Redebeitrag von Monika Painke für den Ostermarsch Biberach am 30. März 2018

 

- Sperrfrist, Redebeginn: 30.03.2018, ca. 18 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedenfreunde!

Ich freue mich sehr darüber, heute Abend bei der Karfreitags-Mahnwache auf dem Biberacher Marktplatz sprechen zu dürfen.

Sie und wir alle sind heute hier, weil wir uns Sorgen um den Frieden in der Welt machen und weil wir überzeugt sind, dass Atomwaffen eine Gefahr für das Überleben der Menschheit darstellen.

Wenn man mit gewaltfreien Mitteln versucht, ein Unrecht zu beenden, dann ist ein solides Wissen über das Thema, dem man sich entgegenstellt, von entscheidender Bedeutung. Deshalb will ich mit Ihnen und Euch zuerst darauf schauen, welche reale Gefahr von Atomwaffen ausgeht und welche lange Tradition von inter-nationalen Verträgen zur Ächtung von Massenvernichtungswaffen es bereits gibt.

Dann werde ich darauf eingehen, wie es zur Stationierung von Atomwaffen in Deutschland kam und mit welchen Aktionen die Friedensbewegung in den 1980er Jahren dagegen protestiert und welche Erfolge wir auf dem Weg zur Atomwaffenfreiheit bereits erzielt haben.

Diese Erfolge sind nicht zuletzt auch durch den Druck der öffentlichen Meinung – also von uns allen – erzielt worden.

Allein die Existenz von Atomwaffen birgt eine verheerende humanitäre Gefahr. Die beiden relativ kleinen Atombomben, die am 6. und 9. August 1945 auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden, töteten mehr als 210.000 Menschen. Ihre Strahlung verursacht noch heute Geburtsschäden und Krebserkrankungen.

Selbst ein regional begrenzter Atomwaffeneinsatz würde heute zu weltweiten Klimaveränderungen und Hungersnöten führen, von denen bis zu zwei Milliarden Menschenleben bedroht wären.

Und die Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes wird nicht kleiner. Und das, obwohl die Zahl der weltweit vorhandenen Atomsprengköpfe in den letzten Jahrzehnten immer weiter gesunken ist.

Heute investieren die Atommächte in Ost und West Milliarden in die technische Aufrüstung ihrer Arsenale. Russland testete neue Trägerraketen, die USA setzen auf Eskalation – insbesondere gegenüber Nordkorea. Und das provoziert seinerseits mit Atomtests.

So sind Kim Jong-un und Donald Trump, die sich gegenseitig eine »vollständige Zerstörung« ihrer Länder androhen, tragische Beispiele dafür, dass Atomwaffen keine Sicherheit bieten.

Zum Glück gibt es auch Stimmen der Vernunft in schwierigen Zeiten. So erklärte der für das US-Atomarsenal zuständige Air Force General John Hyten: „Wir sind keine dummen Menschen. Wir machen uns über diese Dinge viele Gedanken.“

Er berate den Präsidenten, der ihm dann sage, was er zu tun habe. Weiter führte er aus: „Was glauben Sie, was passieren würde, wenn es etwas Illegales ist? Dann werde ich ihm sagen, ‚Herr Präsident, das ist illegal‘.“ „Dann würde über Alternativen diskutiert werden.“

Wir brauchen Stimmen der Vernunft, damit die Mauer durchbrochen werden kann, hinter der sich die Befürworter von Atomwaffen verstecken und mit der sie sich gegen jeder Veränderung der derzeitigen Situation abschirmen.

Nach meiner Meinung – und nach der Meinung vieler anderer Menschen – ist es sehr wohl möglich, diese Situation grundlegend zu ändern. Denn: Atomwaffen, die sicherlich verheerendste aller Waffengattungen, sind inzwischen die letzten Massenvernichtungswaffen, die noch nicht völkerrechtlich verboten wurden.

Biologische Waffen sind bereits seit Inkrafttreten der »Biowaffenkonvention« im März 1975 verboten.

Chemische Waffen wurden mit Inkrafttreten der »Chemiewaffenkonvention« im April 1997 verboten.

Für Atomwaffen trat zwar bereits im März 1970 der Atomwaffen-sperrvertrag in Kraft. In diesem verpflichteten sich die damaligen fünf offiziellen Atommächte »in redlicher Absicht« Verhandlungen« über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle« zu führen.

Bei solchen Verhandlungen gab es bis heute nur kleine Fortschritte bei der Reduzierung der bereits vorhandenen Atomwaffen. Und leider keine Fortschritte für eine grundsätzliche Einigung zur weltweiten Abrüstung aller Atomwaffen.

Und die Zahl der Staaten, die im Besitz von Atomwaffen sind, hat sich seit 1970 sogar erhöht: Zu den damaligen fünf „offiziellen Atomwaffenstaaten“ USA, Russland, China, England und Frankreich sind vier weitere dazugekommen: Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea.

Doch vor ziemlich genau einem Jahr haben sich die jahrelangen, vielfältigen Bemühungen für eine weltweite Ächtung aller Atomwaffen, die von den Atomwaffenstaaten beharrlich blockiert wurden, für uns alle ausgezahlt: Ein großer Teile der atomwaffenfreien Länder hat ab März 2017 bei den Vereinten Nationen über einen Verbotsvertrag für Atomwaffen verhandelt.

Die Atomwaffenstaaten und die meisten NATO-Mitglieder – darunter leider wieder einmal auch Deutschland! – haben diese Verhandlungen boykottiert. Dennoch war es dann am 7. Juli 2017 zu unserer großen Freude soweit: In New York beschlossen 122 Staaten ein historisches Abkommen, das den Vertragspartnern unter anderem die Herstellung, den Besitz, den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen untersagt.

Seit September 2017 kann der Vertrag von allen Mitgliedsstaaten unterzeichnet und ratifiziert werden. Bis zum 29. März 2018 haben 57 Staaten den Vertrag unterzeichnet, 7 Staaten haben ihn bereits ratifiziert. Sobald der 50. Staat den Vertrag ratifiziert wird er zu geltendem Völkerrecht.

Der jetzt erreichte UN-Verbotsvertrag hat uns dem Ziel einer atomwaffenfreien Welt ein gutes Stück näher gebracht. Jetzt gilt es, in unseren Bemühungen nicht nachzulassen, damit sich auch die bisher nicht beteiligten Länder dem grundsätzlichen Verbot von Atomwaffen anschließen.

Ein völkerrechtliches Verbot wird den Handlungsspielraum der Atommächte einschränken. Es stigmatisiert den Besitz von Atomwaffen und erhöht damit auch den Druck zur Abrüstung.

Denn ein völkerrechtliches Verbot zeigt Wirkung: Dies haben neben der »Biowaffenkonvention« und der »Chemiewaffenkonvention« auch die »Ottawa-Konvention« zum Verbot von Antipersonenminen, dass im März 1999 in Kraft getreten ist, und die »Streubomben-Konvention« zum Verbot von Streumunition, die im August 2010 in Kraft getreten ist, bereits bewiesen.

Der jetzt von den Vereinten Nationen beschlossene Verbotsvertrag für Atomwaffen kann daher getrost als die seit langem überfällige Weiterführung in einer langen Tradition von internationalen Verträ-gen zur Ächtung von Massenvernichtungswaffen angesehen werden.

Und er findet international viel Zustimmung und Unterstützung. Dies zeigte sich im Herbst 2017 bei der überraschenden Verleihung des Friedensnobelpreises an die »Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen« ICAN. ICAN ist ein globales Bündnis von über 450 Organisationen in 100 Ländern und hat sich weltweit intensiv für das Verbot von Atomwaffen eingesetzt.

Das Nobelkomitee will die Verleihung des Friedensnobelpreises 2017 als klaren Appell an alle Atomwaffenstaaten verstanden wissen, »ernsthafte Verhandlungen« mit dem Ziel einer schrittweisen und »sorgfältig überprüften« Vernichtung der noch existierenden Atomwaffen zu beginnen.

Auch die Bundesrepublik Deutschland muss sich hier angesprochen fühlen: Vor genau 60 Jahren – am 25. März 1958 – beschloss der Bundestag die Ausstattung der Bundeswehr mit Atomwaffen im Rahmen der NATO und damit die erste Stationierung von Atomwaffen in Westdeutschland.

Und am 12. Dezember 1979 wurde mit dem NATO-Doppelbeschluss eine deutliche Erhöhung der Atomwaffen in Deutschland eingeleitet. Nach der Zustimmung durch den Bundestag am 22. November 1983 wurden ab Dezember 1983 mit Atomsprengköpfen bestückte Raketen des Typs Pershing II und Marschflugkörper des Typs Tomahawk in Deutschland stationiert.

Die 1980er Jahre sahen aber auch den Höhepunkt der Deutsche Friedensbewegung. Mit vielfältigen und phantasievollen Aktionen setzten sich immer mehr Menschen gegen die zunehmende Gefahr durch die atomare Aufrüstung zur Wehr.

Die bereits seit den 1960 Jahren in Deutschland etablierten Ostermärsche erlebten in den Jahren 1979 bis 1983 mit Protesten gegen den NATO-Doppelbeschluss und die „Neutronenbombe“ einen ihrer Höhepunkte.

Im Sommer 1982 wurden die beiden Zufahrten des Atomwaffenlagers „Golf“ bei Großengstingen auf der Schwäbischen Alb mit einer einwöchigen Sitzblockade blockiert. In der naheliegenden Eberhard-Finckh-Kaserne waren damals die Kurzstreckenraketen des Typs „Lance“ stationiert.

Am 22. Oktober 1983 fand als Großdemonstration der süddeutschen Friedensbewegung die Menschenkette zwischen Stuttgart und Neu Ulm statt. An diesem Tag versammelten sich auf der über 100 km langen Strecke zwischen 200.000 und 300.00 Menschen um gegen die Stationierung neuer Atomraketen zu demonstrieren

Durch die Entspannungspolitik nach der Wiedervereinigung Deutschlands konnten in den 1990er Jahren wieder internationale Verhandlungen über Atomwaffen stattfinden. Im Mittelpunkt stand hier ein endgültiges Verbot von Atomwaffentests.

Bereits am 5. August 1963 wurden durch das Moskauer Atomtest-stoppabkommen, den »Vertrag über das Verbot von Kernwaffen-versuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser«, ein Großteil der Atomwaffentests verboten. Seit diesem Zeitpunkt waren für die Atomwaffenstaaten nur noch unterirdische Versuche möglich.

Am 25. Januar 1994 begannen dann in Genf die Verhandlungen zum Kernwaffenteststoppvertrag CTBT (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty).

Nach jahrelangen Verhandlungen wurden diese erfolgreich abgeschlossen: Am 10. September 1996 nahm die UN-Vollversammlung den Kernwaffenteststoppvertrag an. Dieser verbietet die Durchführung jeder Art von Kernwaffenexplosion, ob für zivile oder für militärische Zwecke. Auch die Beihilfe dazu ist verboten.

Die Vertragsunterzeichnung war ein großartiger Erfolg; aber leider ist der Vertrag bis heute nicht völkerrechtlich bindend. Von den damals im Vertrag genannten 44 »Kerntechnik-Staaten« haben 8 den Vertrag bis heute nicht ratifiziert! Neben den internationalen Verhandlungen zum Atomwaffentest-stopp gab es in diesen Jahren aber auch eine wegweisende Entscheidung zur völkerrechtliche Beurteilung von Atomwaffen. Am 8. Juli 1996 erklärte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag in einem Rechtsgutachten den Einsatz und die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen generell für völkerrechtswidrig.

Seither sind 20 Jahre vergangen; aber auch heute befinden sich – was viele nicht wissen – immer noch Atomwaffen in Deutschland. Im Rahmen der sogenannten »Nuklearen Teilhabe« sind rund 20 US-amerikanische Atombomben im Fliegerhorst Büchel in der Eifel stationiert.

Diese werden von der US-Kommandozentrale EUCOM in Stuttgart befehligt und würden im Kriegsfall von deutschen Piloten mit deutschen Tornado-Kampfflugzeugen eingesetzt. Die Tornados sind die einzigen Flugzeuge der Bundeswehr, die als Atomwaffenträger nutzbar sind.

Die Bundesregierung befürwortet die Stationierung von Atomwaffen im Rahmen der »Nuklearen Teilhabe«. Derzeit ist vorgesehen, die Tornado-Kampfflugzeuge „in reduzierter Stückzahl“ zur „Lebensdauerverlängerung“ zu modernisieren und für einen Einsatz bis nach 2030 fit zu machen.

Auch die Atombomben in Büchel sollen nicht auf dem derzeitigen technischen Stand verbleiben. Sie sollen ab dem Jahr 2020 durch technisch aufgerüstete B61-12 Atombomben ersetzt werden.

Seit über 40 Jahren engagiert sich Ohne Rüstung Leben gegen Atomwaffen, informiert die Öffentlichkeit und übt Druck auf die politisch Verantwortlichen aus. Repräsentative Umfragen zeigen, dass wir dabei die Meinung von mehr als drei Vierteln der Deutschen vertreten.

Unsere Aktivitäten haben wir in der Kampagne »Büchel ist überall! – atomwaffenfrei.jetzt« gebündelt, über die auch wir Teil des weltweiten ICAN-Netzwerkes sind. Um unserer Vision einer atomwaffenfreien Welt einen Schritt näher zu kommen, fordern wir von der Bundesregierung:

1. Den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffen-Verbotsvertrag der Vereinten Nationen.

2. Den Abzug der verbliebenen US-Atomwaffen aus Büchel.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen dafür, dass Sie heute zum Ostermarsch 2018 nach Biberach gekommen sind. Und ich würde mich sehr darüber freuen, wenn Sie mit uns auch in Zukunft für unsere Vision eintreten:

Die weltweite Ächtung und Vernichtung aller Atomwaffen!

 

Monika Painke ist seit 1996 ehrenamtlich bei Ohne Rüstung Leben aktiv.