Redebeitrag für den Ostermarsch Rhein-Ruhr Auftakt in Köln am 8. April 2023

 

- Sperrfrist: 8. April 2023, Redebeginn: 11 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde

hier in Köln beim Ostermarsch 2023! Toll, dass Ihr teilhabt an der großen Ostermarschfamilie in über 70 Städten heute am Karsamstag und Euch gemeinsam mit vielen anderen einsetzen wollt für Frieden, Demokratie und Klimagerechtigkeit!

Vor einem Jahr noch haben wir die Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine gezählt und haben vom 31/32. Tag nach dem völkerrechtswidrigen Einmarsch gesprochen. Heute zählen wir schon die Monate…..
Wir dürfen uns nicht an diesen grausamen Krieg gewöhnen und bald schon die Jahre zählen. Das darf nicht passieren, liebe Freundinnen und Freunde. Dieser Krieg ist – wie alle anderen Kriege auch – ein Verbrechen an der Menschheit. Wir alle, die wir hier versammelt sind, verurteilen den Angriff Russlands gegen die Ukraine.

Seit dem 24. Februar 2022 sind nach norwegischen Schätzungen 310.000 Menschen getötet oder schwer verletzt worden. Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind innerhalb und außerhalb des Landes auf der Flucht, haben ihre Heimat verloren, wurden ihrer Existenz beraubt und waren und sind traumatischen Erfahrungen ausgesetzt. Tage vor dem 24. Februar 2022 wägten sie sich in Sicherheit, trafen sich mit Freundinnen und Freunden, gingen zur Schule, zur Arbeit. Von jetzt auf gleich war alles anders. Deutschland hat viele ukrainische geflüchtete Menschen aufgenommen. Viele leben in Privathaushalten. Für die Integration sorgen in der Regel ehrenamtlich organisierte Asylkreise. Der Staat tut viel zu wenig und gibt nur über komplizierte Verfahren Hilfen und Unterstützung. Viele Kommunenen sind bereits am Ende, menschlich und auch finanziell!

Frau Fäser helfen Sie den Kommunen und Vereinen unbürokratisch damit Gastfreundschaft nicht länger Privatsache ist!

Dieser Krieg ist nur einer von mindestens 89 Kriegen und Krisen auf der Welt.

Nichts aber auch gar nichts legitimiert Kriege weltweit. Kein Krieg führt zum Frieden. Kriege sind immer Verbrechen an der Menschheit.

Dieser Krieg gegen die Ukraine und damit gegen die Menschen, die dort leben, ist uns besonders Nahe gekommen. Ein Krieg auf europäischem Boden. Das erste Mal nach dem Jugoslawienkrieg Anfang der 90er Jahre wird in Europa Krieg geführt.

Eine verantwortungsvolle Politik muss sich zum Ziel setzen, den größten Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, schnellstmöglich zu beenden und eine weitere Eskalation zu verhindern. Das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine darf dabei nicht in Frage gestellt werden. Immer mehr junger russischer und ukrainischer Soldatinnen und Soldaten wollen nicht mehr kämpfen und desertieren und / oder verweigern den Kriegsdienst. Desertion und Kriegsdienstverweigerung müssen anerkannte Asylgründe sein, egal aus welchem Land, aus welchem Kriegsgebiet die Soldatinnen und Soldaten und Kriegsdienstverweigerer kommen. Menschen, die das Töten nicht länger mit ihrem Gewissen vereinbaren können brauchen das Recht auf Asyl und brauchen Aufnahme und Unterstützung bei und durch uns!

Aber ein immer „weiter so“ und immer mehr Waffen werden diesen Krieg, wie alle anderen Kriege auch, nicht beenden. In seiner Ansprache am 9. Januar 23 vor dem diplomatischen Korps mahnte Papst Franziskus erneut, dass der 3. Weltkrieg bereits im Gange sei. Ein Weltkrieg, in dem die Konflikte zwar nur bestimmte Gebiete des Planeten unmittelbar betreffen, aber im Grunde genommen alle mit einbeziehen. Der Krieg in und gegen die Ukraine ist für den Papst nur das „beste und jüngste Beispiel dafür.“ Dem Ruf nach immer mehr Waffen setzt der Papst die Forderung entgegen „diese Logik des immer mehr“ zu durchbrechen und sich für ein Ende der Rüstungsspirale einzusetzen. Immer mehr Waffen verlängern den Krieg. Wir stehen aber vor dem Dilemma, dass ganz ohne Waffen sich die Ukraine selbst aufgeben müsste und daraus auch kein Frieden resultieren würde. Frieden kann nur durch Verhandlungen und Diplomatie erreicht werden. Daher brauchen wir einen Waffenstillstand und parallel dazu eine diplomatische Initiative für anschließende Friedensverhandlungen. Gemeinsam mit den europäischen Staaten und außereuropäischen Staaten, wzB Brasilien, muss sich dafür eingesetzt werden, dass der Rückzug der russischen Truppen erreicht, die Souveränität, territoriale Integrität und die Sicherheit der Ukraine garantiert und langfristig ein System gemeinsamer europäischer Sicherheit mit Russland ermöglicht wird.

Wir als internationale pax christi Bewegung setzen uns dafür ein, das Konzept menschlicher Sicherheit in Europa und der Welt zum Maßstab der Politik zu machen. Wer Frieden will, muss Frieden vorbereiten! Alleine Forderungen an die Politik reichen nicht aus. Die notwendigen Mensch-zu-Mensch-Friedensprozesse, die den Dialog zwischen der ukrainischen und der russischen Bevölkerung, einschließlich der Frauen und der Jugend, einbeziehen, ist wichtig für die Prävention und Transformation des gewaltsamen Konflikts. Dies gilt es jetzt schon vorzubereiten. Die Ausbildung zu Fachkräften des Zivilen Friedensdienstes muss jetzt verstärkt finanziert werden, damit Fachkräfte des Zivilen Friedensdienstes bereitstehen, um neue zivilgesellschaftliche Strukturen wieder aufbauen zu helfen, in dem Land, in dem alle Strukturen gebrochen sind und die Hoffnung auf eine Zukunft immer geringer wird. pax christi begeht in diesen Tagen sein 75-jähriges Bestehen. Begründet aus der Versöhnungsidee mit Frankreich hat sich pax christi immer wieder für Versöhnungsprozesse eingesetzt und an der Aussöhnung von Völkern gearbeitet.

Wir alle sind herausgefordert, uns einzusetzen für einen tragfähigen Frieden in der Ukraine.

Wenn Menschen von Krieg und Gewalt aktuell betroffen sind, ist es schwer, über Wege des Friedens nachzudenken. Es kann aber auch Mut machen und Kräfte freisetzen. Fragen, wie ein Zusammenleben nach einem formalen Kriegsende gestaltet werden kann, erscheinen jetzt noch sinnlos, müssen aber dennoch angedacht werden. Es geht auch um Beziehungen zur Zivilgesellschaft in Russland, dem Land, von dem die Aggression ausgegangen ist. Und, es geht um die friedensorientierte Reform internationaler Ordnungsstrukturen und die Gestaltung einer neuen regionalen Sicherheits- und Friedensarchitektur zwischen den Staaten.

Daran muss jetzt gearbeitet werden.

Parallel zu diplomatischen Wegen zu Friedensverhandlungen muss jetzt im Krieg der Frieden vorbereitet werden!

Damit die Waffen schweigen: Mehr Diplomatie wagen!

In Ihrer Erklärung haben Sozialdemokraten im April 2023 zu mehr Diplomatie und zur Deeskaltaion aufgerufen. „Politik und Gesellschaft sind gefordert“, so heißt es in der Erklärung, „Deeskalation zu ermöglichen und Verständigung für einen Waffenstillstand und Frieden zu fördern. Der Wille zu ziviler Konfliktlösung und Frieden bildet die Haltung, mit der die Unterbrechung und Überwindung von Gewalt gelingen kann.“
Gemeinsam mit vielen anderen – und dieser Forderung schließe ich mich gerne an, lehnen sie in dieser Erklärung die Lieferung von Kampfflugzeugen, Kriegsschiffen, Mittelstreckenraketen und weiteren Kampfpanzern ab.
Es darf nicht weiter um das „Siegen“ gehen. Durch diese Haltung wird der menschliche Preis dafür vollkommen ignoriert. Die bereits bestehenden Verhandlungen, w.z.B. das Getreideabkommen oder über Gefangenenaustausch, müssen dringend ausgeweitet werden, um vor allem die humanitäre Lage der Bevölkerung zu verbessern und Vertrauen wieder aufzubauen.

Daher muss auch von diesem Ort hier und heute in Köln der Ruf ausgehen: Verhandlungen jetzt – Stoppt das Töten in der Ukraine!

Wir müssen unseren Blick aber auch auf unser Land selbst richten. Deutschland ist der fünftgrößte Waffenexporteur weltweit. Es kann nicht sein, dass wir es zulassen, dass sich Rüstungsexportkonzerne an Kriegen und dem damit verbundenen Leid von Menschen eine goldene Nase verdienen. Es kann nicht sein, dass Rheinmetall nun den Neubau einer Panzerfabrik in der Ukraine plant. Es kann nicht sein, dass Waffen in unserem Land produziert und aus Deutschland exportiert werden und somit deutsche Waffen in aller Welt töten!

Seit Jahren setzen wir uns für ein Rüstungsexportkontrollgesetz ein. Seit Jahren wird dieses verhindert!

Auch dafür müssen wir eintreten und unsere Forderung nach einem Kontrollgesetz lauter werden lassen um den unkontrollierten Export deutscher Waffen zu verhindern. Seit 2021 gibt es den UN Atomwaffenverbotsvertrag. Seitdem sind Atomwaffen illegal! Doch die Bundesregierung zögert noch. Deutschland ist immer noch nicht dem Atomwaffenverbotsvertrag beigetreten. Wie gefährlich das Spiel mit dem Besitz von Atomwaffen ist, zeigt der Krieg gegen die Ukraine in aller Deutlichkeit. Deutschland muss den Atomwaffenverbotsvertrag unterschreiben. Jetzt! Setzen wir uns ein für eine Welt ohne Atomwaffen.

Wir dürfen auch nicht übersehen, dass die russische Invasion in der Ukraine tiefgreifende Auswirkungen auf die schon durch den Klimawandel gebeutelten Länder des globalen Südens hat. Hungerkatastrophen, Not und Armut sind ebenso die Folgen dieses Krieges.

Kriege bremsen die Bekämpfung des Klimawandels aus!

Die Klimarettung bedarf einer weltweiten gemeinsamen Kraftanstrengung und ist letztendlich nur im Frieden möglich!

Die Klimaziele zu erreichen ist eine Herausforderung für uns alle und bedeutet Verzicht und das bewusste Umgehen mit den Ressourcen unserer Erde. Nur so können wir das Überleben der Menschheit sichern!

Ein 100 Milliarden Paket für die Bundeswehr und die damit einhergehende jährliche Erhöhung des Rüstungsetats um 2% sichern keineswegs den Frieden sondern ist eine Fehllenkung von Investitionen in die soziale Sicherheit. Wir brauchen ein 100 Milliarden Paket für die Gesundheit, Bildung, für bezahlbaren Wohnraum und soziale Prosperität und Kultur, in ein verträgliches Verhältnis von Mensch und Natur. Wir brauchen mehr Gerechtigkeit und keine soziale Spaltung!

Statt in Rüstung und Krieg zu investieren, rufen wir die Politikerinnen und Politiker auf, die Beziehung zwischen menschlicher Sicherheit, der Bewahrung der Schöpfung, der Menschenwürde und einem nachhaltigen Frieden zu thematisieren und sich dringend für einen Dialog für den Frieden stark zu machen. Stoppt das Töten weltweit! Nicht Gewalt ist das Gebot der Stunde, sondern die friedliche Koexistenz der Menschen, der respektvolle Umgang mit dem und der Anderen und der Verzicht auf jegliche Form von Gewaltanwendung.

Ich schliesse mit den Worten der irischen Friedensaktivistinn und Nobelpreisträgerin Mairead Maguire:

"Wenn wir in Zukunft die Ernte des Friedens und der Gerechtigkeit einfahren wollen, müssen wir hier und jetzt, in der Gegenwart, die Saat der Gewaltlosigkeit säen“

Gerade jetzt zu Ostern wird uns die Gewaltlosigkeit vor Augen geführt. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gutes und schönes Osterfest in Frieden und Freiheit mit dem Mut einzutreten für Frieden und Gerechtigkeit weltweit.

Stoppt das Töten in allen Kriegen! Jetzt!

Vielen Dank.

 

Gerold König ist Bundesvorsitzender von pax christi - deutsche Sektion der internationale kath. Friedensbewegung.