Redebeitrag für den dezentralen Aktionstag der Friedensbewegung am 1. Oktober 2022 in Hamburg

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Kriegsgegner und Friedensfreundinnen,

meine Gewerkschaft ver.di, für die ich seit Jahrzehnten als ehrenamtlicher Funktionär aktiv bin, hat mich gebeten, hier auf dieser Kundgebung der Hamburger und Norddeutschen Friedensbewegung zu sprechen, und das tue ich mit großer Genugtuung und Freude, gerade weil dies seit dem 24. Februar diesen Jahres gar nicht mehr so selbstverständlich ist.

Auf unserer Bezirksdelegiertenkonferenz vor genau drei Wochen in Elmshorn haben wir, der ver.di-Bezirk Schleswig-Holstein Süd-West, uns sehr viel Zeit genommen, uns mit dem Krieg in der Ukraine und seinen Folgen zu beschäftigen. Wir hatten unseren Pinneberger Kollegen Ralf Stegner, der für die SPD im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages sitzt, zu einem Vortrag und zur Diskussion eingeladen und im Anschluss einmütig die folgende Resolution verabschiedet:

„Der Krieg, den Russland - unter Bruch des Völkerrechts - gegen die Ukraine führt, verursacht Leid, Tod und Verwüstung. Mit jedem Tag, den der Krieg länger dauert, kommen mehr Menschen ums Leben, werden körperlich verletzt oder psychisch traumatisiert. Mit jedem Tag wächst das Risiko, dass sich der Krieg auf andere Staaten ausweitet oder eskaliert. Und jeden Tag verstärkt sich die weltweite Hungersnot, die schon vor dem Ukrainekrieg ca. ein Zehntel der Weltbevölkerung betraf. Jeder Kriegstag ist einer zu viel – der Krieg muss jetzt so schnell wie möglich beendet werden. Es braucht einen Weg aus der militärischen Eskalationsspirale. Dafür sind Waffenstillstand und Friedensverhandlungen unumgänglich.

Wir sagen: Verhandeln statt Schießen! Die Kriegsparteien Russland und Ukraine müssen unter Leitung der Vereinten Nationen oder einer anderen neutralen Instanz an einen Tisch gebracht werden. Auch die Großmächte USA, China und EU sind dabei einzubeziehen. Es braucht gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland und der NATO unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Ukraine.

Wir lehnen Waffenexporte in Kriegs- und Krisengebiete grundsätzlich und auch in diesem Falle ab. Damit stellen wir den Willen eines Teils der ukrainischen Bevölkerung, sich mit Waffen zu verteidigen, nicht in Frage. Wir befürchten aber, dass der Einsatz von immer mehr und immer schrecklicheren Waffen zu einem mehr an Toten, Verletzten und Zerstörung führen und zu einer unabsehbaren Verlängerung und Verschärfung des Krieges führen wird, an der – außer der Rüstungsindustrie - niemand interessiert sein kann.

Wir setzen uns ein für die internationale Kooperation in Europa und weltweit, um die Grundlage für eine Politik der gemeinsamen Sicherheit und notwendigen Bekämpfung von Klimakatastrophe und Armut zu schaffen“

Soweit unsere Resolution zum Ukrainekrieg.

Zur Antragsdiskussion hatten die Kolleg*innen und Kollegen des Ortsvereins Neumünster einen Antrag vorbereitet, der mit folgender Forderung überschrieben war:

„Kein Aufrüstungspaket und keine Steigerung des Militäretats! Steckt dieses Geld ins Gesundheitswesen, in Soziales, Bildung, Umwelt-, Klima-, Energiewende und Infrastrukturmaßnahmen sowie in die Bekämpfung von Armut“. Mit diesem Antrag wendet sich unser ver.di-Bezirk ganz explizit auch „gegen jegliche atomare Teilhabe Deutschlands“ und damit gegen den „Kauf von Kampfjets, die Atombomben transportieren können“ und fordert, dass „die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet“.

In der Begründung des Antrages wird die schon seit Jahren betriebene massive Aufrüstung Deutschlands angeprangert, die durch das sog. Sondervermögen von 100 Milliarden und die dauerhafte Steigerung des Verteidigungshaushaltes auf mind. 2 % auf die Spitze getrieben wird. Das Geld fehlt dann bei der Bekämpfung von Armut und prekären Beschäftigungsverhältnissen. Zudem wird sich die Ausgabensteigerung für Rüstung auch „negativ auf unsere Tarifrunden im öffentlichen Sektor auswirken“. „Durch eine Vermögensabgabe für Milliardäre müssen die sozialen und ökologischen Aufgaben finanziert werden, muss der Preisanstieg für Energie bei den ärmeren Teilen der Gesellschaft ausgeglichen werden. Soziale Gerechtigkeit stärkt demokratische Gesellschaften!“ Und: „Die weitere Steigerung der 18-fachen militärischen Überlegenheit der NATO gegenüber Russland auf das 25-fache hilft der Ukraine nicht, sie wird Russland nicht von seinem kriegerischen Weg abbringen, sondern eher seine Bedrohungsängste weiter steigern. Sie führt in die Richtung eines neuen Wettrüstens und eines langen Kalten Krieges mit erhöhtem Risiko eines neuen Weltkrieges, der dann vermutlich der letzte sein wird.“

Der Antrag selbst schließt mit der Feststellung: „ver.di engagiert sich für diese Ziele gegenüber der Bundesregierung, mobilisiert die eigenen Mitglieder für diese Ziele und arbeitet dafür mit der Friedensbewegung und allen gesellschaftlichen Gruppen zusammen, die die gleichen Ziele verfolgen.“

Aus diesem Grunde stehe ich heute im Namen des Bezirksvorstandes SH-Süd-West hier auf dem Hamburger Fischmarkt und spreche auf dieser Kundgebung der Friedensbewegung. Und ganz besonders freut es mich, dass ich damit gleichzeitig der Aufforderung meines Landesbezirks Nord (SH/MVP) folge, der Anfang der Woche die Mitglieder im ver.di LBZ Nord aufgerufen hat, „sich auf Grundlage seiner Positionierung zu Frieden und Völkerverständigung an den dezentralen Aktionen des Friedensbündnisses am 1.Oktober 2022 zu beteiligen. Wir wollen ein Europa, eine Welt, ohne Kriege, in der die Menschen friedlich zusammenleben und die Zukunft gemeinsam gestalten.“ (PM 04/22)

Ich hoffe und wünsche mir, dass sich meine Gewerkschaft ver.di wieder stärker in die Friedensbewegung einbringt und auch im bevorstehenden „heißen Herbst“ gegen den „kalten Winter“ nicht vergisst, dass wir mit der Kampagne „Solidarisch durch die Krise!“ am 22. Oktober nur dann Erfolg haben werden, wenn wir dem Krieg ein Ende bereiten können, sowohl dem militärischen als auch dem wirtschaftlichen! Dafür werde ich mich in den nächsten Wochen und Monaten mit aller Kraft einsetzen.

 

Dr. Christof Ostheimer ist aktiv beim ver.di Bezirk SH-Süd-West und Landesbezirk Nord.