Redebeitrag für den Ostermarsch in Berlin am 8. April 2023

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

Liebe Freundinnen und Freunde,

feinde! Sie können im eigenen Land stehen. Im Osten. Im Westen: Vor 20 Jahren starteten die USA einen auf Lügen gegründeten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak. 100.000nde wurden getötet. Die ganze Region in anhaltendes Chaos gestürzt, bis heute. Die durch US-Soldaten begangenen Menschenrechtsverletzungen, etwa im Knast von Abu Graib, sie kotzen mich an.

Feinde! Heute gehört Wladimir Putin dazu und seine imperiale Militärmaschine. Ich lebe in einem Land mit Meinungsfreiheit, grundlegenden Menschenrechten, unabhängiger Justiz, Verbot des Angriffskrieges, Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Gerade nutze ich die Redefreiheit. Den Menschen in Russland wurden diese Rechte genommen. Russland versucht sogar, sie hierzulande zu untergraben. So wird Russland zum Feind einer demokratischen Ordnung. Das war auch schon anders

Was tun gegen Feinde? Hochrüsten? Sich atomar bewaffnen? Einem mächtigen Militärbündnis, also gegnerischen Imperium, beitreten? Militärhilfe leisten, Waffen liefern, wenn der Nachbar angegriffen wird?

Oder beiseite stehen, dem Opfer nicht zu Hilfe kommen? Beiseite stehen oder Beistehen? Ist das die einzige Alternative? Oder ist da ein dritter Weg zwischen mit militärischer Gewalt und Passivität?

Die jüdische Gemeinde feiert in diesen Tagen Pessach. Das Fest der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten vor 3000 Jahren. Die Muslime besinnen sich im derzeitigen Fastenmonat Ramadan auf das Wesentliche. Spenden für Erdbebenopfer in Türkei und Syrien.

Gestern war Karfreitag. Die Christen gedachten der Hinrichtung Jesu. Er wehrt sich nicht mit Gewalt gegen seine Verhaftung, nimmt seinem Freund Petrus das Schwert aus der Hand. Heute ist Ostermarsch. Morgen Ostern. Aufstand des Lebens gegen den Tod! Ein lebendiger Jesus begegnet seinen Leuten, bleibt unterwegs mit denen, die „auf dem Weg“ sind. So nennt der biblische Chronist Lukas die frühen Christen. Auf dem Weg! Auf einem dritten Weg zwischen Gewalt und Nichtstun. Jesus empfiehlt eine mächtige Waffe gegen die Feinde: Liebe! Feindesliebe! Die Friedenstifter (die Pazifisten!) werden Kinder Gottes heißen. Die auf Gewalt verzichten werden die Erde besitzen. Gegen den Augenschein, wo Panzer Territorien erobern oder verteidigen. Gegen das waffenstarrende römische Imperium.

Gandhi, Martin Luther King und andere haben die Feindesliebe in intelligente Regeln für den gewaltfreien Kampf übersetzt und erfolgreiche Befreiungsbewegungen organisiert. Theodor Ebert entwickelte daraus Ende 1960er Jahre das Konzept „Soziale Verteidigung“. Der gewaltfreie Aufstand wurde seither vielerorts praktisch erprobt. Die Friedensbewegung der 1980er gegen neue Raketen in Ost und West führte 1989 zur  Revolution der Gebete und Kerzen in der DDR und trug zum Fall der Mauer bei.

Als eine Antwort auf den Ukrainekrieg startete im Juli 2022 die Augsburger „Werkstatt für soziale  Verteidigung“. Im Friedensfestprogramm, auch etwas, das es zu verteidigen gilt. In der Werkstatt dabei bisher die Augsburger Friedensinitiative, pax christi und  Mennonitengemeinde. Auch Aktivisten aus dem Klimacamp. Wir wollen aber die ganze Stadtgesellschaft ansprechen, Vereine, Kirchen, Moscheen, Gewerkschaften, Feuerwehr, THW, Rotes Kreuz, Wasserwacht, bis in die Stadtverwaltung und ins Büro der Oberbürgermeisterin. Dazu braucht es geduldige zielgerichtete Arbeit über einen langen Zeitraum, wahrscheinlich Jahrzehnte, ja Generationen. Wir beginnen mit Veranstaltungen zum Grundkonzept, Training in sozialer Verteidigung, Dokuabende zu historischen und aktuellen Beispielen.

Geben wir uns nicht zufrieden mit noch so richtigen Forderungen! Waffenstillstand! Ja! Friedensverhandlungen! Ja! Abrüstung! Ja! Aber fordern wir nicht nur, sondern ergreifen selbst die Initiative! Verändern wir diese Gesellschaft von der Basis her! Beginnen wir in dieser Stadt! Das Motto des bundesweiten Netzwerkes ähnlicher Initiativen bringt es auf den Punkt: „Wehrhaft ohne Waffen“! Rüsten wir uns mit intelligenter Feindesliebe! Wir brauchen eure Mitarbeit. Infos gibt’s am AFI-Stand.

 

 

Wolfgang Krauß ist aktiv bei der Mennonitengemeinde Augsburg.