Redebeitrag von Eberhard Przyrembel (Pax Christi) für den Ostermarsch Rhein-Ruhr in Duisburg am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn: ca. 11 Uhr -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Ich bin einer der 13 Millionen deutschen Flüchtlinge, die nach dem 2. Weltkrieg von Restdeutschland aufgenommen wurden.

Deshalb möchte ich etwas zur letzten Forderung unseres Duisburger Flyers sagen: „Verbot der Parteien, die das Grundgesetz mißachten, nationalistisches und faschistisches Gedankengut verbreiten.“

Aber nicht die Frage des Verbots diskutieren, sondern die Tatsachen und Einstellungen zu den Flüchtlingen heute am Beispiel des Staates Libanon behandeln (Quelle: Forum Ziviler Friedensdienst).

Grundsätzlich gilt: Nur wer sein und seiner Angehörigen Leben bedroht sieht, verläßt Heimat, Eigentum, Arbeit und Lebensgewohnheiten usw. Solche Menschen erleben sich ausgeliefert und meistens auch traumatisiert, so daß sie auf Menschlichkeit angewiesen sind.

Zunächst die Proportionen, dh das Verhältnis Einwohnerzahl zur Zahl der Flüchtlinge: 1939 hatte Großdeutschland 79 Millionen Einwohner. 1946 werden für Restdeutschland 65 Millionen Einwohner angegeben, auf 13 Millionen Flüchtlinge bezogen: Damals (1945-50) kamen auf 5 Deutsche 1 Flüchtling. Aufgerechnet und bezogen auf die Gesamtzahl der Einwohner hatte Restdeutschland Platz für die Zahl von 20 %!- Rechnen sie sich selber aus, wieviel Prozent 200.000 auf 80 Millionen sind (0,25%).

In der Nachkriegszeit hatten die Deutschen so große Not, daß sie nur ans Überleben dachten: Wo bekomme ich zu essen, Kleidung und Wohnung! Niemand dachte an Montagsdemonstrationen.

Heute , als Folge von 6 Jahren Bürgerkrieg (besser: Stellvertreterkrieg) in Syrien leben im Libanon 6 Millionen Menschen, von denen 1,5 Millionen Flüchtlinge sind; dh auf 3 Einheimische kommt ein Flüchtling, und jeder 2. Flüchtling ist ein Kind unter 14 Jahren.

Die geflohenen Menschen haben alles zurückgelassen und sind dringend auf Überlebenshilfe angewiesen. Der Staat Libanon (wie auch Jordanien, Irak, Türkei) ist völlig überfordert. Ich nenne erst einmal nur Stichworte: Trinkwasser- und Nahrungsversorgung – Arbeitsplätze – Schulen und Berufsausbildung….

Alles im Land wird teurer. Die Einheimischen blicken neidisch auf Auslandshilfe für die Geflüchterten. Um zu überleben arbeiten viele syrische Flüchtlinge illegal und akzeptieren notgedrungen Löhne, die unter der üblichen Bezahlung liegen, was wieder zu entsprechenden Konflikten mit den Einheimischen führ.

Die Schulen und Krankenhäuser „platzen aus allen Nähten“, wie es im Umgangsjargon heißt – ohne daß man sich das heulende Elend der Kranken und in den Krankenhäusern Arbeitenden vorstellt.

Ein konkretes Beispiel: Die kleine Stadt BAR ELIAS in der Bekaa-Ebene und 12 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt hatte 50.000 Einwohner, doch inzwischen sind noch einmal so viele Geflüchtete hinzugekommen. Alle Einrichtungen und Behörden sind total überfordert

Da hatte jemand die grandiose Idee, gegen das Abfallproblem ausgerechnet Mülltrennung zu propagieren. Mülltonnen wurden mit ausländischer Hilfe eingeführt und ein syrischer IT-Spezialistorganisiert den Betrieb: Aus dem Abfall werden Blech und Plastik herausgesucht und getrennt verkauft, sodaß man sogar etwas daran verdient!

Unter der Täume weckenden Überschrift „Zeder & Jasmin“ wird dieses Recyklingprojekt betrieben. Das entstand aus einer Initiative von libanesischen und syrischen BürgerschaftsaktivistInnen, die bei den Einwohnern des Stadtteils erfragt hatten, was sie sich für ein besseres Leben wünschten.

Von den 20 Millionen Syrern sind über die Hälfte der Einwohner auf der Flucht, das Land ist teilweise von Bomben umgepflügt .. +übertragen Sie das auf deutsche Verhältnisse!

Und dazu dann im Vergleich die öffentliche Diskussion über die Silvesterereignisseam Kölner Hauptbahnhof… oder daß eine Partei, die ernst genommen werden will, jahrelang diskutieren und verhandeln läßt über „Mautgebühr“…

Wie bei Kriegsbegründungen, Rüstungsproduktion und Sicherheit durch Atombomben hätten wir ernsthaft die „Fluchtursachen“ zu erforschen –6o Millionen Flüchtlinge weltweit! -und wie eine himmelschreiend ungerechte Wirtschaftsordnung die Ursache dafür ist!

Mein Vorschlag: Warum stürzen sich die „Kapitalisten“ nicht darauf, Afrika zu einem Erdteil werden zu lassen, der beispielhaft von Sonnenenergie lebt?

 

Eberhard Przyrembel ist aktiv bei der Kath. Friedensbewegung Pax Christi und lebt in Duisburg.