Redebeitrag von Axel Püttner für den Ostermarsch Hamm am 2. April 2018

 

- Sperrfrist, Redebeginn: 02.04.2018, ca. 12 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Pelkum im März 1920

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Am 13. März 1920 wurde die junge Demokratie der Weimarer Republik durch einen Putsch von rechts, dem so genannten kapp – Lüttwitz – Putsch erschüttert.

Zunächst schien die Lage durch einen erfolgreichen Generalstreik entschärft, doch im Hintergrund blieben die Freikorps weiter aktiv und so marschierten Freikorps und Militär am 14. März 1920 in das Ruhrgebiet ein.

Zeitgleich riefen die Bezirksleitungen von MSPD, USPD und KPD im Revier zum Generalstreik auf. Bereits im Dezember hatte es vereinzelte Forderungen nach Sozialisierung, Verstaatlichung der Montanindustrie (Hamborn 21.12.1918), gegeben. Zu den revolutionären Forderungen gehörte auch die Einführung des Rätesystems.

Es bildete sich die Rote Ruhrarmee deren 50 – bis 60.000 Bewaffnete den Freikorps und Reichswehrtruppen gegenüber standen.

Mit der Forderung nach der Auflösung der Roten Ruhrarmee am 28.03.1920 wurde gleichzeitig von der Regierung, bestehend aus SPD, Zentrum und Deutsche Demokratische Partei, das Standrecht verhängt. .

Es begann der Vormarsch von Reichswehr, Freikorps und Sicherheitspolizei.

Es begann das rücksichtslose ermorden der revolutionären Truppen.

Der Aufstand der der Roten Ruhrarmee wurde bis in den April 1920 niedergeschlagen. Die Kämpfe fanden am 02. April 1920 in Pelkum ihr Ende.

Pelkum wurde durch die Truppen von Oberst Franz Ritter von Epp besetzt, der so genannten Brigade Epp, welche kurz zu vor noch den Kapp – Putsch unterstützt hatten.

In einem späteren Bericht brüstet sich von Epp damit, dass man den Gegner umzingelt habe, um ihm ein Entkommen nicht zu ermöglichen. Er ließ gegen 500 Rotarmisten 1800 Reichswehrsoldaten, einen Panzerzug, zwei Kampfwagen und vier Flugzeuge in die Schlacht ziehen.

Diese ungeheuerliche numerische und materielle Überlegenheit paarte sich nun mit der großen Gewaltbereitschaft der hauptsächlich bayrischen Truppen.

Sie gingen besonders Brutal vor und stoppten auch nicht vor Rot – Kreuz – Schwestern oder Arbeitersamariterinnen.

Max Zeller, Angehöriger der Brigade Epp, schildert die Vorgänge wie folgt:

„Selbst die Verwundeten erschießen wir noch. Die Begeisterung ist großartig, fast unglaublich. Unser Bataillon hat zwei Tote. Die Roten 200 bis 300. Alles, was uns in die Hände kommt, wird mit dem Gewehrkolben zuerst abgefertigt und dann noch mit einer Kugel.“

„(Wir haben) auch 10 Rote – Kreuz – Schwestern sofort erschossen (…) von denen hatte jede eine Pistole bei sich. Mit Freuden schossen wir auf diese Schandbilder, und wie sie geweint haben, wir sollten ihnen das Leben lassen. (…) Gegen die Franzosen waren wir im Felde viel edler!“

Das Ungleichgewicht spiegelt sich auch in den Opferzahlen wieder. Die „Gruppe der Freikorps“ zählte 14 Opfer, von denen nur die Hälfte bei direkten Kampfeshandlungen umgekommen ist.

Bei den Rotarmisten sind alleine am 01. April 1920 bereits 79 Opfer zu beklagen.

Heute sind wir zusammengekommen um diesen Opfern zu gedenken. Wir sind zusammengekommen um zu erinnern, damit sich Geschichte nicht wiederholt.

Der Aufruf von SPD und Gewerkschaften zum Generalstreik nach dem Kapp – Putsch schützte die demokratische Regierung und stellte die Staatsgewalt durch streikende Beamte Arbeiter und Beamte wieder her.

Der verhängnisvolle Verlauf des Generalstreiks und der Versuch der Reichsregierung, unter Reichspräsident Friedrich Ebert, die Ordnung wieder herzustellen, um einen Bürgerkrieg im ganzen Land zu verhindern endete, verhängnisvoll mit der Allianz mit den Freikorps.

Die Gesellschaft war im Jahre 1920 noch von Wirtschaftskrisen, Hunger und politischer Instabilität gezeichnet. Politische Ereignisse konnten sich blitzschnell gewaltsam entladen.

Heute sind wir zum Glück ein Land ohne dominante militärische Strukturen und militärisches Denken.

Frei von politischer Gewalt sind wir aber leider nicht.

Politische Gewalt von rechts ist auch heute nahezu alltäglich.

Brandanschläge, Übergriffe, Gewalttaten am Rande von Pegida- oder AFD- Aufmärschen gehören zum Alltag.

Das BKA hat in den letzten Jahren eine Vervielfachung der Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte feststellen müssen. Darunter fallen Sachbeschädigungen, Propagandadelikte aber auch Brandstiftungen und Mordversuche. Die wenigsten Taten können aufgeklärt werden.

Heute stehen wir gesellschaftlich an vielen Stellen vor Umbrüchen.

Ich nenne an dieser Stelle zum Beispiel die kommenden Veränderungen in der Arbeitswelt unter dem Stichwort „4.0“. Wir werden darauf zu achten haben, dass es bei den Entwicklungen nicht einige wenige Spitzengewinner und eine große Gruppe an Verlierern gibt. Wir haben darauf zu achten, dass am Ende der Wertschöpfungsketten auch diejenigen belohnt werden, die die Leistung vollbringen und nicht eine Plattform, die Angebot und Nachfrage zusammenbringt. Wir werden darauf zu achten haben, dass der Sozialstaat nicht betrogen wird und z. B. aus den Steuern zahlenden Taxifahrern Minijobber nach dem Gusto von Uber werden.

Ich möchte auch noch den Bereich der sozialen Netzwerke nennen. Was ist das für eine Zeit, in der z. B. Plattformen wie „Breitbart“ massiv das Ergebnis einer Präsidentschaftswahl in den USA beeinflussen können?

Ich bin schwer überrascht, welche Teile unserer Gesellschaft Falschmeldungen ungeniert verbreiten und fremdenfeindliches Gedankengut teilen. Ich bin schlichtweg schockiert darüber, welcher Blödsinn völlig naiv als Realität geglaubt wird. An dieser Stelle sind wir alle gefragt.

Gedenktage wie heute geben eine Gelegenheit zurückzublicken. Sie sollen uns eine Mahnung sein, damit sich Geschichte nicht wiederholt.

In diesem Zusammenhang möchte ich Willy Brand zitieren:

“Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum — besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.“

Keine Toleranz gegenüber Rechtsextremen und hier ist der Einsatz aller Demokraten gefragt!

 

Axel Püttner ist aktiv bei der SPD in Hamm.