Redebeitrag bei der Ostermarsch-Fahrradtour am 10. April 2023

 

-Sperrfrist: 10. April, Redebegnn: ca 11 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Statt einer Militarisierung der Gesellschaft: Kriegsdienstverweigerung und gewaltfreier Widerstand

 

Liebe Zuhörende,

ich heiße Achim Schmitz und rede diesmal als Mitglied im Bund für Soziale Verteidigung, einer bundesweiten Friedensorganisation, die am Ende des Kalten Krieges entstand. Bevor ich auf die Soziale Verteidigung eingehe, sage ich einiges zur Kriegsdienstverweigerung, die während des Ukraine-Krieges eine wichtige Bedeutung hat.

Wir stehen hier beim Salvea Gesundheitszentrum, wo früher das Kreiswehrersatzamt war und davor die Kaserne der fragwürdigen „Krefelder Tanzhusaren“, die vom Kaiser Wilhelm II nach Krefeld versetzt wurden, um den dortigen Wunsch nach sog. „schmucken Tänzern“ bzw. „feschen Offizieren“ zu erfüllen.[1]

Die Grundsatzerklärung der War Resisters‘ International lautet: „Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“ Weiterhin verurteile ich jeden Krieg aufs Schärfste, so auch den Angriffskrieg des Putin-Regimes in Russland gegen die Ukraine.

Zur Militarisierung der Gesellschaft gehört die aktuelle Diskussion über eine Wiedereinführung der sog. „Wehrpflicht“, also des Kriegsdienstzwangs. Der neue Militärminister Boris Pistorius nannte die Aussetzung „einen Fehler“; FDP-Chef Christian Lindner sprach sich jedoch gegen die Wiedereinführung aus.[2]

Die DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) Nordrhein-Westfalen weist auf eine starke Erhöhung der Zahl der Kriegsdienstverweigerer bei der Bundeswehr nach Beginn des Ukraine-Krieges hin: „2022 wurden 951 Anträge gestellt, fünfmal mehr als im Vorjahr. Trotz Aussetzung der Wehrpflicht besteht das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung natürlich fort. Verweigern können Personen, die jetzt bei der Bundeswehr sind, aber auch Reservisten und Ungediente.“[3]

Der Verein Connection e.V. unterstützt Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus verschiedenen Ländern (so auch aus Ukraine, Russland und Belarus), auch wenn sie Zuflucht suchen. Ich zitiere aus einer Presseerklärung von PRO ASYL und Connection e.V. vom 24.2.2023:

„Auch nach einem Jahr des verbrecherischen Angriffskrieges durch Russland auf die Ukraine gibt es für Menschen, die das Kämpfen und Töten in dem Krieg verweigern, keine legalen Zugangswege zu Asyl in Europa und Deutschland. PRO ASYL und Connection e.V. fordern deutsche Politiker*innen auf, ihren vollmundigen Versprechungen Taten folgen zu lassen.“[4]

Weiterhin brauchen Kriegsdienstverweigerer und Deserteure unsere Unterstützung: "Russische Verweigerer werden in Asylverfahren abgelehnt, in der Ukraine werden Kriegsdienstverweigerer zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Über 100 Organisationen aus über 20 Ländern zeigen ihre Solidarität und setzen sich für diese Menschen ein. Sie fordern anlässlich des Krieges in der Ukraine: Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus Russland, Belarus und Ukraine. Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung muss gerade auch in Kriegszeiten Gültigkeit haben."[5]

Wie ist z.B. die Ablehnung des Asylantrags eines russischen Verweigerers durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Ende Januar 2023 zu bewerten, der sich einer möglichen Rekrutierung entzogen hatte? Das BAMF schrieb: „Es ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller gegen seinen Willen zwangsweise zu den Streitkräften eingezogen würde.“[6]

Connection e.V. weist darauf hin, dass schätzungsweise ca. 150.000 russische militärdienstpflichtige Männer (18-60 Jahre) ihr Heimatland verlassen haben. „Für die Ukraine kommen wir auf eine Zahl von schätzungsweise 140.000, für Belarus auf ca. 22.000.“[7]

Weder in der Ukraine noch in Russland noch in Belarus wird das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung in der Weise umgesetzt, wie es durch diverse internationale Gremien und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingefordert wird.[8]

Bis Mai 2023 läuft die Unterschriftenaktion zu Schutz und Asyl für Deserteure und Verweigerer, die sich an die Gremien der Europäischen Union richtet. Darin werden offene Grenzen sowie Schutz und Asyl für Verweigerer und Deserteure eingefordert. Bitte beteiligt Euch an dieser Aktion! Ich kann Euch den Link geben.[9]

Zum Schluss sage ich noch etwas zur Sozialen Verteidigung: Der danach benannte Bund für Soziale Verteidigung initiierte eine Kampagne "Wehrhaft ohne Waffen – Soziale Verteidigung voranbringen".[10] Sie zielt darauf ab, über Soziale Verteidigung zu informieren, zum Mitmachen zu ermutigen, um Soziale Verteidigung in lokalen Gruppen erlebbar zu machen und Druck auf Entscheidungsträger*innen für Veränderungen zu erzeugen. Krieg wie z.B. in der Ukraine bringt katastrophale Zerstörungen, Leid, Hass und Tod. Dazu gibt es gewaltfreie Alternativen.

Ich möchte in unserer Region dazu beitragen, dass Soziale Verteidigung auch hier als eine gewaltfreie Alternative zu Aufrüstung und Krieg aufgebaut werden kann. Dafür benötigen wir Trainings in gewaltfreiem Widerstand, wie er einigen von Euch vielleicht von früheren Aktionen gegen Atomwaffen und Atomkraft, aber auch heutzutage gegen den Braunkohle-Tagebau vertraut sein könnte. Ihr könnt mich gern darauf ansprechen.

Interessierte können gern mein Redemanuskript mit Quellenangaben auf der Homepage des Krefelder Friedensbündnisses nachlesen.[11] Ich danke für Eure Aufmerksamkeit und wünsche Euch trotz allem einen schönen restlichen Ostermontag.

 

Achim Schmitz ist aktiv beim Krefelder Friedensbündnis.

 

Anmerkungen:

  1. https://kultur-in-krefeld.de/kultur-index/husaren/
  2. https://www.tagesschau.de/inland/rueckkehr-wehrpflicht-debatte-101.html
  3. https://nrw.dfg-vk.de/anti-rekrutierung/
  4. https://de.connection-ev.org/article-3743
  5. https://de.connection-ev.org/pdfs/flyer-get-out2023.pdf
  6. https://de.connection-ev.org/article-3735
  7. https://de.connection-ev.org/pdfs/2022-12-02_BeilageWeb.pdf
  8. https://www.proasyl.de/hintergrund/kriegsdienstverweigerung-und-desertion-belarus-russische-foederation-und-ukraine/
  9. https://you.wemove.eu/campaigns/russland-belarus-ukraine-schutz-und-asyl-fur-deserteure-und-verweigerer
  10. https://wehrhaftohnewaffen.de
  11. http://krefelder-friedensbuendnis.de/