Redebeitrag von Paul Russmann (ORL) für den Ostermarsch Saar in Saarbrücken am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn: ca. 11 Uhr -

 

Liebe Freudinnen und Freunde,

ich beginne meine Rede mit Gedanken aus dem Internetblog des Astronauten Alexander Gerst, der aus dem Weltraum, vor zweieinhalb Jahren, am 25. Juli 2014, folgende Worte schrieb:

„Als Astronauten haben wir aus 400 Kilometern Höhe eine einzigartige Sicht auf unseren Planeten. Dinge, die wir auf der Erde jeden Tag in den Nachrichten sehen und so fast als gegeben ansehen, wirken aus unserer Perspektive ganz anders. Aus dem Weltraum kann man keine Grenzen erkennen. Wir sehen bloß einen einzigartigen Planeten mit einer dünnen, zerbrechlichen Atmosphäre, der in der weiten Dunkelheit des Alls schwebt. Von hier oben wird einem klar, dass die Menschheit auf der Erde eins ist und wir dasselbe Schicksal teilen.

(…) ….plötzlich (bemerkte ich) etwas, das ich vorher noch nie gesehen hatte: Lichtstreifen, die sich hin und zurück über die dunkle Erde bewegten, die außerdem manchmal von orangenen Feuerbällen erleuchtet wurde. Ich nahm meine Kamera und machte einige Fotos, bevor ich schließlich verstand, was ich eigentlich gesehen hatte und worüber wir gerade geflogen waren. Obwohl das Foto selbst keine Explosionen zeigt, konnte ich sie doch mehrmals beobachten.

Als ich die Fotos machte, stellte ich mir die Frage: Sollte uns jemals eine fremde Spezies von irgendwoher aus dem Universum besuchen – wie würden wir ihnen erklären, wenn es das wäre, was sie als erstes von unserem Planeten sehen würden? Wie würden wir ihnen erklären, wie wir Menschen miteinander und mit unserem Planeten umgehen, der einzigen Heimat, die wir haben?“

Die Völker der Vereinten Nationen waren »fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat«.

Gegenwärtige Kriege

Seit dem Zweiten Weltkrieg sind dennoch Millionen von Menschen durch zahlreiche Kriege zu Tode gekommen. Gegenwärtig herrscht Krieg in der Ukraine, in Syrien, im Irak, im Jemen, in Israel/Palästina und im Süd-Sudan – um nur einige Beispiele zu nennen.

Im Namen geostrategischer Machtinteressen und religiöser Fundamentalismen werden Feindbilder aufgebaut, Grenzen verschoben, Menschen getötet. Mehr als 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht – der höchste Wert seit dem Zweiten Weltkrieg.

"Es ist eine Art dritter Weltkrieg, der stückweise geführt wird und im Bereich der globalen Kommunikation nimmt man ein Klima des Krieges wahr." Der Papst sieht in der Vielzahl von Konflikten und den unfassbar vielen Toten einen globalen Krieg.

Auch im gegenwärtigen Weltwirtschaftssystem sieht Papst Franziskus eine große Gefahr für den Weltfrieden, einem »System, das Krieg führen muss, um zu überleben«. Und das habe zur Folge, »dass Waffen produziert und verkauft werden und Menschen auf dem Altar des Geldes geopfert werden.«

Diese Aussagen von Papst Franziskus, liebe Freundinnen und Freunde, machen eindrücklich klar, wie wichtig es ist, das wir zu Ostern hier und in vielen anderen Orten auf die Straße gehen und uns lautstark für Abrüstung und Frieden einsetzen.

Assad, Erdogan, Putin, der IS und Trump und die sogenannten „Koalitionen der Willigen“ stehen symbolisch und stellvertretend für diejenigen, die das Völkerrecht und internationale Konventionen brechen und verletzen. Mit Bombardements, Chemiewaffeneinsätzen und gegenseitigen Schuldzuweisungen tragen sie zur Eskalation bestehender Konflikte bei.

Und Deutschland? Statt in einem vereinten Europa dem Frieden in der Welt zu dienen – wie es in der Präambel des Grundgesetzes heißt – wurde die in den Nachkriegsjahren gewachsene Kultur der militärischen Zurückhaltung seit dem Ende des Kalten Krieges aufgegeben.

Heute steht die Bundeswehr in 19 Ländern. Der Ruf nach stärkerem militärischem Einsatz der Bundeswehr wird immer lauter, entgegen aller Erfahrung, dass mit militärischen Mitteln kein Frieden erreichbar ist, wie die militärischen Interventionen im Irak und Afghanistan eindrücklich gezeigt haben.

Politisch legitimiert werden diese Kriegs- und Auslandseinsätze als friedensschaffende Maßnahmen, als Krieg gegen den Terror, als bewaffnete humanitäre Hilfe oder als Einsatz für Menschenrechte.

Begründet wird dies (hört! Hört!) mit der gewachsenen Verantwortung Deutschlands für den Frieden. Wir liefern Logistik, Soldaten und Waffen für Militär- und Kriegseinsätze. In den Schulen und auf Bildungsmessen wird verstärkt dafür geworben, weltweite Militäreinsätze der Bundeswehr zu akzeptieren.

Der Giftgasangriff von Khan Shaykun stellt ein schweres Kriegsverbrechen dar, das strafrechtlich zu ahnden ist -  wenn im Ergebnis von Ermittlungen feststeht, wer es begangen hat.

Gegenwärtig ist unklar, wer dafür verantwortlich ist. Keine der Kriegsparteien in Syrien hat sich dazu bekannt. Der US-Angriff vom 7.4.17 mit 59 Cruise Missiles auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt al-Chairat stellt jedenfalls ebenso einen schweren völkerrechtlichen Verstoß dar - hier gegen das Angriffsverbot der UN-Charta.  Da Präsident Trump offensichtlich persönlich diesen Einsatz am 6.4.17 befohlen hat, steht auch der Verantwortliche fest.

Die Bundesregierung  hat bisher lediglich eine vorsichtige Distanz zu den USA in der Beurteilung des Syrienangriffs erkennen lassen. Mit der Formulierung, er sei „nachvollziehbar“, wird er zwar nicht ausdrücklich als völkerrechtskonform gebilligt, aber auch nicht deutlich kritisiert und in Frage gestellt. Erforderlich ist aber eine eindeutige und klare Haltung. Bei einer eindeutigen Verletzung des Gewaltverbots der UN-Charta, die zu einer gefährlichen Eskalation des Syrienkriegs führen kann,  ist kein Raum für diplomatisches Wegdrücken.

Wir fordern die Bundesregierung daher dazu auf, den US-amerikanischen Angriff vom 7. April 2017 auf Syrien als völkerrechtswidrige Aggression zu verurteilen und sich hiervon eindeutig zu distanzieren. Auch und gerade unter Freunden sind jetzt offene Worte am Platz, um eine weitere Eskalation des vor allem für die syrische Zivilbevölkerung verheerenden bewaffneten Konflikts zu verhindern.

Putinversteher – ist eines dieser Worte mit denen diejenigen die in einem herabsetzenden Sinne bezeichnet werden, die einseitige Sichtweisen und Schuldzuweisungen zurückweisen, und das Säbelrasseln der NATO, der EU, der Bundesregierung gegenüber Russland kritisieren. Wer versucht Putin zu verstehen, akzeptiert ja weder die völkerrechtswidrigen noch gewalttätigen Handlungsweisen der russischen Regierung auf der Krim oder in der Ostukraine.

Wer wirklich Frieden will, muss den Frieden vorbereiten – er muss symbolisch in den Schuhen der Ängste und Interessen des anderen gehen. So wird Putin neben dem IS ja geradezu zur fleischgewordenen Inkarnation des Bösen stilisiert – und diese Folie dient zur Rechtfertigung von Kriegsmanövern, und dem massiven mit militärischen Mitteln gestützten geostrategischen Expansionskurs der Bundesregierung, der EU und NAT0.

Wir fordern von der Bundesregierung Kooperation mit statt Konfrontation gegen Russland. Alles muss getan werden, die gewaltsamen Konflikte in Syrien, der Ukraine und anderswo friedlich zu regeln.

Kampfeinsätze der Bundeswehr geben auch keine Sicherheit vor Terroranschlägen. Wer den sogenannten Terrorismus wirksam bekämpfen will, entzieht ihm den sozialen, politischen und ideologischen Nährboden, auf dem er gedeiht.

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,

wer Terrorismus bekämpfen will, stoppt die weltweiten Bundeswehreinsätze und sorgt dafür dass es vor der eigenen Haustüre und in der Welt gerechter zugeht.

Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung eine neue Initiative für eine Friedens- und Entspannungspolitik in Europa und in der Welt startet. Für eine Politik, die das Recht des Stärkeren ächtet, die Stärke des Rechtes und die Würde jedes Menschen achtet.

Atomwaffen

Die USA und Russland wollen ihre Atomwaffenarsenale modernisieren. Die in Büchel stationierten US-Atombomben unter dem Deckmantel einer »Lebenszeitverlängerung« zu lenkbaren Präzisionswaffen umgebaut werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, klar und deutlich für den Abzug und die Verschrottung aller Atomwaffen aus Deutschland mit Nachdruck einzusetzen und auf internationaler Ebene die Blockade gegen ein Atomwaffenverbot aufzugeben.

„Wie kann man jemandem Glauben schenken, der dich mit der rechten Hand streichelt, während er dich mit der linken schlägt?” Scharfe Worte, die Papst Franziskus an Länder richtet, die einerseits Waffen in Konfliktgebiete liefern und damit gutes Geld verdienen, andererseits viel von Frieden sprechen.

Während die Grenzen für Zuflucht suchende geschlossen werden, finden Kriegswaffen und Rüstungsgüter aus Deutschland weiterhin – über alle Grenzen hinweg – ihren Weg in kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten. Die Genehmigungswerte für den Export von Kampfflugzeugen, Panzern, U-Booten und anderen todbringenden Rüstungsgütern erreichen neue Rekordwerte.

Mit der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ fordern wir die Bundesregierung auf, die Grenzen für die Menschen zu öffnen und endlich für den Export von und Rüstungsgütern zu schließen! Das wäre auch ein kleiner, aber wichtiger Beitrag um dem sogenannten Terrorismus den Boden zu entziehen.

Kürzt den Rüstungsetat

Es ist beschämend und skandalös: Alle zwanzig Sekunden stirbt weltweit ein Kind an den Folgen von Unterernährung. Über 1 Millionen Dollar werden in der gleichen Zeit weltweit für Rüstung ausgegeben. Mit dem Geld, das weltweit innerhalb von acht Tagen für Waffen, Soldaten und Krieg ausgegeben wird, könnten zum Beispiel alle Kinder dieser Welt bis zur zwölften Schulklasse ein Jahr lang kostenlos zur Schule gehen.

Gerne betont die Politik, dass sie militärische Gewalt als letztes Mittel betrachtet. Aber für dieses letzte Mittel gibt sie von vornherein 1000-mal mehr Geld aus als für die zivile Konfliktbearbeitung.

Gut 11 Prozent unserer Steuereinnahmen, das sind zurzeit über 36 Milliarden Euro werden für neue Waffen, Soldaten und Krieg verschwendet.

Das sind heute 460 Euro pro Einwohnerin vom Baby bis zum Greis. Alle 178.000 Bürgerinnen und Bürger von Saarbrücken geben so Jahr für Jahr umgerechnet ca. 82 Millionen Euro Steuergelder für neue Waffen, Soldaten und Krieg aus.

Die Bundesregierung plant, die Ausgaben für neue Waffen, Soldaten und Krieg bis zum Jahr 2024 auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhören. Das entspräche nahezu einer Verdoppelung des Rüstungsetats auf 70 Milliarden Euro.

Eine Bundesregierung die den sozialen Frieden will, muss den Rüstungsetat drastisch kürzen und mehr Geld für Bildung und soziale Leistungen ausgeben.

Eine Bundesregierung die sich für mehr Abrüstung und Rüstungskontrolle einsetzen will muss auf die geplante milliardenschwere Erhöhung der Ausgaben für Kriegseinsätze, Soldaten und neue Waffen in den nächsten Jahren verzichten. -

Eine Bundesregierung, die das Friedensgebot des Grundgesetzes ernst nimmt, stärkt den Ausbau der Zivilen Konfliktbearbeitung und verstärkt die Entwicklungszusammenarbeit.

Frieden auf Erden?

Niemand, der sich für den Frieden engagiert, hat bei dieser Vision die Idylle einer konfliktfreien Welt vor Augen. Aber ich wende mich gegen einen Realismus, der für einige wenige ein waffengeschütztes Paradies bedeutet und für alle anderen die Hölle auf Erden.

Es geht mir um eine Welt, in der Konflikte auf andere als auf tödliche Weise ausgetragen werden.

Ich möchte uns Mut machen mit Worten des Schriftstellers Albert Camus „Jeder Mensch besitzt einen mehr oder weniger großen Einflussbereich ... Individuen sind es, die uns heute in den Tod schicken. Warum sollte es nicht anderen Individuen gelingen, der Welt den Frieden zu schenken?

Lasst uns gemeinsam global denken und lokal handeln – tatkräftig und lautstark für eine Welt ohne Militär, Krieg und Gewalt. Macht Frieden! Für einen Planeten, wo die Schwerter zu Pflugscharen und die Speere zu Winzermessern um geschmiedet werden. Und jede Frau und jeder Mann in Frieden unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum sitzt.

 

Paul Russmann arbeitet für die Ökum. Aktion „Ohne Rüstung Leben“ (ORL) in Stuttgart.