Redebeitrag auf der Kundgebung zum Antikriegstag am 31. August 2019 in Köln

 

- Es gilt das gesprochene Wort. -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Vor achtzig Jahren überfiel das von den Nationalsozialisten beherrschte Deutschland Polen und begann damit den 2. Weltkrieg. Dieser 2. Weltkrieg war ein rassistischer Eroberungs- und Vernichtungskrieg, wie ihn Hitler seit 1922 gefordert und wie ihn die die Nazis und ihre Unterstützer seit dem 30. Januar 1933 systematisch vorbereitet hatten. Die Militärs mit dem Aufbau einer gigantischen Kriegsmaschinerie, die Industrie mit einem riesigen Rüstungsprogramm, der Terrorapparat mit Polizei und SS, der jede Opposition erstickte, die Medien mit ihren Lügen und die Millionen und Abermillionen Deutsche befangen im Hitlerkult und aktiv als Mitläufer und Mittäter in der Ausgrenzung und Verfolgung der Juden und der Hetze auf alle, die diese  „Herrenmenschen“ als minderwertig ansahen. Purer Rassismus und Unmenschlichkeit trieben Roma, Homosexuelle, Bibelforscher, Zeugen Jehovas, aufrechte Christen in den Tod. Grausam wurde jeder Widerstand gebrochen.

Die Nazis hatten zwei Ziele. Das eine war die Unterwerfung Europas und die Versklavung der Völker. Sie wollten sich bereichern und sie auf Dauer ausbeuten. Und damit begannen sie sofort. Sie raubten die besetzten Länder aus, ermordeten wie in Polen die Eliten, verübten vom ersten Tag an Kriegsverbrechen. Im Laufe des Krieges wurden Millionen als Zwangsarbeiter rekrutiert. Millionen Kriegsgefangene verhungerten oder wurden durch Sklavenarbeit in den Tod getrieben. Aber das eigentliche von den Nazis in aller Offenheit verkündete Ziel war die Vernichtung aller jüdischen Menschen, derer sie habhaft werden konnten. Dieses Ziel haben die Nazis mit Billigung die meisten Deutschen bis in die letzten Tage des Kriegs konsequent verfolgt. Sie haben 6 Millionen Jüdinnen und Juden kaltblütig ermordet – ein in der Geschichte einmaliges Verbrechen! Die Menschheitsverbrechen der Nazis dürfen niemals vergessen, verdrängt und relativiert werden!

Aber als amerikanische Truppen auch Köln besetzten, waren die Soldaten erschüttert, dass alle, die in der Stadt lebten, ihnen versicherten, nie etwas mit den Nazis zu tun gehabt zu haben. „Sie beteuerten ihre Unschuld, beklagten ihr Leid in den Bombennächten, aus Tätern wurden Opfer“, so die US Journalistin Marta Gellhorn 1944. Hannah Arendt klagte Anfang der fünfziger Jahre: „Dieser allgemeine Gefühlsmangel (angesichts der Naziverbrechen), diese Herzlosigkeit, die manchmal mit billiger Rührseligkeit kaschiert wird, ist jedoch nur das auffälligste Symptom einer tiefverwurzelten, hartnäckigen und gelegentlich brutalen Weigerung, sich dem tatsächlich Geschehenen zu stellen.“

Vergessen wollen, Verdrängung, Schlussstrichmentalität, Relativierung des Holocaust verhinderten eine Aufarbeitung der Vergangenheit. Und heute ermöglichen sie es, dass sich die braune Pest in blauer Farbe, diese Höckes, Gaulands und Weidels, dass sie sich wieder so ausbreiten, und ihre Propagandisten, anstatt der allgemeinen Verachtung anheimzufallen, sogar noch in Parlamente gewählt werden. Sie werden stark, weil für viele die Geschichte vergangen zu sein scheint, weil die Humanität und die Mitmenschlichkeit immer schwächer werden.

Wenn ich an den Umgang leider allzu vieler Menschen und auch mancher Medien mit den Roma, mit den Muslimen, mit den Schwarzen Menschen, mit den Flüchtlingen und mit den jungen Menschen aus Nordafrika denke, dann höre ich auch wieder die deutschen Herrenmenschen mit ihrer selbstgerechten Moral und Spießigkeit heraus, die alle, die sie als anders empfinden, am liebsten wieder aus dem Lande treiben und abschieben würden.

Und was ist es anders als Ausdruck puren Hasses und tiefer Menschenfeindlichkeit, wenn sich der Antisemitismus wieder im Öffentlichen wie im Privaten breitmacht: im Alltag und in den sozialen Netzwerken mit Hass und Verschwörungstheorien, an vielen Schulen und in der Öffentlichkeit, wo Jude wieder ein Schimpfwort ist, in Überfällen auf Jüdinnen und Juden. Es ist beschämend, wenn die Justiz keinen Weg zu wissen scheint, antisemitische Plakate einer neonazistischen Partei zu ahnden, und es wäre eine Schande für unsere Demokratie, wenn Jüdinnen und Juden aus Furcht vor Verfolgung Deutschland wieder verließen.

Darum haben wir die Verantwortung dafür, dass Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus, wo und wie auch immer sie auftreten, entschieden bekämpft werden. Betroffene wehren sich und mahnen in der Öffentlichkeit, aber dies ist in erster Linie unsere Aufgabe, die Aufgabe der Zivilgesellschaft in Deutschland. Es gilt mehr denn je: Haltung zeigen! Informieren, diskutieren, in die Öffentlichkeit gehen und eintreten für den respektvollen Umgang und die Wahrung der Würde des Menschen. Das müssen wir alle tun – heute, hier und jetzt!

Und wenn wir gegen Hass und keine Feindbilder im Inneren eintreten, dann gilt das erst recht für das Handeln Deutschlands in der Welt. Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg, von deutschem Boden muss Frieden ausgehen!

Darum muss Deutschland in Europa wieder für Verständigung und Ausgleich sorgen und sich einem neuen Wettrüsten entschieden entgegenstellen. Mich erschreckt, wenn Russland wieder pauschal als Gegner, ja Feind wahrgenommen wird, während andere Diktaturen mit Waffen beliefert werden oder wie die Diktatur in China mit Samtpfoten angefasst werden. Viel zu lange wurde statt Friedens- Sicherheitspolitik betrieben, die die Sicherheit ökonomischer und politischer Machtinteressen in den Mittelpunkt gestellt hat. Notwendig ist eine Wende, eine Wende zu einer Friedenspolitik, in der Konflikte mit friedlichen Mitteln geregelt werden. Denn nur im Frieden können wir sicher leben.

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg - das waren immer die Botschaften zum Antikriegstag, seit ihn die Falken und die DGB Jugend in den sechziger Jahren wieder initiiert haben, und das sind auch heute unsere Forderungen und daran werden wir festhalten, bis endlich die Konsequenzen aus dem Menschheitsverbrechen des zweiten Weltkrieges gezogen sind.

Vielen Dank.

 

Wolfgang Uellenberg-van Dawen ist Vorsitzender des ELDE-Haus-Verein in Köln.