Redebeitrag für den bundesweiten Aktionstag der Friedensbewegung am 1. Oktober 2022 in Berlin

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Im Grunde kann man sagen: Wir wollen den Krieg nicht. Und das ist schon das Problem. Weil auch Annalena Baerbock hier stehen und sagen könnte:

Ich will auch den Krieg nicht.

Das Problem ist, dies wurde schon immer wieder gesagt. Aber danach kommt:

das gegnerische Lager trägt die Verantwortung.

Der Führer des Gegners ist ein Teufel.

WIR kämpfen für eine gute Sache.

Das sind vier von 10 Formulierungen, die Arthur Ponsenby 1928 in seinem Buch „Lügen in Kriegszeiten“ veröffentlicht hat. Und diese Sprüche gelten bis heute noch und appellieren an Gutmenschentum, an Leute, die für die gute Sache, auf der richtigen Seite stehen wollen. Da sind wir alle nicht frei von. Das Problem ist nur, man muss begreifen, was dahintersteckt. Es sind nicht die Sprüche, es sind die Infrastruktur, die Macht, die Interessen.

Karl Krauss, der österreichische Satiriker, hat schon gefragt: „Wie wird die Welt regiert und in den Krieg geführt?“ Und seine Antwort lautete: „Diplomaten belügen Journalisten und glauben es, wenn sie‘s lesen.“ Heute ist der technische Aufwand für dieses Informieren und sich selbst dann Überzeugen, wenn man es dann so braucht, aufwendiger. Darüber will ich unter anderem reden.

Ich möchte erinnern: Der erste Weltkrieg begann damit, dass Anfang August 1914 ein französischer Bombenabwurf auf Nürnberg behauptet wurde, der nie stattgefunden hat. Es war im reinsten Sinn eine Falschmeldung, die dazu führte, dass die Deutschen den Franzosen den Krieg erklärt haben. Das war das, was Krauss dazu geführt hat, zu sagen, „den Journalismus und die intellektuelle Korruption, die von ihm ausgeht, mit ganzer Seelenkraft zu verabscheuen.“

Worum es geht, hat auch die rechtskonservative, katholische Wochenzeitung Die Tagespost klar dargelegt: „Die Hoheit über die Verbreitung von Informationen zu erlangen und zu behalten, ist als Kriegsziel heute mindestens so wichtig wie die Lufthoheit über feindliches Gebiet. Als erlaubt gilt, was den eigenen Zielen nützt.“

Das ist der Hintergrund, vor dem Medien, Leitmedien, ihre Arbeit machen. Herr Habeck sagte in einem Interview mit der ZEIT: Also Angst vor einem dritten Weltkrieg, „die habe ich nicht.“ Was für eine Fantasielosigkeit oder Vergessenheit! Ich erinnere: Am 26. September vor 39 Jahren hat ein Russe, Stanislaw Petrow, dafür gesorgt, dass wir heute hier noch stehen können. Er hat auf einen Angriff, den sie in Russland sahen – einen nuklearen Angriff von Seiten der USA auf Russland – NICHT reagiert und damit eine Katastrophe verhindert. Vor 39 Jahren! Im nächsten Jahr werden es 40 sein. Erst viel später hat die Öffentlichkeit davon erfahren. Daran müssen wir erinnern und zeigen, was im Hintergrund läuft. Auch wenn im Vordergrund einer wie Habeck steht und sagt: Ich habe keine Angst vor einem Atomkrieg.

Was zwischen zwei Atommächten, den USA und Russland, über die Ukraine passiert mit ihrem professionellen Präsidentenschauspieler, das ist doch nichts anderes, als immer am Rande der möglichen Auseinandersetzung eines großen Krieges zu sein.

Die Angst hat man einfach. Und wenn dann über die Medien gesagt wird: Die Russen sind am 24. Februar einmarschiert. Sie haben die Ukraine angegriffen. Da hat der Krieg angefangen. Dann ist das die Behauptungssituation.

Ich meine, das ist die völlige Vergessenheit jeder geschichtlichen Analyse. Wollen wir uns nicht wenigstens daran erinnern, dass es 2013/14 einen Euromaidan gab, der ganz offensichtlich, mit Milliarden gefördert von Nulands „Fuck The EU“-USA, dafür gesorgt hat, dass da ein Putsch passierte. Die Telefonate sind da. Die Toten waren da. Es war ein Putsch, ein Putsch, der für die Verteidiger dieses Krieges kein Putsch sein darf!

Danach gab es Tote, allein zwischen 2014 und 2018 in der Ostukraine bei militärischen Auseinandersetzungen nach UN-Schätzung knapp 13.000. Ist das kein Krieg? Dieser Krieg war also schon da. Er wird jetzt weitergeführt. Russland marschiert dort ein, verletzt die Souveränität, all das ist klar, aber der Krieg war vorher da, und er war von anderen schon gewollt.

Jetzt muss man sehen, was passiert. Leute sind betroffen, sie haben Angst. Ich erinnere an eine Diskussion und will an ihr klarmachen, wie Medien funktionieren, bzw. was man, wenn man genau hinguckt, lernen kann: Es gab am 31.8. dieses Jahres das Forum 2000 in Prag. Da war Frau Baerbock und sagte auf der Bühne: „Wenn ich den Menschen in der Ukraine zugleich das Versprechen gegeben habe: Wir stehen an Eurer Seite, solange Ihr uns braucht, dann möchte ich es einlösen, egal, was meine deutschen Wähler denken.“

Empörte Reaktionen darauf gab es massenweise. Aber sie hat gesagt: Egal, was MEINE Wähler denken. Und das ist doch in Ordnung, wenn sie nicht wiedergewählt wird von IHREN Wählern! Was sie da gesagt hat, war ihre Meinung, sie wollte alle umarmen, war eben emotional dabei, wollte was versprechen. Danach gab es eine Riesendiskussion über die politischen Grenzen hinweg. Es gab Fälschungen, die Faktenchecker konnten wieder zuschlagen und sagen: ist alles nicht wahr. Aber was Wahnsinn ist: Man hat schlicht und ergreifend nicht hingeguckt.

Dieses vertrauenerweckende solidaritätsolivgrüne Gelaber von Frau Baerbock ist nicht das Entscheidende. Man hätte mal fragen können, wer macht denn diese Veranstaltung? Wer sind diejenigen, die das Ganze überhaupt hoch in die Öffentlichkeit bringen? Unter anderem ist ein Hauptförderer die National Endowment for Democracy NED. Diese NED wurde 1983 von Reagan und Casey, dem damaligen CIA-Chef gegründet. Warum? Damit man über diese ‚Zivilorganisation für Demokratie‘ staatliche Gelder, Kongressgelder fließen lassen kann in andere zivile Organisationen, die dann weltweit für die Art von Demokratie kämpfen, für die die US-Regierung, und die Eliten dort –und mitunter auch hier – stehen.

Es geht darum, dass diese NED letztendlich dazu dient, die Arbeit der CIA und geheimdienstliche Arbeiten in NGOs zu machen. Und wenn die NED ein Hauptförderer ist, dann weiß man doch, wer dort diese Veranstaltung gerade macht. Im Abspann kann man es auch klein sehen, wenn man es nicht groß sieht: Radio Free Europe, Radio Liberty, das sind die CIA-Sender. Es gibt dabei noch andere, aber es ist eine Interessensgruppe unter anderen, die dafür zu sorgen hat, dass letztendlich international Informationen im Sinne dieser Leute verbreitet werden. Das sind also geheimdienstliche Aufträge, vor deren Wand eine Frau, die Bundesaußenministerin, sitzt und diesen Spruch ablässt.

Danach hat sie noch mit ihrem Ministerium klarmachen können, es geht um ‚Strategische Kommunikation‘, es geht darum, dass diese Strategische Kommunikation ausgebaut werden muss. Wir müssen begreifen, dass das, was wir im Fernsehen sehen, ein Teil der Strategischen Kommunikation ist.

Strategische Kommunikation bedeutet, dass die Ziele von Interessensgruppen PR-mäßig, wissenschaftlich wie Waren verkauft werden, um optimale Ziele zu erreichen. Das, was wir in den Hauptsendungen von ZDF, ARD u.a. sehen, ist schlicht und ergreifend Teil der Strategischen Kommunikation für das Ziel der Generalmobilmachung für diesen Krieg. Ob das immer alle, die das machen, wissen, ist was Anderes. Sie tun es. Es geschieht fahrlässig oder vorsätzlich.

Beispielsweise habe ich vor ein paar Tagen, am 28. September, die Tagesthemen angeschaut. Dort wurde analysiert, wie es zu dem Anschlag auf Nord Stream 2 und 1 gekommen ist, damals noch drei, heute sieht es nach vieren aus, und Ingo Zamperoni, der Moderator, hatte jemanden als Experten eingeladen, einen Herrn Neumann. Der schaffte es, zu erklären – obwohl es keine Indizien gab –, eine psychologische Analyse zu machen, warum die Russen ein Interesse daran haben, ihre Leitungen zu sprengen. Also, da sage ich, das ist ein echter Putin-Versteher!

Normalerweise würde man im journalistischen Bereich sagen, okay, wenn ihr schon jemanden wie Neumann als Experten auftreten lasst, der am Ende sagt: Sicher sind wir nicht, aber es könnte sein, dass es die Russen waren, dann kann ich zumindest die Frage erwarten oder einen anderen Experten befragen, was hat die NATO eigentlich gemacht? Oder die USA? Die könnten das doch auch. Ja, es gibt sogar stärkere Hinweise, dass die das geübt haben. Das sind keine Beweise, aber man kann es mal diskutieren, man kann ein bisschen Klarheit schaffen.

Und was in so einer Sendung journalistisch gut ankäme, wäre, deutlich zu machen, wer denn dieser Herr Neumann ist. Er kommt vom King‘s College. Er ist ein Fachmann für Kriegsstudien, für Terrorismus. Er ist dort jemand, der an einem Fachbereich arbeitet, der sozusagen NATO-konform Leute ausbildet, den Leuten in diesen Bereichen westlicher Militärorganisationen dort die Ausbildung liefert. Da besteht ein enger Kontakt zum militärisch-geheimdienstlichen Bereich und das sollte man einfach angeben zur Person dieses Experten.

Und dass er nebenbei auch noch Herrn Laschet in seinem Kanzler-Wahlkampf beraten hat, sollte auch nicht unterschlagen werden. Ich als Zuschauer möchte doch wissen, wer mir erklärt, dass es die Russen waren. Ich möchte wissen, wer das ist, welche Interessen er hat. So geht Journalismus. Es würde ganz anders aussehen, wenn Herr Zamperoni auch nach NATO und den USA fragen würde und erklären würde, was oder wer hinter diesem Menschen steckt.

Übrigens, er hat auch noch eine Firma hier in Berlin unterstützt, die heißt MONARCH. Was macht diese Firma MONARCH? Sie arbeitet privatwirtschaftlich im nachrichtendienstlichen Angebotsgeschäft. Und diese Firma wurde mitbegründet von einem ehemaligen BND-Chef. Das alles geschieht hier vordergründig in dem Bericht, Hintergründe gehen flöten oder werden nicht weiter erwähnt. Ich möchte aber so etwas, in journalistisch aufklärerischer Weise, in einer Sendung, die über GEZ-Gebühren bezahlt wird, erfahren. Das ist wichtig!

Das hat aber auch damit zu tun, dass wir hier – in Europa – inzwischen professionelle Infrastrukturen für Strategische Kommunikation haben, die auch so heißen: Es gibt etwa in Europa die Strategische Kommunikation Ost, die EU East StratCom. In der arbeiten die EU und die NATO zusammen, um die Kommunikationen zu beauftragen, die in ihrem Sinne sind.

Ich möchte noch zwei Sachen anmerken, die wichtig sind: Wir erleben heute einen Tag, ab dem eine hybride Bedrohungslage umgesetzt werden kann ins Militärische. ‚Hybride Bedrohungslage‘ ist einer von diesen amorphen Begriffen, die eingeführt worden sind, um zu verschleiern, dass das – diese Bedrohung kommt natürlich auch von den Russen – etwas ist, wodurch man die binäre Einteilung in die Formen Krieg und Frieden, die völkerrechtlich beurteilend so gemacht wird, überschreitet. Und man nun jede Bedrohung, so wie es einem passt, PR-mäßig zu einer hybriden Bedrohung machen kann.

Mit dieser Begründung nimmt also ab heute, dem 1.Oktober 2022, das territoriale Führungskommando der Bundeswehr seine Arbeit auf. Das ist unter anderem für Inlandseinsätze, bzw. für entsprechende militärische Einsätze im Katastrophenfall oder beim Heimatschutz z.B., vorgesehen und auch in Bereichen zuständig, wo es bisher kein Militär gab.

Das heißt, mit Hilfe der sogenannten ‚hybriden Kriegsführung‘, mit Hilfe von Begriffen, die man nicht weiter beachtet, gelingt es, eine ganze Gesellschaft weiter für die Zukunft zu militarisieren. Das müssen wir auch klarmachen.

Zu Beginn der Kundgebung wurde betont, dass wir nichts mit Rechten machen.

Die Rechten sammeln nur gerade die emotional verängstigten, emotional aufgeladenen Menschen, Leute, die Schiss haben, im Winter überhaupt noch ihre Rechnungen bezahlen zu können. Was all den bürgerlichen Parteien aber gemeinsam ist, und zwar von SPD bis AfD, sie unterstützen einen neoliberalen Kapitalismus und stehen dahinter. Alle gemeinsam. Das einigt sie in verschiedenen Formen. Und es ist dieser Neoliberalismus, der zu bekämpfen ist. Es ist dieser Neoliberalismus, der letztendlich antidemokratisch und asozial ist, um es an einer Stelle klarzumachen.

Ja, auch einige Linke bemühen sich darum, dort den Anschluss zu kriegen. Da kriegt man teilweise die Krise, wie da argumentiert wird und wie Wagenknecht verurteilt wird. Das ist doch unglaublich. Sollen sie doch sagen:

Ich bin neoliberal, ich unterstütze hierbei diese Sozialdemokratie, diese CDU und die FDP auf ihrer politischen Strecke

Wir wollen diesen Kapitalismus, diesen neoliberalen Kapitalismus weiter aufrechterhalten. Mit postmodernen, antiaufklärerischen Ideen.

Man muss begreifen, dass es darum geht, grundsätzlich etwas an dieser Gesellschaftsordnung zu kritisieren und Demokratie ernsthaft einzufordern, und man muss dabei bedenken: Der Neoliberalismus ist eine spaltende und undemokratische Entwicklungsetappe dieser kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Es ist die antiaufklärerische Ideologie, die von Zeit zu Zeit Sprünge macht und den bürgerlich-demokratischen Staat innerhalb seiner Fassadendemokratie zu faschistischen Zukünften führt.

Wenn wir also nicht langsam mit dieser postmodernen, irren Ideologie aufhören und diese ganzen Formen der ‚Strategischen Kommunikation‘ aufdecken und dann öffentlich verbreiten und uns dagegen wehren, dann haben wir uns mitschuldig gemacht bei einer sicheren und langsamen Faschisierung dieser Gesellschaft, die irgendwann da ist. Und dann ist es zu spät.

Wir unterscheiden uns von den Rechten und Rechtsextremen darin, dass wir die Gesellschaftsordnung analysieren wollen. Dieser Kapitalismus in seiner neoliberalen Form ist die Gefahr, die das ganze hervorbringt. Gerade dieser Kapitalismus soll aber in dieser neoliberaleren Form geschützt werden, nicht nur von den Regierenden, sondern eben auch von den Rechten und Rechtsextremen.

An noch etwas möchte ich erinnern: Vor fast 40 Jahren, im Jahr 1983, gab es ein Buch zum NATO-Doppelbeschluss, in dem aufgezeigt wurde, wie damals offiziell gelogen worden ist. Es war Karl D. Bredthauer, der Herausgeber dieser Dokumentation mit dem Titel „Sage niemand, er habe es nicht wissen können. – Auf welche Weise und wozu die USA den nuklearen Erstschlag vorbereiten.“ So etwas bräuchten wir in einer neuen, aktuellen Form heute wieder. Interessant ist auch: Ein gewisser Olaf hat damals mitorganisiert in der Friedensbewegung. Jetzt ist er Kanzler. Wieviel Selbstvergessenheit oder Opportunismus muss dabei da sein?

Wir jedenfalls müssen die Gesellschaftsform kritisieren und sie ändern, hin zu einer wirklich sozialen, sozialistischen Demokratie, wenn wir es wollen. Aber erst einmal müssen wir klarlegen, analysieren, die Hintergründe aufdecken, warum und wie uns all der unsägliche Unsinn erzählt wird.

UND: Wir wollen den Krieg nicht! Ja, aber vor dem Hintergrund, weil wir wissen und begriffen haben, warum der Krieg als Mittel eines kapitalistischen Wettbewerbs von anderen dort in der Ukraine stattfindet, zu Ungunsten der Ukrainer, zu Ungunsten der Russen, zu Ungunsten der amerikanischen Bürger und uns allen hier. Dieser Krieg dient sicher nicht der Rettung der Zukunft! Es geht uns aber um die Erhaltung unserer Gattung, der Menschheit, es geht ums Klima, und vieles andere, es geht ums Ganze. Das müssen wir immer wieder klarmachen dabei.

Vielen Dank.

 

Ekkehard Sieker ist Journalist und Autor und lebt in Berlin.