Redebeitrag von Propst Christoph Hackbeil (EKM) für den Ostermarsch Sachsen-Anhalt in Stendal am 17. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,

Ostern 2017 – das „Fürchtet euch nicht“ der christlichen Osterbotschaft gibt mir einen starken Impuls gegen die um sich greifende Angst. Wenn wir das in diesem Jahr Reformationsjubiläum feiern, dann soll diese Ent-Ängstung im Vordergrund stehen. Es ist wichtig, sich gemeinsam aus der Spiral der Angst zu befreien. Das tun wir, wenn wir hier gemeinsam friedlich durch diese Stadt ziehen. Was heute gar nicht mehr so bekannt ist, dass Luther auch vor einem falschen Sicherheitsdenken gewarnt hat – damals einem religiös geprägten. Er hat gegen die falsche Securitas, die Sicherheit, die Gewissheit tragender Werte gestellt. In diesem Sinn sind wir dazu aufgefordert, gegen das um sich greifende militärische Sicherheitsdenken die Kraft gewaltloser Friedensarbeit stark zu machen.

Die Zunahme terroristischer Gewalt weltweit liefert scheinbar alternativlose Argumente dafür, unser Miteinander immer stärker von der Sicherheitslogik bestimmen zu lassen. Wir beobachten mit Besorgnis, dass das militärische Denken immer mehr in den Vordergrund tritt. Die Politik scheint darin nur dem Bedürfnis der Bevölkerung zu folgen, dass sie maximale Sicherheit erwartet. In der Osterausgabe der Volksstimme gab es auf der ersten Seite folgenden Aufmacher: „Das Bedürfnis nach Sicherheit wächst“. Darin drückt sich ein sich veränderndes Denken unter uns aus.

Wir wissen doch: absolute Sicherheit ist eine Illusion. Wird unser Miteinander wirklich sicherer durch mehr Polizei, härtere Gesetze, intensivere Überwachung? So wird zuerst mal die Angst vor dem Fremden, vor Flüchtlingen akzeptiert und verstärkt. Ist aber nicht die gemeinsame Arbeit für die Integration von geflüchteten Menschen das nachhaltigere Konzept für mehr Sicherheit? Denn dabei gewinnen Menschen Vertrauen zueinander. Das wirkt auf Dauer stärker als die angstbesetzte Vorstellung von einer umfassenden Sicherheit, die es nicht geben kann.

Natürlich darf auch niemand vor dem um sich greifenden Terrorismus die Augen verschließen. Aber welche Ursachen dafür wurden bisher durch militärisches Eingreifen wirklich gelöst? Wo steht Afghanistan heute? Wie sicher ist dieses Land, dass geflüchtete Menschen dorthin abgeschoben werden können? Mit hat ein Gast bei unserem kirchlichen Begegnungscafè im Domstift berichtet, wie gewaltverseucht noch heute seine Heimatprovinz Kundus ist. Konnte die Bundeswehr denn überhaupt dort Friedensstifterin sein? Sie ist keine Entwicklungshilfeorganisation. Soldatinnen und Soldaten werden damit überfordert, wenn sie neben der äußeren Sicherung des Lebens vor Ort auch noch den zivilen Aufbau vorantreiben sollen.

Was uns als Evangelische Kirche vorrangig am Herzen liegt, ist die Friedensarbeit zum Konfliktabbau und zur Konfliktprävention. Wir brauchen bessere Ausbildung, Vorbereitung und Nachbereitung von Friedenskräften. Seit 2004 gibt es das ZIF, das Zentrum für Internationale Friedenskräfte. Wenn sich Deutschland für die Befriedung von internationalen Konflikten einsetzt, dann muss es wieder deutlich heißen: zivil vor militärisch. Deutschland muss dann mehr für den Einsatz von Friedensfachkräften tun. Das schließt eine bessere Finanzierung ein. Es gibt hervorragendes Fachwissen in zivilen Organisationen, aber dies muss genutzt werden. Es ist endlich dran, die Wirksamkeit ziviler Friedensfachleute zu stärken.

Das wirft nun auch ein bestimmtes Licht auf die Großinvestition auf die geplante Übungsstadt in Schnöggersburg. Die Bundeswehr vertritt die Auffassung, dass eine bessere Vorbereitung auf Auslandseinsätze nötig ist. Darüber kann man streiten, und das muss auf friedliche Weise geschehen. Aber wenn ich mir vorstelle, wie wenig Mittel für die zivile Krisenprävention, für vorausgehende Entwicklungshilfe zur Verfügung stehen, liegt mir dieses Großvorhaben schwer im Magen. Außerdem wird es ja in Kooperation mit der Rüstungsindustrie vorangetrieben. Es besteht eine Verbindung von militärischen und wirtschaftlichen Interessen. Es muss beunruhigen, dass möglicherweise das Konzept dieser Übungsstadt ein Exportschlager werden könnte. Die Frage nach dem Verbot von Rüstungsexporten stellt sich hier auch.

Persönlich bedrückend finde ich schließlich die Vorstellung, dass dort auch in einem religiösen Gebäude geübt werden soll. Damit lernen die dort übenden Truppen, religiös geprägte Menschen zuerst als Sicherheitsrisiko zu sehen. Umgekehrt müssen wir aber wiederentdecken, dass in den Religionen auch eine große Friedenskraft steckt, die durch Extremisten gegenwärtig furchtbar entstellt wird. Den Dialog unter den Religionen zu fördern ist allemal wichtiger, als die Erstürmung ihrer Gebetsorte zu trainieren. Ich unterstütze das Motto des Ostermarsches 2017: „Für ein friedliches Miteinander – Pax an“ und hoffe, dass immer mehr Menschen entdecken, dass ihr Engagement für einen gerechten Frieden ganz wichtig ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Propst Christoph Hackbeil ist Regionalbischof des Propstsprengels Stendal - Magdeburg der Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM).