Redebeitrag für den Ostermarsch Nürnberg am 10. April 2023

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

 

Liebe Friedensfreunde auf diesem Ostermarsch 2023,
seit den ersten Ostermärschen im Jahr 1958 in England und 1960 in Deutschland ist  unser Thema die atomare Bedrohung durch Atomwaffen und die sogenannte friedliche Atomenergie, beides gehört zusammen. Heute ist unsere Warnung vor deAtomkrieg aktueller denn je. Die sogenannte „Doomsday Clock“, die Weltuntergangsuhr ist auf 90 Sekunden vor 12 gestellt, so kritisch war die Lage noch nie!
So bedrohlich war es nicht einmal bei der Kubakrise 1962, vor 60 Jahren. Damals schreckten die Atommächte USA und Sowjetunion in letzter Sekunde vor einer direkten Konfrontation zurück und entschärften die Situation durch den Abzug der Atomraketen aus Kuba wie auch der US-Raketen in der Türkei und auf Sizilien. In der Folge betrieben sie Risiko-Minderung, wie zum Beispiel das rote Telefon, Verträge zur Begrenzung der strategischen Atomwaffen oder den ABM-Vertrag, der die Raketenabwehr limitierte, und nicht zuletzt den INF-Vertrag, der die atomaren Mittelstreckenraketen hier eliminierte. Doch heute scheint es, dass sie von all diesen „guten Geistern“ verlassen sind. Die Verträge sind gekündigt und tot, der Start-II-Vertrag läuft aus. Betont wird von beiden Seiten die angestrebte Eskalationsdominanz: Russland wiederholt öffentlich, dass es gegebenenfalls bereit ist, auch als Erster Atomwaffen einzusetzen - und die US- bzw. NATO-Strategie verzichtet ebenfalls nicht auf diese Fähigkeit. Wenn dann der „normale“ Krieg so weiter eskaliert wie bisher: erst schwere Artillerie, dann Kampfpanzer, dann moderne Kampfflugzeuge und weitreichende Raketen, dann ist der Weg zum Atomkrieg in Europa weit offen: ist das der finale 3. Weltkrieg? Deshalb mein Demo-Schild heute: „Es macht mir Angst, wenn Atommächte so verantwortungslos agieren!“ Ich will nicht Angst verbreiten, um zu lähmen, sondern ich will mobilisieren. Ich unterstütze damit nicht das „russische Narrativ“, sondern ich warne vor der ganz
konkreten Gefahr. Und für uns ist es letztlich egal, ob Russland oder die NATO zuerst diesen gefährlichen Schritt gehen: hier in Deutschland ist das nukleare Schlachtfeld! Denn in Deutschland befinden sich wichtige US Kommandozentralen. Doch beide Kriegsparteien bemühen sich, auf diesem gefährlichen Weg zügig voranzugehen. Deutschland, bzw. die Bundesregierung will die neuesten US-Atom-bomben B61-12 so schnell wie möglich als Ersatz für die bisher in Büchel gelagerten. Und unbürokratisch schnell hat man auch die super-teuren US-Kampfbomber F-35 bestellt, als wäre die Hauptgefahr, mit den Atomwaffen zu spät zu kommen!

Die neueste technische Entwicklung sind Hyperschall-Raketen, so schnell, dass sie nicht abgewehrt werden können. Das russische Modell heißt Kinshal, die konventionelle Version ist in der Ukraine schon eingesetzt worden. Das US-Modell gibt es auch schon, es heißt „ Dark Eagle“, also: schwarzer Adler. Die Zentrale dafür wird gerade in Wiesbaden aufgebaut. Die Konsequenz dieser schnellen Raketen ist, dass die Reaktionszeit nochmal extrem verkürzt wird. Die Militärs werden noch stärker auf computergestützte automatische Systeme setzen, damit steigt die Gefahr einer ungewollten Eskalation dramatisch! In den letzten Wochen wurde bekannt, dass Russland taktische Atomwaffen in Belarus stationieren will, und zwar bei weißrussischen Militäreinheiten! Einhellig wurde das international verurteilt. Aber richtig ist zugleich der Hinweis Russlands, dass die NATO sowas schon seit über 50 Jahren praktiziert, da heißt es dann „Nukleare Teilhabe“ – und Deutschland ist mit seinen Flugzeugen und Atombomben in Büchel dabei. Wir verurteilen logischerweise beide, Russland und die NATO, deshalb habe ich dieses Schild vor dem Amtsgericht in Koblenz bei Büchel hochgehalten: Atombomben in Büchel - der deutsche Beitrag zum atomaren Massenmord! Und die allerletzte Verrücktheit: es gab eine Petition an die Regierung der Ukraine, dort amerikanische Atomwaffen aufzustellen! Das wäre ein eklatanter Bruch des Atomwaffensperrvertrags! Das zeigt, wohin die militärische Eskalationslogik führt, und die muss unbedingt gestoppt werden.
Soweit die wirklich katastrophalen Tendenzen! Doch es gibt auch Positives: Immer mehr Länder der Dritten Welt stützen den Atomwaffen-Verbotsvertrag, der 2017 von einer 2/3-Mehrheit der UN-Vollversammlung beschlossen wurde und für den ICAN, die „Internationale Kampagne für die Abschaffung der Atomwaffen“, den Friedensnobelpreis erhielt. Seit 2022 ist dieser Vertrag in Kraft (siehe diese roten ICAN-Fahnen), den Deutschland und die NATO nicht billigen. Doch im globalen Süden gibt es wachsende Unterstützung dafür. Ein weiterer Erfolg ist die Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke in dieser Woche. Auch dies war vor Jahren ein utopisches Ziel! Das ist erreicht worden durch die große Ausdauer und Konsequenz der „Atomkraft Nein Danke“-Bewegung. Und wie Präsident Macron in bemerkenswerter Deutlichkeit sagte: „Ohne zivile Atomkraft keine Force de Frappe, keine französischen Atomwaffen“, genauso werden wir die Atomwaffen aus Deutschland weg kriegen als Schritt zu´ihrer globalen Abschaffung!
Dafür steht dieser Ostermarsch !

 

Wolfgang Nick