Redebeitrag für den Ostermarsch Rostock am 20. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreunde und –freundinnen,

Am 25. Januar diesen Jahres bekräftigten die kritischen Atomwissenschaftler, darunter 15 Nobelpreisträger, dass die Welt 2 Minuten vor der atomaren Katastrophe und die Möglichkeit der Auslöschung unseres Planeten steht.  Ihre Begründung: Eine Vielzahl von sich verstärkenden negativen Entwicklungen, darunter die drohende  unkontrollierte atomare Aufrüstung, die Kündigung des INF-Vertrages,  der Zerfall einiger Staaten durch den Klimawandel, der zunehmende Demokratieabbau und Zunahme des Nationalismus sowie Destabilisierung demokratischer Staaten durch falsche Nachrichten.

Dieses und noch einige weitere Themen, wie z.B. der ungebremste Waffenexport, sind auch Themen, denen wir uns als Friedensbewegung stellen.

Leider nicht oder nur unzureichend die Bundesregierung.

In Bezug auf Atomwaffen behauptet sie mantramäßig, Atomwaffen würden unserer militärischen Sicherheit dienen, die atomare Abschreckung würde weiter funktionieren und den Frieden in Europa sichern.

Das ist eine Schutzbehauptung, um weiterhin ganz vorne im Machtspiel um Einfluss und Märkte mitzuspielen und entsprechenden Machteinfluss zu sichern.

Dass die atomare Abschreckung funktionieren würde, ist ein Märchen. Ich möchte nur daran erinnern, dass es mindestens 20 dokumentierte Zwischenfälle gegeben hat, wo beinahe unsere Erde in einer atomaren Katastrophe geendet hätte. Nur das beherzte Eintreten einzelner hat dies bisher verhindert.

Die Doktrin von der atomaren Abschreckung hat erst die Tür zu einem unkontrollierten atomaren Wettrüsten eröffnet. Immer ausgefeiltere, teurere, Ressourcen vergeudende Waffen- und Waffenabwehrsysteme  wurden in diesem Namen entwickelt und ausgebaut, das gegenseitige Misstrauen nur erhöht. Mit der Kündigung des INF-Vertrages stehen wir wieder erneut  vor einem neuern Höhepunkt eines solchen neue Wettrüstens. In Büchel sollen ab 2014 ganz neue, flexible, militärisch einfacher einsetzbare Atomwaffen stationiert werden. Uns wird es als notwendige Modernisierung verkauft. Gleichzeitig werden die erzielten Fortschritte in der Begrenzung von atomaren und nicht atomaren Waffensystemen Stück  für Stück systematisch abgebaut und internationale Verträge gekündigt.

Die Spannungen und Konflikte in dieser Welt, die uns und unsere Gesellschaften fast zerreißen, nehmen zu, nicht trotz, sondern wegen dem Festhalten an der atomaren Abschreckung. Wir verbleiben in Feindbildern haften, und merken gar nicht mehr, dass nur gemeinsam  und nicht gegeneinander Sicherheit geschafft werden kann.. Gefährlich ist, dass die Kommunikationsstränge, insbesondere zwischen den Atommächten,  immer dünner werden, dieses als gegeben von der Politik hingenommen wird und die vermeintliche Blockhaltungen sich immer mehr verhärten.

Dass 9 Staaten und ihre Sateliten, darunter auch Deutschland mit seiner atomaren Teilhabe, den Rest der Welt in die atomare Geiselhaft nehmen, kann auf die Dauer nicht gut gehen, wie sich das an Nordkorea, Iran und Naher Osten zeigt.

Dabei wäre die Lösung ganz einfach, nämlich dass endlich internationale Verträge wie der NPT-Vertrag vollständig eingehalten würden. Darin haben sich die Atommächte verpflichtet, ihr atomares Arsenal vollständig abzurüsten. Das geschieht nicht, stattdessen werden Verträge, wie z.B. mit dem Iran einseitig aufgekündigt und mit Sanktionen belegt, die besonders die dortige Zivilbevölkerung wieder trifft und sie gegen die westlichen Staaten aufbringt.

Mit der Ächtung der Atomwaffen durch den Atomwaffenverbotsvertrag wäre es für Deutschland auch ein leichtes, Einfluss auf  neue atomare Abrüstungsinitiativen zu nehmen. Stattdessen  torpediert man ihn, um an der atomaren Teilhabe festzuhalten. Diese besagt, dass man an atomarer Planung weiter teilhaben will, dass deutsche Soldaten den Atomwaffenabwurf üben und  auf deutschen Boden Atomwaffen weiter stationiert bleiben. Man verschweigt uns, dass dieses gegen das Völkerrecht verstößt und rechtlich nicht zu halten ist. Aber wo kein Kläger, ist auch keine Klage zu erwarten.

Und deshalb klagen immer mehr Aktive die Bundesregierung an, indem sie den Ort dieses Unrechts besetzen, z.B. die Landebahn in Büchel, wo der Völkerrechtsbruch täglich geübt wird; andere blockieren und stören den militärischern Betrieb und nehmen Ordnungswidrigkeitsbescheide in Kauf.  Immer wieder wird ziviler Ungehorsam am Ort des Unrechts eingeübt, um  damit dann vor die Gerichte ziehen zu können. Am Ende wird das Bundesverfassungsgericht gezwungen sein, sich mit diesem fortgesetzten Völkerrechtsbruch auseinanderzusetzen. Erfolgreich werden wir allerdings nur sein, wenn dieser Widerstand in der Friedensbewegung verankert und unterstützt wird. Unterschriften, Eingaben, Appelle, Aufklärung, Demonstrationen und öffentliche Aktionen, Gespräche mit Abgeordneten, all das ist wichtig und gut, aber sie reichen nicht, um den politischen Druck auf die Bundesregierung zur Umkehr von ihrem atomaren Kurs zu bewegen. Es bedarf neben dem langen Atem einiges mehr, denn selbst Parlamentsbeschlüsse werden ignoriert, Proteste ausgesessen und stur an der gefährlichen Atomwaffenpolitik festgehalten. Es wird sogar darin weiter investiert, neue Atomwaffenbomber und Trägersysteme werden angeschafft, das Geld fehlt dann woanders, ein Hochsicherheitszaun, der mehrere Millionen Euro kosten soll, wird um das Atomwaffenlager  in Büchel errichtet, man hält krampfhaft an der eskalierenden  Erstschlagsdoktrin fest.

Hier ist ein klares massenhaftes Nein von uns von Nöten, und das ist möglich, auch wenn angesichts der großen Bedrohung uns Ohnmachts- und Hilflosigkeitsgefühle zu überwältigen drohen. Ermächtigen wir uns selbst und belassen es nicht allein bei Appellen. Wir sind wieder an dem Punkt, wo die Antiatomwaffenbewegung und die Friedensbewegung langsam wieder öffentlich wahrgenommen werden, nutzen wir diese Chance, kommt dieses Jahr nach Büchel, zeigt auf der Strasse und Plätzen, dass wir die Bedrohung nicht länger hinnehmen wollen, nehmen wir die Politiker, auf kommunaler, Landes- und Bundesebene in ihre Verantwortung. Kommunal, weil jede Stadt Ziel eines atomaren Angriffes sein kann, auf Landesebene wie es uns die Bremer Bürgerschaft mit ihrer Initiative zum Atomwaffenverbotsvertrag vorgemacht hat, auf Bundesebene, weil hier die Entscheidungen getroffen werden.

Denkt daran, was der große Wissenschaftler und Pazifist Albert Einsein gesagt hat: Entweder schaffen wir die Atomombe ab, oder die Atombombe schafft uns ab. Noch ist es vor 12.00 Uhr, verhindern wir, dass es ein katastrophales Nach - Zwölf Uhr wird. Die Chance haben wir immer noch dafür.

Danke für Eure Geduld.

 

Ernst-Ludwig Iskenius ist aktiv bei der IPPNW Gruppe Rostock.