Redebeitrag für den Ostermarsch Saarbrücken 2023 am 8. April 2023

 

- Sperrfrist: 8. April 2023, Redebeginn: 11 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen

 

Liebe Friedensfreunde!
Es ist Ostern. Und wie in den vergangenen Jahren sind wir für den Frieden unterwegs. Wir sind Teil der Ostermarschbewegung. Und seit 60 Jahren ist mit uns, unser Lied:

Marschieren wir gegen den Osten? Nein!
Marschieren wir gegen den Westen? Nein!
Wir marschieren für die Welt, die von Waffen nichts mehr hält,
denn das ist für uns am besten!

Und wie in den vergangenen Jahren tut es gut, wenn man mit Gleichgesinnten unter dieser von unserem Friedensfreund Pablo Picasso geschaffenen weißen Taube für den Weltfrieden eintritt.

Es gibt Krieg in Europa und unser Land ist dabei. „Wir führen einen Krieg gegen Russland,“ sagte die Außenministerin, aber dann wurde erklärend seitens der Regierung nachgeschoben: „Wir sind nicht Kriegspartei.“

Die Bundesrepublik schickt Panzer und die Ukraine formuliert weitere Begehrlichkeiten. Spielen wir russisches Roulette? Wir sind auf einer abschüssigen Bahn, die in einem Weltkrieg und einer atomaren Apokalypse enden kann? „Ich befürchte, die Welt schlafwandelt nicht in einen größeren Krieg hinein - ich befürchte, sie tut dies mit weit geöffneten Augen“, so formulierte es UN-Generalsekretär Guterres in New York vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen.

Argumentiert wird, dass ein Frieden nur durch Waffengewalt errungen werden kann, ist das nicht ein Rückfall in die kriegerischen Zeiten vor der UN-Charta.

Die Kriegsparteien sind in einer gefährlichen militärischen Eskalationsspirale unter Einsatz immer schwererer Waffensysteme verfangen.

In dieser Situation stehen wir hier und sind zu wenige. Zwar kommen jene, die auf Diplomatie und Frieden setzen, in den Medien kaum zu Wort, wir werden als Lumpen beschimpft und verdammt und doch ist der Zweifel in der Bevölkerung nach wie vor groß. Die Zahl der Vernünftigen ist größer als unsere Demonstration und unsere Aufgabe muss es sein, diese Vernünftigen sichtbar werden zu lassen, damit sich die Vernunft durchsetzen kann.

Sehr unterschiedlich wird über diesen Krieg gestritten, er wird versucht einzuordnen, Geschichte wird bemüht. Ihr kennt die Aufsätze und die Argumente. Ihr erlebt dabei, wie Friedensfreunde von gestern, Kriegsbefürworter von heute wurden.

Gesprochen wird von einer Zeitenwende. Nichts sei mehr wie früher. Wenn man „dem Russen“ nicht jetzt Einhalt gebiete, dann besetze er bald die baltischen Staaten und irgendwann auch uns. Unsere Freiheit ist in Gefahr, ähnlich wie beim Faschismus. Ich sehe Freunde, die der Ukraine ähnlich den Spanienkämpfern zur Hilfe eilen wollen.

Ich sehe grüne Bündnispartner, die sich plötzlich nicht mehr am Frackinggas stören, die den nötigen Umbau unserer Energiewirtschaft plötzlich verlangsamen wollen als ob die Klimaziele dann noch erreichbar wären. Überhaupt, die Panzer fahren nicht mit Windkraft und Sonnenenergie.

Für Russland ist es wichtig, den Krieg nicht als solchen zu bezeichnen, auch widerspricht man der Behauptung, es handele sich um Völkerrechtsbruch. Putin bemüht gerne die Geschichte, um die Berechtigung eines eigenständigen Landes Ukraine anzuzweifeln. Die Ukraine sei schließlich nur von den Kommunisten 1919 geschaffen wurden. Richtig ist, dass es dem Revolutionär Lenin mit zu verdanken ist, dass die Sowjetunion das Recht der Minderheitsnationen auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, einschließlich des Rechts auf Abspaltung von der Union, festschrieb.

Putin will Nazis in der Ukraine bekämpfen, die es dort fraglos gibt und setzt dafür auch Wagner-Söldner ein, die sich ebenfalls gerne mit Nazisymbolen brüsten.

Ist Russland nun imperialistisch oder ein wichtiges Bollwerk gegen die aggressive Nato, die sich zum Kampf gegen China aufmacht? Ist es nicht gut, wenn die unipolare Macht der USA etwas entgegengesetzt wird?

Da wird die Ukraine zum Schlachtfeld gemacht, weil dieses Land eine Schlüsselrolle im eurasischen Kontinent innehat. Und so haben wir es dort mit einem Stellvertreterkrieg zu tun. Es geht um Einflusssphären hier auf diesem Kontinent.

Der Ernst des sich aufschaukelnden Konfliktes über die Ausweitung der NATO an die Grenzen Russlands, die nun zum Krieg geführt hat, war allen Beteiligten mindestens seit 1994 klar. Russland hat wiederholt davor gewarnt, dass mit den Aufnahmen der Ukraine und Georgiens in die NATO seine elementaren Sicherheitsinteressen verletzt und damit eine rote Linie überschritten würde.

Nach den Aussagen von Angela Merkel und Francois Holland zu den Minsk I- und Minsk II-Abkommen stellt sich auch die Frage, ob diese seitens des Westens überhaupt in guter Absicht verhandelt wurden oder nur dem Ziel dienten, Zeit für die militärische Aufrüstung der Ukraine zu schaffen.

Was hat sich denn da in der Ukraine eigentlich abgespielt? Wie verhält sich das mit der Schwarzmeerflotte auf der Krim? Warum sprengen die USA die Gasleitungen von Nord Stream I und II oder waren es Ukrainer oder gar Russland?

Es gibt sehr viele Fragen. Wir reden über komplexe Dinge. Was ist denn in einer solchen Situation zu tun?

Sanktionen sagt man. Mich überzeugen sie nicht, zumindest haben sie nicht dazu geführt, dass Russland klein beigibt.

Immer mehr Waffen, nicht so zögerlich bitte. Deutschland muss führen. Die Ukraine muss gewinnen, sagt die Außenministerin, die Ukraine darf nicht verlieren, sagt der Bundeskanzler. Wir bemühen uns, den Unterschied zwischen diesen beiden Sätzen zu erkennen. Wir zählen die Toten und sind dabei auf Angaben angewiesen, den wir nicht trauen.

Und bei all diesen Fakten und auch bei aller Differenziertheit und auch Schwierigkeit, sich selbst ein Bild zu machen, regt mich eins besonders auf, das ist die verlogene Doppelmoral der Leitmedien in unserem Land. Da ist Putin, der Lump, der Verbrecher, der Menschenrechtsverletzer, dem man in den Arm fallen muss. Aber hat er nicht jahrelang vor der Osterweiterung der Nato gewarnt und um eine Lösung gebeten? Würden wir die gleichen moralischen Maßstäbe an die USA wie an Russland anlegen, dann müssten wir sofort dieses Land sanktionieren und die wirtschaftlichen Beziehungen einstellen.

Was machen wir aber? Unsere Regierung kappt die Energieversorgung zu Russland und fährt die Wirtschaft gegen die Wand während gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit eines nuklearen Weltbrandes wächst.

Gleichzeitig sollten wir allerdings auch sagen, dass die Verbrechen der USA, die Lügen und das Unrecht, nicht etwa Russland berechtigt, auch das Völkerrecht mit Füßen treten zu dürfen.

Auf unsere Fragen gibt auch viele Antworten, unterschiedliche Antworten. Auch unter uns. Und das macht das alles so schwierig.

Lediglich die Pazifisten scheinen eine klare Position zu haben. Konsequent sind sie gegen Waffen und gegen Waffenlieferungen. Angestrebt wird eine Soziale Verteidigung, ein Widerstand zur Verteidigung der Institutionen und Werte der Zivilgesellschaft mit gewaltfreien Mitteln. Verteidigung bedeutet hier die Bewahrung des Lebens und der Möglichkeiten zur sozialen Veränderung und den Widerstand gegen Unterdrückung und Ausbeutung, Militärgewalt und Menschenrechtsverletzungen.

Muss man aber wirklich Pazifist sein, um zu begreifen, dass, wenn sich Zwei streiten, man den Konflikt nicht löst, indem man die Streithähne mit Waffen ausstattet? „Waffen retten Leben,“ sagt Frau Baerbock und die Leitmedien befeuern die Ansicht, Waffenlieferungen seien alternativlos.

Wir hören die Atomzeituhr ticken. In Sekunden können sie ihre Ziele erreichen. Es wird nicht mehr genügend Zeit vorhanden sein, um das berühmte „rote Telefon“ auch nur ans Ohr zu halten. Es wird dann unerheblich sein, wer als erster, wer Schuld hat. Es ist dann vorbei.

Lasst es mich deutlich formulieren: Dieser Krieg ist ein Verbrechen. Und dieser wird nicht beendet, indem wir immer mehr Waffen liefern. Wer Waffen liefert, will Krieg - sonst würde er Diplomaten schicken.

Wie verhält sich nun das Völkerrecht zur Unverletzlichkeit der Grenzen im Verhältnis zur Selbstbestimmung der Völker? Die territoriale Unversehrtheit wurde mittels Gewalt von Russland missachtet. Wie steht es aber mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker? Und wie ordnet sich hier das Budapester Memorandum von 1994 ein? Da hatte Russland gemeinsam mit anderen Staaten die territoriale Integrität der Ukraine zugesichert.

Fragen wir anders. Was war denn da los 2014 auf dem Maidan. Wie kam es es zu diesem Staatsstreich? Oder war es keiner? Bekanntlich hatten allein die USA fünf Milliarden Dollar für den Putsch lockergemacht. Der Krieg ab 2014 in der Ostukraine führte nach UN-Schätzungen zu über 14.000 Toten. Offenbar war nicht der 24. Februar 2022 der Kriegsbeginn.

All dies und einiges mehr gehört zu dem Gesamtbild und doch gilt festzustellen: Die Gruppen oder Organisationen, die sich als Teil einer Friedensbewegung verstehen, sehen verschiedene Ereignisse unterschiedlich. Aber, genau genommen, ist das gar nicht so neu. Die Ostermarschbewegung z.B. war immer in erster Linie eine Bewegung gegen die atomare Bewaffnung. Das hieß nicht, dass hier auch Menschen mitmachten, die sehr wohl für eine konventionelle Bewaffnung waren. Ich erinnere mich sehr gut an unseren Friedensfreund, den General Bastian, gemeinsam mit seiner Freundin Petra Kelly unter einem Transparent mit der Losung „Raus aus der Nato“. Bastian war nun kein Pazifist. Mit Interesse vermerken wir Stimmen aus der CSU, man halte nichts von „diesem ständige Noch-einmal-eins-Draufsetzen“, so Parteichef Markus Söder.

Oder nennen wir auch den Ex-Brigade-General und militärpolitischen Berater der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Erich Vad. Er, der jetzt in den bundesdeutschen Medien gemieden wird und der mit Wagenknecht und Schwarzer das Friedensmanifest gestartet hat, ist ohne Frage ein konservativer Mann mit Berührungen nach rechts, aber ich freue mich über seine Expertise und ich werde ihm Kampf für den Frieden mich über ihn freuen, wenn er an unserer Seite ist.

Vad schrieb in der Emma: „Dieser sinnfreie Aktionismus in der deutschen Politik, der muss endlich ein Ende finden. Sonst wachen wir eines Morgens auf und sind mittendrin im Dritten Weltkrieg,"

Auch von ganz rechts im Parlament kommen Töne, die manchen Friedensfreund verunsichern.

Die herrschende Politik nutzt geschickt den Umstand aus, dass politische Aktivierung oftmals nach rechts erfolgt. Dies geschieht in einer Situation, in der sich mit der AfD und ihrem politisch-ideologischen Umfeld ein rechter politischer Apparat einschalten kann, zu dessen Spezialitäten es gehört, den jeweiligen Staatszweck als „links“ zu benennen. Weswegen durchaus Friedenskräfte aus dieser Situation schließen, es verbiete sich eine Kritik an den Maßnahmen der Bundesregierung. Das ist akut sehr modern geworden, Etiketten werden gerne vergeben, so wird Protest einfach als „rechts“ gelabelt. Und anstatt gemeinsam zu kämpfen und die Kräfte zu sammeln wird in aufgeheizten Debatten schwadroniert über angeblich “rechts offene Bündnisse“ und werden „Querfronten“ gesehen, werden Kundschafter ausgeschickt, um zu beobachten, ob vielleicht sich ein Rechter in die Demo eingeschmuggelt hat.

Dabei müssten die demokratischen und linke Kräfte begreifen, dass nur dann die soziale Demagogie auf fruchtbaren Boden fallen kann, wenn die fortschrittlichen Kräfte sich nicht den Themen und Sorgen der Menschen annehmen und nicht eindeutig die Vorkämpferinnen für den Frieden sind.

Eigentlich sagt das alles doch nur aus: Die Interessen sind sehr verschieden, manche sind auch schwer zu erkennen, manche mögen auch demagogisch sein, manche inkonsequent.

Wir befinden uns offenbar in einer Phase von einem unipolaren System zu einer multipolaren Weltordnung. Dagegen wehren sich die Herrschenden der USA, die ihre weltweite Führungsposition behalten wollen. Wir müssen lernen mit diesen Entwicklungen umzugehen. Die Lage ist komplex und sehr gefährlich. Und so gilt m.E. weiterhin die richtungsweise Erkenntnis von Karl Liebknecht aus dem Jahre 1915: „Der Hauptfeind jedes Volkes steht in seinem eigenen Land!“

Liegt es nun im Interesse der Bundesrepublik Deutschland in einen Wirtschaftskrieg gegen Russland eingetreten zu sein, der uns vom Gas und Öl abschneidet, uns dazu zwingt Bücklinge vor Autokraten in Katar und anderswo zu machen . Jetzt beziehen wir u.a. oder aus den USA das umstrittenen Fracking-Gas, ein historischer Tiefschlag für Klima- und Naturschutz. Ohne Skrupel werden nun Schäden für das Wattenmeer erwartet, da Chlor und Brom ins Meer eingeleitet wird, um die Rohrleitungen zu reinigen.

Liegt es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, wenn unsere Lebensmittelpreise über 20 % gestiegen sind, wenn Menschen ihre Energiepreise nicht mehr bezahlen können und wenn ihre produzierten Produkte wegen zu teurer Energie nicht mehr auf dem Weltmarkt in der gewünschten menge veräußert werden können?

Liegt es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, wenn in einer Nato-Übung der Einsatz von Atomwaffen auf dem Gebiet unseres Landes geprobt wird? Die Verteidigung des Bündnisgebietes erfolgt durch Atomwaffenabwurf auf unserer Heimat, im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ können Atombomben auch von deutschen Tornados abgeworfen werden.

Mir fällt es schwer, da deutsche Interessen zu erkennen. Nebenbei kann ich auch nicht erkennen, dass bis auf die Rüstungskonzerne, die gerne auf Kriegswirtschaft umstellen wollen, die hier ansässigen Konzerne daran Interesse haben sollten.

Versuchen wir doch einmal klar und deutlich unsere Interessen zu benennen anstatt mit wertebasierten Waffensystemen der Weltbevölkerung mit einem sonderbaren Feminismus zu beglücken.

Der Gestalter der neuen deutschen Ostpolitik, der Sozialdemokrat Egon Bahr, sprach den realpolitische Lehrsatz 2013 vor 45 Gymnasiast*innen in Heidelberg:

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“

Wer auch immer noble Werte vorschiebt, verschweigt die ursächlichen Motive für das politische Handeln. Wir müssen reden über Interessen oder auch vermeintliche Interessen von Staaten.

Und wenn wir über Interessen sprechen, dann geht es angeblich um russische, amerikanische, ukrainische oder deutsche Interessen. Der Putin will seine Macht behalten und ausbauen und nicht wie der Jelzin alles versaufen. Der Ami mag nicht, dass Europa und damit Deutschland weltweit einen Wettbewerbsvorteil mit dem günstigen Gas und Erdöl aus der Leitung. Wer die Ukraine hat, der bestimmt, so die geopolitische Überlegung.

Aber, was sind das für russische Interessen? Was für Interessen in den anderen Ländern? Was sind denn nationale Interessen? Inwieweit und überhaupt, wo und wann stimmen sie mit meinen, mit unseren Interessen überein?

Ich kenne keine russische Mutter, die gerne ihren Sohn beerdigt.

Ich kenne keinen ukrainischen Bauer, der mit Begeisterung seinen Tod herbeisehnt.

Ich kenne auch in meinem Land keine Schwester und keinen Bruder meiner Klasse, der oder die sich gerne auf ein Schlachtfeld führen lässt.

Ich habe nichts am Hut mit den Oligarchen in Russland, die sich verbrecherich am Volkseigentum bereichert haben und nun meinen, sie könnten Schiffe, Fußballvereine und Flughäfen ihr eigen nennen.

Ich habe auch nichts am Hut mit dem Oligarchen in der Ukraine, die genauso verbrecherich und korrupt an der Niederlage des Sozialismus bereichert haben.

Bei uns in der EU und in Deutschland, da nennt man diese Typen selten Oligarchen sondern einfach nur Kapitalisten. Auch mit denen will ich nichts zu tun haben, jenen Kriegsgewinnlern ob bei Rheinmetall oder sonstwo.

Und mit den imperialistischen Vertretern der USA, jenen Monopolgruppen, die nun wirklich die ganze Welt als die allein ihrige betrachtet, habe ich auch nichts am Hut.

Betrachten wir das Heute.

Die Medien wünschen sich eine russische Niederlage. Die russische Wirtschaft ist nicht unter den Sanktionen zerbrochen. Russland musste erkennen, dass seine ursprüngliche Strategie, die kriegerische Auseinandersetzung als sogenannte Sonderoperation auf niedrigem Niveau zu halten, nicht zum erwünschten Ergebnis führte. Es folgte die Vorbereitung der militärischen Offensive durch die Mobilisierung zusätzlicher Kräfte und Umstellung der Wirtschaft auf Kriegsproduktion. Jetzt befinden wir uns in einem Stellungskrieg. Täglicher Tod, tägliches Unglück, wahnsinnige Materialschlachten und wir liefern die Munition.

Wenn auch nach den Bekenntnissen von Merkel und Hollande der Westen die Zeit seit dem Minsker Abkommen genutzt hat, um die Ukraine aufzurüsten, so scheint sich aber auch Russland auf diesen Konflikt vorbereitet zu haben. Vermutlich sah man sich 2014 noch nicht in der Lage, ihn erfolgreich führen zu können, hat ihn aber wohl von da an als unausweichlich angesehen. Darauf deuten die scheinbar unerschöpflichen Materialvorräte Russlands hin, die höher sind, als der Westen vermutet zu haben scheint.

Der Westen will nicht zu offensichtlich zur Kriegspartei werden, aber er verhält sich so. Wenn auch manche im Westen glauben, sich in der Unterstützung der Ukraine völkerrechtlich auf gesichertem Terrain zu befinden, so wird ihnen das nichts nutzen, wenn Russland das anders sieht und entsprechende Maßnahmen ergreift. Man sollte die Zurückhaltung Russlands nicht wieder falsch interpretieren und sich zu sehr in Sicherheit wiegen.

Wie man die Lage auch bewertet, jeder Tag, an dem das Sterben gestoppt wird, ist ein Gewinn. Ein Gewinn für jene, die nicht sterben müssen, für jene, die keine Munition und Waffen liefern müssen, für jene, die befürchten müssen , in eine atomare Auseinandersetzung getrieben zu werden. Wenn keine Seite gewinnen kann, dann ist es für beide Seiten sinnvoll, jetzt die Reißleine zu ziehen. Wir brauchen dazu Verhandlungen jetzt. Und wir brauchen Druck auf alle Seiten, damit es zu einem stabilen Frieden kommt.

Im Februar hat der ehemalige israelischer Premier mitgeteilt, dass er hinter den Kulissen intensiv an Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau beteiligt war. Ein Waffenstillstand sei damals, so Bennett, in greifbarer Nähe gewesen, beide Seiten waren zu erheblichen Zugeständnissen bereit. Doch vor allem Großbritannien und die USA hätten den Prozess beendet und auf eine Fortsetzung des Krieges gesetzt. Am 5. März 2022 flog Bennett dann auf Einladung Putins nach Moskau. In dem Gespräch im Kreml habe Putin, so Bennett, einige substanzielle Zugeständnisse gemacht, insbesondere habe er auf sein ursprüngliches Kriegsziel einer Demilitarisierung der Ukraine verzichtet. Bennett fragte Putin, ob er vorhabe, Selenskyj zu töten. Putin sicherte ihm ausdrücklich zu, das nicht zu tun. Auf seiner Rückreise rief Bennett Selenskyj an und teilte ihm das Ergebnis mit. Der ukrainische Präsident erklärte sich im Gegenzug bereit, auf einen Nato-Beitritt zu verzichten – eine Position, die er kurze Zeit später auch öffentlich wiederholte. Damit war eines der entscheidenden Hindernisse für einen Waffenstillstand aus dem Weg geräumt.

Es gibt zu Verhandlungen keine Alternativen. Es gibt keine andere Möglichkeit zum Frieden. Beide Seiten brauchen einen Weg aus diesem Krieg. Dabei muss man beiden Seiten helfen. Hier ist die Diplomatie gefragt. Wenn wir nicht auf diesen Weg kommen, dann verlängern wir diesen Krieg, dann ermorden wir täglich Zivilisten und Soldaten und dann wächst jeden Tag die Gefahr, dass auch uns dieser Krieg treffen wird.

Deswegen muss der Rüstungsexport gestoppt werden. Schluss mit dem Wirtschaftskrieg. Keine Sonderschulden für die Bundeswehr.

Wir erleben einen der größten Reallohnverluste in der Geschichte der Bundesrepublik. Über zwei Millionen Menschen werden von den Tafeln versorgt. Es fehlt an Pflegepersonal für uns Ältere und Kranke. Es fehlen Erzieherinnen für unsere Kinder. Und da wollen wir das Geld in einen der größten Rüstungsetats der Welt stecken.

Die Mehrheit der Bevölkerung sieht die Waffenlieferungen kritisch und lehnt zumindest in der jetzigen Form den Wirtschaftskrieg ab. Wie erreichen wir in einer demokratischen Gesellschaft, dass eine solche Mehrheit sich auch im politischen Handeln durchsetzt? Diese Frage muss für die Friedensbewegung zur vorrangigen Aufgabenstellung werden.

Und so möchte ich mit unserem Friedensfreund Bertold Brecht, der dieses Jahr 125 Jahre alt geworden wäre, mit den letzten Sätzen seiner Rede für den Frieden von 1952 enden:

„Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!
Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!
Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.“

 

Michael Quetting ist Vorsitzender der Peter Imandt Gesellschaft.