später, wenn es dem aktuellen politischen Bestimmer beliebt (s. Trump gerade in Afghanistan). Im Bundeshaushalt 2017 ist die Verteidigung mit 11% der 2.größte Posten nach Arbeit und Soziales. Bildung und Forschung, die vielbeschworene Zukunft unserer Landes bekommt mit 4,6 % gerade mal weniger als die Hälfte und steht an 5. Stelle des Staatshaushaltes. Der Verteidigungshaushalt ist größer als der für Justiz/Verbraucherschutz, Auswärtiges, Bildung+Forschung, Umwelt und Bau, sowie Entwicklungszusammenarbeit zusammen.

Trotz dieses enormen Volumens geben wir damit aber aktuell ca. 1,2% des BiP für Rüstung aus. Doch hat sich die Nato gerade auf Steigerung der Ausgaben in Höhe von 2% verständigt. (Die Rüstungsindustrie hat bei dem Beschluss sicherlich die Korken knallen lassen.) Das würde aber für Deutschland heißen, wir müssten unsere Ausgaben in diesem Posten nahezu auf ca.60 Mrd € verdoppeln. Was das in einem Haushalt der Schwarzen Null, (dessen Unsinn ich hier+heute nicht weiter kommentieren möchte), bedeutet, ist klar: andere Posten werden gekürzt werden.

Wenn die neoliberale Ausrichtung unserer Politik nicht bald gestoppt wird, ist relativ klar, worauf das hinaus läuft. Die politisch gewollte Ruinierung des Sozialstaates wird weiter fortgesetzt, jede und jeder von uns soll sich noch mehr individuell absichern, wenn man oder frau es sich denn leisten kann (und das freut nebenbei die Versicherungskonzerne).

Das führt zu einer noch größeren Spaltung unserer Gesellschaft, die selbst der geschönte Armutsbericht (über Reichtum weiß man in unserem Lande ja kurioserweise kaum etwas) zugeben muss.

Doch nicht nur für unser Land wirkt diese Entscheidung. Die Rüstungsspirale ist damit weltweit wieder in Gang gesetzt ( auch wenn Russland sein riesiges Militärbudget gerade um 7% gekürzt hat, was in unseren Medien gar nicht berichtet wird - passt wohl nicht in die aktuellen Szenarien).

Der Waffenhandel erreicht in 2016 sein größtes Volumen seit 1990. (Die gerade einmal 20.000 Arbeitsplätze direkt in den Rüstungsfirmen können da kein Argument sein, die haben wir in der Steinkohle seit 2008 um es mit den Worten unserer Kanzlerin zu sagen „alternativlos“ abgebaut).

Deutschland nimmt als Waffenexporteur immer einen der vorderen Plätze ein und exportiert u.a. in Länder der Krisenregion im Nahen Osten, wie z.B. arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Israel und hält so direkt oder über Umwege das Feuer der Kriege dort am Lodern.

Wenn dann nun Menschen aus den Krisenregionen dieser Welt vor Hunger, Krieg, Zerstörung, einem würdelosen Leben fliehen und es über die Hohen Mauern und Zäune und tiefen Wellen des Mittelmeeres zu uns schaffen, wagen wir zu behaupten, dass unser Boot voll ist. Die Rolle der Medien in diesem Zusammenhang, die uns Bilder aus den Fluchtländern und übervollen Booten und schwimmenden Leichen vorenthalten, dafür aber uns mit Umfragen und Statistiken über Angst vor Terror und Sorge um Sicherheit in Deutschland zumüllen, ist anderer Aspekt, den es ausführlicher in unserer sogenannten freien Pressewelt zu diskutieren gilt.

Es ist aber trotzdem irgendwie schon nachvollziehbar, dass diejenigen, die sich in unserer Gesellschaft abgehängt fühlen und davor Angst haben, dass sie immer weniger statt mehr bekommen, wenn der Sozialstaat immer weiter zurückgefahren wird, nach Ventilen suchen. Diese soziale Spaltung unserer Gesellschaft ist der Nährboden für ein vergiftetes Klima, für Neiddebatten und damit für die Rechtspopulisten.

Deshalb ist es wichtiger denn je auf den Ostermärschen für den Frieden, aber auch für eine andere neue Politik aktiv zu sein, die ich abschließend in 6 Punkten nur kurz skizieren möchte.

  1. Die Verteidigung demokratischer Rechte und sozialer Errungenschaften ist und bleibt eine ständige Aufgabe. Dies gilt erst recht in einer Zeit, in der wirtschaftliche Interessen vorrangig behandelt werden und eine kleine Elite ihre kaum zu kontrollierende politische Macht rücksichtslos zur Durchsetzung ihrer Interessen nutzt. Während die Kluft zwischen Arm und Reich unsere Gesellschaft immer stärker spaltet und Demokratie und Frieden bedroht.

  2. Wir müssen gemeinsam „klare Kante“ gegen Rechts zeigen. Wir wissen: Agenda 2010 und Hartz-IV, ein ausufernder Niedriglohnsektor, zunehmende befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit und Werkverträge schüren bei den Menschen berechtigte Abstiegsängste. Es sind die völkischen Nationalisten und Rassisten der AfD, die versuchen die Wut und Ängste der Menschen für ihre soziale D emagogie und Fremdenhass zu nutzen.

  3. Wir brauchen deshalb eine Politik, die bewusst und konsequent Partei für die arbeitenden Menschen ergreift, die das Thema "Soziale Gerechtigkeit" ehrlich und nicht als Phrase wieder in den Mittelpunkt stellt. Wir brauchen deshalb einen Politikwechsel: Eine Abkehr von der Agenda 2010- Politik und eine grundlegende Korrektur der Hartz IV- Gesetzgebung. Leih- und Werkvertragsarbeit sowie befristete Arbeitsverträge müssen eingeschränkt werden.
    Die Löhne müssen vor allem im unteren Bereich steigen und der Sinkflug der Renten muss gestoppt und umgekehrt werden. Nur so kann Altersarmut verhindert werden.

  4. Unsere Solidarität mit den Menschen in den südeuropäischen Ländern muss in unserem eigenen Interesse dazu beitragen den wirtschaftlichen und sozialen Verfall in ihren Ländern zu verhindern Wir müssen für gleiche Lebensverhältnisse in Europa streiten. Wir brauchen eine Erneuerung und Demokratisierung Europas, dürfen dabei aber den Rest der Welt nicht aus dem Blick verlieren.

  5. Die regionalen Kriege im Nahen- und Mittleren Osten bzw. in Afrika sind eine wesentliche Ursache für millionenfache Flucht und menschliches Elend.
    Wir müssen den geflüchteten Menschen mit Würde begegnen, ihnen Schutz gewähren und ihnen eine Zukunftsperspektive eröffnen.

  6. Wir brauchen Initiativen für eine neue Abrüstungs- und Entspannungspolitik in Europa und weltweit. Wir brauchen eine zivile Konfliktbewältigung und keine Terrorszenarien, die das gesellschaftliche Klima vergiften und den Boden für Rechtspopulisten bereiten.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde,

Ich will nicht, dass von deutschem Boden wieder Krieg ausgeht, weder in Form von Exportgüter noch mit einem Einsatz unserer Bundeswehr. Deshalb lasst uns heute gemeinsam gehen: Gemeinsam für den Frieden! - Gemeinsam gegen Rechts! – Gemeinsam für soziale Gerechtigkeit!

Als GewerkschafterInnen für Frieden und Solidarität mobilisieren wir für einen Aufbruch im Ruhrgebiet. Seid auch dabei, wenn wir bei der Demonstration und Kundgebung am 6.Mai in Bochum gemeinsam klare Kante zeigen!

Aktiv gegen Rechts und Rassismus. Aktiv für Demokratie, für ein soziales Deutschland und für ein soziales und gerechtes Europa!

Glück auf!

 

Anne Sandner ist DGB-Gewerkschafts-Sekretärin und Verantwortliche in der Gewerkschaftsinitiative für Frieden und Solidarität.