ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch in Wolfsburg am 11. April 2020

 

Frieden statt Krieg – Gesellschaftlicher Schutz in der neuen Zeit

 

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

„Unser Marsch ist eine Tradition, weil er für den Frieden steht.“

Wir lassen uns nicht abhalten. Gerade in der heutigen Zeit die geprägt ist von einer Weltweiten Corona-Kriese. Weder vom Versammlungsverbot. Noch davon, ob „Frieden“ gerade Konjunktur hat.

Unser virtueller „Marsch der Minderheit“ ist tatsächlich aber ein Marsch für die Mehrheit.

Wir sagen NEIN zu Krieg, Atomrüstung und innerer Militarisierung.

Wir sagen JA zur zivilen Lösung der Zukunftsprobleme.

In 2019 gibt gab insgesamt 27 Kriege und bewaffnete Konflikte!

Weltweit sterben viele 100.000 Menschen direkt an Kampfhandlungen.

Der 1. Ostermarsch vor über 50 Jahren stand unter dem Motto „Kampf dem Atomtod!“. Das ist heute noch genauso aktuell.

In Deutschland und um Deutschland herum lagern immer noch Atomsprengköpfe. Die Zahl der Atommächte ist gestiegen, und sie steigt weiter.

Ich hätte da einen Vorschlag, liebe Freundinnen und Freunde: Die Atommächte vernichten alle Atomwaffen, und das Problem ist gelöst. Denn was es nicht gibt, kann auch nicht in falsche Hände geraten.

Aber, was sage ich? Sind Atomwaffen irgendwo in richtigen Händen? Ich sage Nein! Atomwaffen sind überall in falschen Händen. Sie waren in Hiroshima und Nagasaki in falschen Händen. Sie waren bei den Atomwaffenversuchen auf Nowaja-Semlja, in der US-amerikanischen Wüste oder auf dem Mururoa-Atoll in falschen Händen.

Atomwaffen sind überall in falschen Händen, auch in Israel. Und sie wären bei den iranischen Machthabern oder in Nordkorea ebenfalls in falschen Händen.

Wir dürfen uns die Anmaßung der US-amerikanischen Politik nicht zu eigen machen, die Welt in falsch und richtig, in gut und böse einzuteilen. Nicht in ideologischer, religiöser, wirtschaftlicher und auch nicht in militärischer Hinsicht.

Es gibt keine guten Kriege. Es gibt keine guten Waffen.

Und es gibt auch keine guten Toten!

Aber eins steht fest: Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit!

Wer die Welt und die Menschen in gut und böse einteilt oder sonst wie spaltet, der verursacht genau das, was er erst beklagt und womit er dann bewaffnete Einsätze rechtfertigt: Der verursacht und schürt den Hass, der zu Kriegen führt.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

heute lehnen breite Mehrheiten in der Bevölkerung den Einsatz der Bundeswehr im Ausland ab. Trotzdem findet sich seit über 20 Jahren genau dafür immer wieder eine Mehrheit in Regierung und Parlament.

Sie Vernachlässigen dabei unseren Schutz, den Zivilschutz der nicht mehr im Aufbau der Bundeswehr Besteht sondern im Aufbau einer Gesundheitsversorgung für alle Menschen auf der Welt. Die Wirtschaftliche Betrachtung einer Daseinsvorsorge stürzt uns gerade in einen Zustand der Fassungslosigkeit. Jetzt müssen zur Beseitigung der Krise nachhaltige Lösungen gefunden werden. Die Daseinsvorsoge muss in den Mittelpunkt rücken. So kann der erste Schritt die Rekommunalisierung der Krankenhäuser sein.

Als in den 1960er Jahren die große Koalition die Notstandsgesetze gegen eine breite Bewegung durchsetzte, ging es noch um den Einsatz der Bundeswehr im Innern: Gegen streikende Stahlarbeiter, gegen protestierende Studenten. Die Notstandsgesetze wurden beschlossen.

Damals war die Bundeswehr noch – wie es das Grundgesetz verlangte – eine Wehrpflichtigenarmee, die allein der Landesverteidigung diente. Sie sollte nach den Erfahrungen der Diktatur und der ersten deutschen Demokratie kein „Staat im Staat“ mehr sein.

Was ist daraus geworden?

Mit der Umwandlung in eine Freiwilligenarmee ist die Funktion der Bundeswehr eine völlig andere geworden. Die Bundeswehr wird – im Widerspruch zum Grundgesetz - - zu einer international einsetzbaren Interventionsarmee umgerüstet.

Und der Krieg hält zunehmend Einzug in unser Land. Unsere Gesellschaft wird immer stärker militarisiert.

Je mehr Hartz-IV-Empfänger wir haben, desto stärker wird die Militärpropaganda im Innern – sowohl zur Nachwuchsgewinnung, als auch um die Bevölkerung an den „Normalzustand“ zu gewöhnen und auf neue Kriege einzustimmen.

Die Bundeswehr drängt sich in immer mehr Bereiche unserer Gesellschaft.

Auch an Hochschulen und Schulen. Die Bundeswehr ist nicht die „Schule der Nation“. Aber sie macht Schule!

Im Rahmen des Unterrichts konnten die Jugendoffiziere nach offiziellen Angaben der Bundesregierung fast 144.000 Jugendliche erreichen – 10.000 mehr als im Vorjahr.

Die verstärkten Anstrengungen in der psychologischen Kriegsführung und -vorbereitung – etwas anderes ist die Militärpropaganda an Schulen aus meiner Sicht nicht – werden ergänzt durch den Einsatz sogenannter „Karriereberater“ der Bundeswehr. Sie sollen das Militär als attraktiven Arbeitgeber präsentieren. Sie haben im vergangenen Jahr ganze Arbeit geleistet: Über eine Viertelmillion Jugendlicher und über 100.000 Lehrkräfte sowie andere Multiplikatoren wurden erreicht.

Das geschieht auf Basis von Kooperationsabkommen mit Landesregierungen, in denen der Bundeswehr weit reichende Möglichkeiten im Bereich der politischen Bildung, des Politikunterrichts sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte und Referendare eingeräumt wird.

Was ist mit den Berufsbildern von Pflegepersonal in Altenpflegeinrichtungen und Krankhäusern. Was ist mit den Kassierinnen und Kassierern und den vielen anderen die in der Corona-Krise ohne gute Schutzmaßnahmen ihre Arbeit verrichten müssen.

Klatschen auf dem Balkon Sichert ihnen nicht den Lebensunterhalt.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund wendet sich entschieden gegen diesen zunehmenden Einfluss der Bundeswehr und ruft – gemeinsam mit Schülervertretungen – zu Aktionen gegen Werbeversuche der Bundeswehr auf: „Die Schule ist kein Ort für Rekrutierung von Berufssoldatinnen und –soldaten.“

Ich unterstütze diesen Protest und freue mich, dass so auch wieder viele junge Leute in Aktion kommen und Teil unserer Bewegung werden!

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

zugenommen hat einmal mehr auch der Waffenhandel. Und auch damit muss Schluss sein!

Für Kriege und bewaffnete Konflikte gibt es viele Ursachen. Aber eins steht fest: Kriege brechen nicht aus wie ein Vulkan. Sie werden gemacht.

Deutschland stand 2012 wie schon in den Vorjahren an dritter Stelle der Rüstungsexportländer. Nach den USA und Russland. Das darf doch nicht wahr sein, liebe Freundinnen und Freunde.

Für die Menschen tun sie nix, bei der Rüstung sind sie fix.

Wir wollen nicht, dass das so weitergeht.

Denn ein Bruchteil der 1,7 Billionen Dollar, die weltweit für Rüstung ausgegeben werden, würde ausreichen, die wichtigsten Milleniumsziele der Vereinten Nationen zu erreichen: Die Halbierung der Armut, die Versorgung aller Menschen mit sauberem Wasser, mit Gesundheitsdiensten und mit Bildung.

Aber die Perversion der Aufrüster hat System. Es ist das System der Umverteilung von unten nach oben, von arm zu reich.

Das ist nicht nur an dem jüngsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung klar erkennbar. Auch wenn die Sozialschmarotzerpartei FDP dafür gesorgt hat, dass der Bericht an einigen Stellen umgelogen wurde, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig gelassen hatten: Deutschland ist über 20 Jahre nach dem Mauerfall immer noch oder wieder ein zutiefst gespaltenes Land. Die Grenze verläuft aber nicht mehr an der Elbe, sondern zwischen oben und unten, liebe Freundinnen und Freunde!

Das müssen wir ändern. Dieses System müssen wir durchbrechen. Das sage ich als Gewerkschafterin. Das sage ich aber auch als Friedensfreundin. Denn diese Ungerechtigkeit in der Welt ist eine Hauptursache für kriegerische Auseinandersetzungen.

Und auch die Lobby der Waffenhändler macht sich um so lauter bemerkbar. Sie drängt immer unverhohlener auf eine Liberalisierung der Waffenexporte, um weiter bombige Geschäfte und Gewinne zu machen. Und die Bundesregierung gibt diesem Drängen immer häufiger nach.

Längst werden die formal strengen Rüstungsexportrichtlinien durch eine laxe Praxis unterlaufen. So hat sich Schwarz-Gelb darauf geeinigt, Rüstungsexporte künftig weniger restriktiv zu handhaben. Ihr Argument: Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Staaten sind abzubauen und Arbeitsplätze zu sichern.

Ich weiß: Beschäftigte in den Rüstungsbetrieben, viele von ihnen Mitglieder der IG Metall, fürchten sinkende Rüstungsausgaben und -aufträge. Nicht weil sie Krieg wollen. Sie haben schlicht Angst um ihre Arbeitsplätze und Einkommen, mit denen sie sich und ihre Familien über Wasser halten.
Wir brauchen die Umstellung von militärischer auf zivile Produktion.

Täglich fordern Waffenlieferungen ihre Opfer. Wo es viel Waffen und Munition gibt, werden Konflikte und Bürgerkriege angeheizt. Bewaffnete Banden terrorisieren die Bevölkerung. Menschen werden verstümmelt, weil sie auf Minen treten.

Rüstung tötet, auch im Frieden. Dieses Motto der Friedensbewegung gilt nach wie vor. Die Exporte von Waffen und ihre unkontrollierte Weitergabe tragen weltweit dazu bei, dass Menschenrechte verletzt und Kriege geführt werden. Sie halten eine Todesspirale in Gang.

Deshalb fordere ich die Bundesregierung auch auf, sich für eine internationale Ächtung der High-Tech-Drohnen einzusetzen, weil sie den Krieg unsichtbar und billiger machen und Hinrichtungsinstrumente sind. Diese Spirale wollen wir alle durchbrechen.

Es hat ja Initiativen der IG Metall und von betrieblichen Kolleginnen und Kollegen aus Rüstungsbetrieben gegeben, von militärischer auf zivile Produktion umzuschalten. Es gibt sie immer noch. Und sie können Erfolge vorweisen.

Zum Beispiel unsere Kollegen aus dem militärischen Schiffbau. Sie haben früh erkannt, dass sie ihr Know-how auch dafür nutzen können, auf dem Meer Windkrafträder zu bauen.

Das ist, wie wir wissen, mittlerweile ein Zukunftsprojekt im Rahmen der Energiewende.

Aber solange die Politik die Scheunentore für den Rüstungsexport weit offen lässt und die Rüstungskonzerne bombig verdienen, haben solche Initiativen wenig Chancen.

Rüstungsexporte machen weniger als ein Prozent aller auf dem Weltmarkt verkauften Güter aus Deutschland aus. Rund 80.000 Menschen arbeiten in Betrieben der Rüstungsindustrie. Da sollten wir keine Angst vor Umstrukturierung haben. Da haben wir schon viel härtere Brocken bewegt.

Im Übrigen behaupte ich: Auch die Metallerinnen und Metaller, die heute noch Waffen oder anderes militärisches Gerät bauen, würden lieber heute als morgen zivile Güter herstellen.

Ich sage aber auch: Dieser Weg hin zu Konversion und zu zivilen statt militärischen Gütern kann nur mit den Beschäftigten, nicht gegen sie entwickelt werden. Dazu gehört zu allererst: Die Politik muss Rüstungsexporten enge Grenzen setzen.

Ich fordere daher die Bundesregierung auf, ihre undurchsichtige Genehmigungspraxis für Rüstungsexporte transparenter zu machen. Ich fordere sie weiter auf, das Parlament endlich bei Entscheidungen über Waffenexporte einzubeziehen statt in Geheimgremien entscheiden zu lassen.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich bin überzeugt: Wir können die Probleme, die es auf unserer Erde gibt, zivil lösen. Dafür müssen wir das Militärische stoppen, und zwar überall! In den Köpfen, auch in unseren eigenen. In den Medien, die sich allzu leichtfertig für militärische Interessen instrumentalisieren lassen. Schließlich in der Politik.

Hierfür sind wir auch heute wieder auf die Straße gegangen. Und wir werden wieder auf die Straße gehen. Frieden ist zu wichtig für die Menschheit, um ihn allein den Politikern zu überlassen.

Wir werden am 1. Mai leider nicht auf diesem Platz stehen. Der traditionelle Tag der Arbeit, zu dem die Gewerkschaften aufrufen kann wegen der Corona-Krise nicht wie gewohnt stattfinden.

Für diesen 1. Mai in Wolfsburg rufen wir alle auf in den sozialen Netzwerken deutlich zu machen was wir wollen „Frieden“ „Solidarität“ „Vielfalt“ „Gerechtigkeit“ und „Respekt“

Setzt ein Zeichen am 1. Mai für unsere Werte, sie stehen für „Miteinander“

gegen Krieg, gegen Ungerechtigkeit, gegen Faschismus, gegen Ausgrenzung!

Bleibt gesund und Helft diese Krise zu überwinden.

 

Matthias Disterheft ist Geschäftsführer und Kassierer der IG-Metall Wolfsburg.

 

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