6x jährlich informiert unsere Zeitschrift, das FriedensForum, über Aktionen und Kampagnen der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeexemplar zu.
Redebeitrag von Wolfgang Vorländer für den Ostermarsch Oberberg am 31. März 2018
- Es gilt das gesprochene Wort -
Liebe Freunde und Freundinnen des Friedens,
Jahr für Jahr versammeln wir uns zum Ostermarsch an dieser Stelle – und unser Eindruck ist: Es wird immer nötiger! Es wird immer dringlicher, dass wir als Bürgerinnen und Bürger den Mund aufmachen und auf die Straße gehen. Und dabei geht es nicht nur um „die da oben“, die Bundesregierung, den Nato-Rat, die Rüstungsindustrie und die Waffenhändler. Sondern in unserer Bevölkerung muss ein Erwachen stattfinden.
Denn es herrscht Krieg: In Gestalt von Bürgerkriegen und Stellvertreterkriegen, und längst laufen um den Globus wieder die rhetorischen Kriege, die Verteufelungen und Feindseligkeiten allüberall, Sanktionen werden verhängt, die meistens nur die Schwächsten treffen, und die alles andere befeuern, nur kein Vertrauen, und dann die kometenhaften Steigerungsraten in der Waffenproduktion, im Waffenhandel und bei der Erfindung neuartiger diabolischer Waffen.
Seit dem Ende des Kalten Krieges wird unaufhörlich Krieg geführt. Vom Golfkrieg 1991 redet kaum noch einer.
Es folgte der völkerrechtswidrige Irakkrieg, weil man sogenannte Beweise gegen Saddam Husseins Waffensysteme hatte, von denen sich später zeigte, dass sie gar nicht existierten. Die Zerstörung der politischen Strukturen im Irak durch die USA und andere Nato-Mitglieder hat die Entstehung des sog. Islamischen Staates erst möglich gemacht. Hätte man da nicht schon innehalten müssen?
Danach wurde Libyen von Nato-Mitgliedern und mehreren Partnerländern bombardiert, seitdem ist es auch Libyen ein unregierbares Land, bestens geeignet als Rückzugsgebiet für den IS und andere Terrorgruppen.
Und dann der unsägliche und völlig kontraproduktive Afghanistankrieg, der als „friedenserzwingender Militäreinsatz“ schöngeredet wurde, als Antwort auf den 11. September, um das Talibanregime zu stürzen und Osama Bin Laden zu fangen. Er befand sich gar nicht dort. Aber das war kein Hindernis, zwölf Jahre lang weiter zu machen. Allein die Vereinigten Staaten von Amerika gaben weit über eine Billion US-Dollar dafür aus. Unsere deutsche Beteiligung kostete der Afghanistaneinsatz mehr als 20 Milliarden Euro, die nun an wichtigen Stellen in unserem Land und in der Entwicklungshilfe fehlen. In keinem der letzten drei Wahlkämpfe war dieser kostspielige Irrweg überhaupt ein Thema! Man geht einfach zur Tagesordnung über.
Bis heute verhält sich die bundesdeutsche Bevölkerung angesichts dieser Abenteuer wie ein narkotisiertes Murmeltier. Ging es nicht vielleicht doch um unsere Freiheit und Sicherheit - dort am Hindukusch?
Unsere Sicherheit - das ist heute das eigentlich verführerische Stichwort, das jedes Militärabenteuer zu rechtfertigen scheint. Jeder Wahnsinn ist gerechtfertigt, weil ja unsere Sicherheit gefährdet sei. Und weil wir als Bundesrepublik Deutschland ein verlässlicher Bündnispartner zu sein hätten.
Aber haben alle diese Kriege und Kriegseinsätze in den vergangenen zwanzig Jahren die Welt sicherer gemacht? Ist wenigstens der internationale Terrorismus besiegt, was man sich vorgenommen hatte – woran natürlich keiner ernsthaft glauben konnte! Das Gegenteil ist der Fall. Die Welt ist in den vergangenen zwanzig Jahren sehr viel unsicherer geworden! Aber anstatt umzukehren, anstatt ehrlich Bilanz zu ziehen und diese Art von friedensgefährdender Sicherheitspolitik zu beenden, wird weitergemacht.
Und wir in unserem Haus Europa? Einen Augenblick dachten wir, der Kalte Krieg gehöre für immer der Vergangenheit an. Es sah sogar so aus, als würde man sich daran erinnern, dass Europa nie gegen, sondern nur mit Russland ein friedliches Europa sein kann. Bis 2014 sprachen sich die Nato und die Russische Föderation ausdrücklich als Partner an und nicht mehr als Gegner oder Feinde. Nach der Nato-Osterweiterung haben wir Russland zugesagt, keine Militärsysteme an der Nato-Ostflanke zu installieren. Doch wir haben dieses Versprechen gebrochen, als hätten wir es eilig damit, dass die vertrauten Feindbilder wieder richtig gut funktionieren. Kein Tag vergeht, ohne dass angeheizt wird. Mit Wirtschaftssanktionen. Mit Manövern. Mit Diplomatenausweisungen. Welche Sicherheit aber in Europa und in der Welt wird dadurch gefördert, dass Russland isoliert und für alles an den Pranger gestellt wird, während wir gleichzeitig mit dem ebenso undemokratischen und nationalistischen China oder anderen autokratischen Regimen die profitabelsten Deals machen?
Ein anderer Hauptschuldige ist angeblich der Iran. Und deshalb sind Irans Feinde unsere Freunde. Deshalb liefert die Bundesrepublik an Saudi Arabien Waffen in unvorstellbarer Größenordnung, allein 2016 waren es 530 Millionen Euro. Als gebe es irgendeine Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten, wenn sich die westliche Welt einseitig mit den sunnitischen Ländern verbündet! Und muss man, um Israels Freund zu sein, auch Israels Feindschaften teilen? Wenn schon die USA in diesen trumpigen Zeiten die Welt meint polarisieren zu müssen, warum macht ausgerechnet das Europa zweier Weltkriege dabei mit?
Was wir brauchen, ist nicht eine polarisierende Sicherheitspolitik, sondern wirkliche Friedenspolitik. Und Friedenspolitik heißt: miteinander sprechen, auch mit den schwierigen Nachbarn. Frieden beginnt mit dem unpopulären Bemühen, das Denken in Blöcken und die Suche nach Sündenböcken zu überwinden, und aufzuhören, sich selbst als Opfer und Unschuldslamm zu inszenieren.
Nichts aber fällt uns Menschen seit archaischer Vorzeit so leicht wie die Pflege von Feindbildern. Feindbilder stärken das Wir-Gefühl. Und – ganz aktuell - das Heimatgefühl! Da weiß man, wo man hingehört.
Doch wenn wir Frieden wollen, müssen wir erwachen und aufstehen für den Weg, der der schwierigere ist.
Wenn wir Frieden wollen, sollten wir nicht an der Nato-Ostgrenze immer protzigere Militärmanöver inszenieren.
Wenn wir Frieden wollen, dann gehören keine deutschen Waffenlieferungen in Gebiete, wo Stellvertreterkriege geführt werden.
Wenn wir Frieden wollen, dann müssen wir uns immer wieder daran erinnern, dass auch die schwierigsten Nachbarn Menschen sind. Menschen, die genau wie wir einfach glücklich leben möchten.
Unsere Kinder und unsere Enkelkinder lassen uns schon heute wissen, was sie von uns erwarten: dass wir ihnen eine Welt übergeben, in der Kain und Abel sich wie Brüder benehmen.
Frieden heißt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, denn er ist ein Mensch wie du.
Wolfgang Vorländer ist Bildungsreferent beim Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Leverkusen.