ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch Rhein-Ruhr in Duisburg am 11. April 2020

 

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Meine erste Ostermarschrede habe ich mir so nicht vorgestellt, ich wollte in Duisburg am Hauptbahnhof zu Euch sprechen direkt und persönlich nicht nur schriftlich und per Video.

60 Jahre Ostermarsch und wir sind nicht auf den Straßen. Vor wenigen Monaten ein undenkbarer Gedanke. Aber es ist richtig, dass wir dieses Jahr zu Ostern nur online protestieren. Der Schutz, die Sicherung und der Erhalt eines jeden Lebens ist für uns – die Friedensbewegung – oberstes Ziel und Gut.

Dieses gesagt, kritisiere ich aber auch auf das schärfste, die mit dem Coronavirus verbundenen Kriegshysterie der offiziellen Politik und großer Teile der Medien. „Wir befinden uns im Krieg“, „die Bazooka“ wird gezogen, „der Feind“ wird propagiert. Diese Wortwahl ist dem Ringen um Leben unwürdig und soll uns auf mehr einstimmen als auf das Überwinden des Virus. Es ist die Sprache täglicher und zukünftiger Kriege.

Ist das die Revanche der Herrschenden gegen einen Virus, der ihnen ihre Kriegsspiele wie Defender 2020 vermasselt hat?

Die aktuellen Manöver sind eingefroren und die Bundeswehr hat ihre Beteiligung abgesagt, aber die Planungen für Defender 2021 mit einem Großmanöver im Pazifik und einem Begleitmanöver in Europa liegen längst in der Schublade. Ebenso wurden nicht alle Teilmanöver storniert und Übungen finden nach wie vor statt. Nicht zu vergessen die rotierenden NATO-Gruppen in den Baltischen Staaten.

Die USA schicke jetzt einen Zerstörer nach Venezuela, um angeblich gegen Drogen zu kämpfen und auch deutsche Kriegsschiffe stehen in den Startlöschern Richtung Pazifik.

Und nun soll auch noch die Bundeswehr – bevor sie arbeitslos wird – gegen den Virus eingesetzt werden, und das, wo ihr zuvor 6 Millionen Schutzmasken in Kenia abhandengekommen sind.

Diese Militarisierung der Gesellschaft verstärkt auch die darin enthaltenen patriarchalen Macht- und Gewaltstrukturen. Es gibt schon Hinweise, dass durch den Lock down, der Kontaktsperre und weitgehenden sozialen Isolation, Kindesmissbrauch und Gewalt gegen Frauen zunehmen, und das in einer Zeit wo Beratungsstellen geschlossen und Frauenhäuser sowie so schon überfüllt sind, eine Isolierung ist so nicht möglich.

Frauen sind in mehrere Hinsichten negativ von Corona und den Einschränkungen betroffen. Sind es aktuell doch mehrheitlich Frauen, die unsere Gesellschaft am Leben erhalten, sei es als Verkäuferin im Einzelhandel oder im Care-Bereich, als Krankenschwestern, Altenpflegerinnen und und und. Und in der Regel sind dies auch die Jobs, die am unteren Ende des Gehaltsskala liegen und wenig wertgeschätzt werden.

Diese Kriegshysterie erzeugt Feindbilder und projiziert diese besonders gegen Russland und China. Wäre es jetzt nicht Zeit, diesen Virus weltweit gemeinsam anzugehen in Solidarität auch mit Russland und China.

Herr Maas, haben sie niemals Willi Brandt, ihren Parteigenossen gelesen: Gemeinsamkeiten suchen, immer und immer wieder, Kooperation, das war sein Credo. 

Herr Maas ihre Sanktionspolitik, ihre Konfrontation mit Russland ist – zu deutsch – einfach zum Kotzen. Die Sanktionen gegen Russland, Venezuela, Cuba und Iran werden fortgesetzt, entgegen dem Rat der UN-Menschenrechtsbeauftragten. 

Auch die Worte des UN- Generalsekretärs interessieren im offiziellen Berlin keinen. Sein so hilfreicher Vorschlag, eines weltweiten Waffenstillstandes wird – peinlich genug – einfach ausgesessen. Was wäre doch ein Schweigen der Waffen überall auf der Welt für ein beeindruckender Schritt hin zu ein wenig mehr Menschlichkeit.

Zu der Politik „unserer“ Regierung, der sie tragenden Parteien, aber auch zu dem Kriegsgeschwätz der Grünen sagen wir nein und nochmals nein. 

Wieder einmal wird deutlich: Sprache, erst recht die Sprache der Macht, ist verräterisch, sie drückt aus, was die Regierenden denken und wollen – und Schweigen zu Friedensvorschlägen ist Mitschuld. Die Gesellschaft soll an Krieg gewöhnt werden. 

Ja es ist sogar mehr, durch „unsere“ Rüstungsexporte heizen „wir“ die Kriege erst richtig an.

Wir wissen: Deutschland führt täglich Krieg, von deutschem Boden aus werden die Drohnen, die das Mädchen in Afghanistan, die Oma in Somalia töten, ins Ziel gelenkt. „Wir“ führen täglich Krieg, Deutschland ist an 13 Interventionskriegen beteiligt. 

Wir militarisieren EU-Europa und bauen einen europäischen militärisch-industriellen Wissenschaft – Medien Komplex auf. Für die Rüstungsforschung sind Gelder vorhanden, aber keine für eine vorausschauende Forschung und Entwicklung von Gegenmitteln gegen Krankheiten.

Wir rüsten gigantisch auf. Die 2% des Bruttoinlandprodukts sind ja nur eines der Zeichen dieses Militarismus. 85 Milliarden für Rüstung ist das Ziel.

Ja, der Griff zur deutschen oder europäischen Atom-Bombe mit deutscher Beteiligung wird immer öfters formuliert. Das ist eine Politik, die weitere Kriege vorbereitet. Wie hat es Albert Einstein schon gesagt. 

Die Waffen, die Wissenschaftler und Ingenieure entwickeln, werden in zukünftigen Kriegen auch eingesetzt!

Und diese Politik verstärkt die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in unserem Land. 

Dagegen werden wir wieder auf die Straße gehen:

  • Bei den Ramstein Protesten im September in Berlin.
  • In Kalkar und Torgau am 3.10. Dieser Tag sollte endlich von uns für Friedensaktionen überall besetzt werden.
  • Bei den Aktionen gegen Defender 2021.
  • Beim nächsten NATO-Gipfel.
  • Und bei der Stärkung und Weiterentwicklung der Kampagne abrüsten statt aufrüsten.

Abrüstung ist der Schlüssel zur Umkehr.

Gerade jetzt brauchen wir jeden Cent um die Folgen der Coronakrise halbwegs erträglich zu gestalten. Und wie so oft im Leben, sind gerade diejenigen, die am wenigsten zu dieser Pandemie beigetragen haben, diejenigen, die am meisten darunter leiden. Harz IV Empfänger*innen bringen nicht das Virus aus China oder vom Ski-Urlaub in Tirol mit und die wenigsten von ihnen sitzen ungeschützt im Flugzeug aus Israel gemeinsam mit bekannten Corona-Kontaktpersonen, 19 wurden in Frankfurt dann positiv getestet.

Hinzu kommt unser durch Privatisierung und Kommerzialisierung kaputt gespartes Gesundheitswesen, das dringend saniert werden muss. Und wenn sich Scholz jetzt hinstellt, und erzählt, weil wir sparsam waren, kann er jetzt Gelder ausgeben, dann waren es doch genau diese Sparpläne, die das Gesundheitswesen auf den Hund gebracht haben. Nicht erst seit Korona gibt es den Pflegenotstand.

Es wird aktuell viel von Solidarität geredet, und ich denke nur gemeinsam können wir diesen Virus in den Griff bekommen. Nicht Nationalismus und Abschottung, sondern internationale Solidarität, sind das Gebot der Stunde. Dazu gehört als erstes die Sanktionen aufzuheben und zu kooperieren, vor allem mit den Ländern, die Erfahrung haben im Kampf gegen Viren und Pandemien, sei es China oder auch Cuba. 

Dieses kleine Land, das seit Jahrzehnten unter der US-Blockade leidet, zeigt sich solidarisch, das Kreuzfahrtschiff darf trotz Corona an Bord anlegen, um die 1000 Passagiere in ihre Heimat zu fliegen, die Condor-Maschine mit deutschen Rückkehrern aus Venezuela kann auftanken. Und - wie üblich - sind seine Ärzte auch schon wieder im weltweiten Einsatz gegen Corona, selbst bis nach Italien sind gekommen.

Auch hiervon kann Deutschland noch viel lernen. Es muss endlich seinen Widerstand gegen die Eurobonds aufgeben, nur gemeinsam kann die EU mit dem Virus fertig werden, der macht nicht halt an den Grenzen. 

Dazu gehört auch die Hotspots und Flüchtlingslager an der griechisch-türkischen Grenze aufzulösen, bevor dort der Virus um sich greift. Dort Leben heute schon zigtausende von Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen (Flüchtlinge aus „unseren“ Kriegen), selbst einfachste Hygieneregeln sind da nicht einzuhalten. 

Es gilt dem Beispiel von Luxemburg zu folgen und Menschen hier aufzunehmen, Zusagen aus deutschen Städten liegen ja bereits vor.

Vergessen wir aber bitte niemals: Gerechtigkeit und Abrüstung sind unsere Ziele – aber global. Deswegen ist Abrüstung weltweit so notwendig. Die Welt kann sich 1,8 Billionen US-Dollar für Kriege und Rüstung einfach nicht mehr leisten. Nur mit Abrüstung können wir Hunger, Armut, die schrecklichen Erkrankungen überwinden. Abrüstung ist notwendig, um auch nur in Ansätzen die Nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen.

Das ist die Botschaft aus den home offices Ostern 2020 und alle können gewisse sein:

#Wir kommen wieder auf die Straßen und Plätze der Republik als Friedensbewegung im breiten Bündnis mit den Gewerkschaften, den sozialen, Umwelt- und Klimabewegungen, den Flüchtlings- und Antirassismus-Initiativen sowie weiteren sozialen Bewegungen.

Bis dahin sind und bleiben wir präsent mit Zeichen an Kinderwagen, Fahrrädern und Autos, Fahnen in den Fenstern und auf den Balkonen.

Natürlich im Internet und den social medias mit Texten, Videos, Webinaren und Konferenzen.

Frieden brauchte Bewegung! Gerade nach diesem Ostern 2020

Ich danke Euch und bleibt gesund.

 

Kristine Karch ist Co-Sprecherin des internationalen Netzwerkes „No to NATO – no to War”

 

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